Rage of Achilles – Verschwörung des Lärms

Text: | Ressort: Musik, Thema | 6. September 2003

I’m sure my neighbours think living next to me is hell unleashed…”
Duncan, Rage of Achilles

Eine Bewegung ist Bewegung. Nicht ihre Traditionen sind es, die die Entwicklung hemmen. Es sind die zelotischen und völlig unerbetenen Verteidiger eines optimalen Status, den diese selbst innerhalb der Grenzen ihrer sehr beschränkten Vorstellungskraft definieren und für die Ewigkeit kanonisieren wollen. Die Konservativen agieren aus einer Schwäche, und diese Schwäche wird schließlich offensichtlich werden, wenn die genuine Kraft der Bewegung sich an ihren anmaßenden und lächerlichen Barrieren vorbeischiebt.

Es liegt eine Kraft im Metal, eine Kraft, von der die Bewegung viel länger schon als zwei Dekaden zehrt, eine Kraft, die der Bewegung ein Moment verleiht, das sie stetig jenseits der Grenzen treibt, denen man immer zu schnell zuschreibt, sie könnten nicht mehr überwunden werden. Der Stammbaum keines anderen Genres ist so verzweigt wie der des Metal. Ausdruck einer steten Brechung mit den Zwängen, die der Konservativismus dem Genre anzulegen droht. Die populäre Illusion, Metal sei ein Hort der Stagnation, eingelegt in okkulte Lake, um eine fusslig, ledrige Fassade zu wahren, ist die erfolgreichste Lüge des Konservativismus – jenseits marketingkonstruierter New Metal Begrifflichkeit und der Kanonisierung jahrzehntealter Schemen gehört Metal zu den deutlichsten Inspirationen vieler Künstler, die man ob ihres mühelosen Transzendierens tradierter Genregrenzen gerne mit der Silbe “post-”apostrophiert, und auch von mithin des Spektrums Metal wird wie wahnsinnig gegen die beklemmenden Genredefinitionen getreten.

Es gibt in der westlichen Hemisphäre kaum einen Markt für Heavy Metal, der konservativer ist als der deutsche, konstatiert Duncan. Die Veröffentlichungen seines Labels Rage of Achilles, das einige der derzeit aufsehenerregendsten Reisen in die äußeren Dimensionen des Metal unterstützt, bersten in den meisten Fällen gnadenlos durch das Konsensschema, das die Meinungsführer der hiesigen Metalszene zu leiten scheint. “It’s not the heavy metal fans as such”, glaubt Duncan. “I think it may be because of the very big German metal labels that dominate the market place. It’s a big business for them, with a lot of money involved, so that level seems to dominate. Who knows ?! But it seems to keep a closed door to more extreme or forward thinking ideas.”

Im Schatten der mächtigen Trutzburg “Trueness”, über die vor allem in Deutschland der Metal-Mainstream tyrannisch wacht, aber tobt der Aufstand, schließen sich neue Netzwerke, alliieren sich die Mächte des Wahnsinns, um die Welt, die sie geboren hat, in ein kathartisches Feuer zu stoßen…

the axis of perdition.

Die Achse ist eine Allianz, deren gemeinsamer Anspruch auf Veränderung und vor allem den eigenen Bruch durch die Ignoranz eine tatsächliche Vielfalt eint. Seit 1999, binnen nur weniger Jahre, hat sich das britische Label Rage of Achilles zu einem der aufregendsten Foren der Metalgeschichte entwickelt – es steht für die Diversität innerhalb des weit gesteckten Umfeldes, für ein Pendeln zwischen den Traditionen und der Zukunft – eine wahnsinnige Reise, die in der qualitativen und ästhetischen Geschlossenheit des Katalogs jedoch nachvollziehbar wird. Es scheint nicht vorgesehen, dass die Portugiesen ThanatosShizo in diesen Dimensionen auf die Black Metal Avantgardisten Axis of Perdition treffen – ihr in sanften, goldbraunen Farbtönen herrlich nostalgisch nuanchierter Goth-Metal würde wahrscheinlich niedergewalzt, zögen Axis of Perdition tatsächlich in den proklamierten All-Out-War:

We are disgruntled by the untold hordes of bands that seem to be happy with replicating their favourite early nineties records without any of the original spark, individuality and integrity of that era as a platform for promoting themselves and spouting diluted, misinterpreted versions of wiser people’s ideals, as well as fatuous notions of ”Trueness” that demands that bands follow the exact blueprints of their fans instead of themselves. This kind of bands are dead weight to be shed, dross to be exterminated.”

