Video Kings – Nach unten durchgespult

Text: | Ressort: Film | 28. Juli 2008

Dies ist kein Ort des sogenannten Prekariats, ein Ort an dem Leute, die zeitweilig unten sind, von der Gewissheit zehren, wieder aufzustehen. Wieder aufzustehen, sich sauber zu machen und erleichtert die Welt neu zu besehen. Dies ist keine Toilette. Dies ist eine Videothek – hier werden Filmkassetten noch von Hand zurückgespult (um die Stromrechnung nicht noch tiefer ins Rot zu belasten und auf dass die beiden Angestellten überhaupt etwas zu tun haben). Kann es einen hoffnungsloseren Ort geben? Nein, kann es nicht! Wer hier hinter diesem Tresen steht, ließ längst alle Hoffnung fahren, und gibt sich nur noch Illusionen hin. Flo (Fabian Busch) dramatisiert seinen deprimierenden Alltag über Filmzitate, wünscht heimlich, er könne die Zeit rückwärts drehen, könne von dem Tiefpunkt, an dem er sich gerade befindet, in die Erinnerungen an bessere Tage zurück … so wie in „Memento“. Niemand versteht Flo. Alle finden „Memento“ Scheiße. Flo passt hier nicht rein, mit seiner verkappten Intellektualität, seinen bonbonpapierfarbenen Kitschträumen, seiner verweichlichten, vom harten Kiezalltag völlig ungestählten Art – noch nicht mal den richtigen Slang hat er drauf.

Es verleiht dem Film „Video Kings“ etwas ungemein Spießiges, dass die Dramaturgie seine zahlreichen Nebenschauplätze um die zu naheliegende Mission arrangiert, ihren Protagonisten aus diesem erklärten Elend herauszuholen – das klarwiekloßbrühe herbeigekarrte Vehikel ist die Liebe, eine Göttin-aus-der-Maschine, die sexy schiefgesichtige Ramona (Monica Nancy Wick). Die einzig wesentliche Verwicklung, die der zeitigen Erfüllung dieser Zweisamkeit bei „Lawrence of Arabia“ und Steptanz-Videos aufm Sofa entgegengestellt wird, ist die verdammte Annahme, diese Ramona sei eine Professionelle (was selbstverständlich alles zerstören würde) – eine Verwicklung, die es auch noch einmal ganz ausdrücklich macht, wie sehr die Spießbürgerlichkeit bis in die ranzig aromatisierten Gefilde der Ausgestoßen, bis an den unteren Rand der Gesellschaft penetriert, und hier sowohl die Gedankenwelt selbst der abgeschriebensten Vollzeitloser strukturiert als auch die Filme derer, die sich unten mit ihnen erklären wollen. So offensichtlich Parallelen zwischen „Video Kings“ und seinem Vorbild, den „Clerks“-Filmen Kevin Smiths, zunächst auch wirken mögen, stehen sich die Werke doch als beinahe antagonistische Modelle gegenüber: bei Smith obsiegen Freundschaft und die Protagonisten verbleiben mit der Erkenntnis der Wertigkeit des Lebensentwurfes, Daniel Acht & Ali Eckert hingegen beschließen „Video Kings“ in einer kasperhaften, campigen Überzeichnung der Erlösung aus derselben Situation.

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