Einer der wichtigsten, und deshalb hier vorangestellt betonten Verdienste von Rage of Achilles Gründer Duncan ist jedoch, dass er diese Extreme ausbalanciert, dass er diese wie gegeneinander strebenden Kräfte zu einer umfassenden Vision von Metal bündelt – im Repertoire des Labels spiegelt Metal seine vielfältigen Facetten in ihrer glorreichsten Brillanz.

Yes”, pflichtet mir Duncan bei, als ich ihn mit meiner Wahrnehmung starker futuristischer Elemente sowohl in der visuellen Repräsentation des Labels als auch im Sound und den konzeptionellen Referenzen einiger Rage-of-Achilles-Acts konfrontiere. ”There is a futuristic element to a lot of the things that we do visually and sometimes musically. I find it exciting to see how far this music can go.” Gleichzeitig verweist er aber auch auf seine Vorliebe für Klassischen Metal und impliziert, dass er es für ausgeschlossen hält, dem Spektrum seines Labels eine Grenze zu definieren, die er – gäbe es nur eine unwiderstehliche Möglichkeit – sofort wieder einreißen würde. Duncan tritt sicher auf die schmalen Stege zwischen den geifernden Konservativismus-Fallen. Zeitgeist kann eine der tückischsten Tarnungen sein. “I’m also a huge Warlock fan and Iron Maiden are one of my favourite bands, so I’m a big believer in the power of classic heavy metal.”

further along the left hand path

Evolution for evolution’s sake can be unnecessary”, betont Duncan, als sei dies eine der grundlegendsten Maxime hinter Rage of Achilles Records – sorgsam scheint jedes neue Release zu der bereits beeindruckenden Vielfalt assembliert. Gerade wenn man sich dem unglaublichen Charme der geschickt mit ihren Hellhammer Referenzen spielenden Kanadier Underlord oder auch der in ihrem Anachronismus vollkommenen ThanatosShizo ergibt, versteht man die Essenz dieser Botschaft unumständlich: wäre der Fortschritt ein Dogma, würde er eine verfluchte Geißel werden. “I’m a music lover first and foremost, so I know what I like. But it’s sometimes hard being so devoted to the music whilst working a business. But put it this way, if a release is going really well, it makes it all feel good.”

Diese beiden Faktoren spielten vor allem bei den ersten Veröffentlichungen von Cult of Luna und Omnium Gatherum hervorragend zusammen. Beide Alben trugen erheblich dazu bei, dass sich der Untergrund auf seiner großen blanken Karte einen weiteren herrlich schwarzen Flecken markierte. Beide Alben waren die Erfolge, die Duncans Enthusiasmus mit einer solideren ökonomischen Basis und einem gefestigten internationalen Status affirmierte. “The most rewarding experience of all of this is to feel the power and strength of heavy metal and to investigate the darker paths of my life. As for the most rewarding moments of the label so far, building the campaign with Omnium Gatherum for the release of their „Spirits & August Light“ album has definitely been a high point for me.”

I think the only way to keep bands after you’ve offered a fair contract is to work hard and keep in close contact all the time. I have some very good personal and working relationships with most of my bands, and I think that keeps it all together.” In einer Gemeinschaft, deren Netzwerke sich rasant in einen immer weiteren Radius spinnen, muss die Medialität des Internets diesem hehren Ansatz genügen.

Der Erfolg erhöht auch den Druck auf das Label – neue Fans, aufmerksam gewordene Kritiker und die jungen Bands, die unermüdlich ihre Demos verschicken, projizieren ihre eigenen Erwartungen und Hoffnungen in Rage of Achilles… Das Rückgrat des Labels jedoch, so betont es Duncan ausdrücklich, sind für ihn die persönlichen Kontakte zu seinen Künstlern – ein Netzwerk, eine internationale Verschwörung des Lärms, mit einem ganz eigenem Moment, das treibt, die Vision nicht aus den Augen zu verlieren.

Duncan steht weit abseits des Korridors, auf dem man unbemerkt zum Agenten fremder Ideale wird, jedoch reflektiert das erstaunliche Veröffentlichungsvolumen, dem Duncan in der zweiten Hälfte dieses Jahres gerecht werden möchte, nichts desto trotz die Evolution eines Labels in all ihren Facetten. “You just wait until Rage Of Achilles hits 2004. This is only the start of something very special indeed. Unbeirrt entlang des left hand path hallen die Schritte schneller.


http://www.discogs.com/Various-Persona-Neon-Grata/release/483162

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