Rocken musses!

Text: | Ressort: Musik | 31. Juli 2008

Zeit zum Arschtreten! Erst wenn’s wirklich rockt, ergibt’s auch Sinn – so funktioniert die Welt nun einmal. Mangelndes Engagement und Lust am gnadenlos Old-School-verhafteten Krachschlagen kann man den Berlinern Punishable Act auf gar keinen Fall vorwerfen: Deren aktuelles Werk „Rhythm Of Destruction“ (Street Justice Rec.) buchstabiert den Kanon des guten alten (Metal-) Hardcore von A bis Z in aller Genauigkeit. Einschließlich aller verfügbaren Klischees, wie Titel wie „Justice For All“, „Victim Of Society“, „On The Streets“ oder Textzeilen wie „I was an outlaw, A man of no rules/No conformity , Their system is for fools“ recht eindrucksvoll belegen. Dazu werden die dicksten verfügbaren Bretter gebohrt: Megaanpisstes Shouting, verziert mit einigen Call And Response-Parts; ähnlich verbiestertes Songwriting zwischen Moshpit und Uptempo-Geklopfe, dazu wurde freundlicherweise die hin und wieder gniedelnde Leadgitarre erfreulich weit nach hinten gemischt, um nicht weiter auf den Wecker zu fallen. Und wenn ich ganz ehrlich bin – so etwas kommt mir dann doch eher in die Tasche als dieser ganze weichgespülte Emo-Kram. Weil’s in seiner überbordenden Klischeehaftigkeit dann doch rockt, irgendwie.

Verwirrend ist hingegen der Yuppie-Club – wieder einmal eine von diesen Bands, die da im Experimentierkolben allerlei zusammenmixen und einfach mal schauen, was dabei herauskommt. In diesem Falle von „Pretty Brutal“ (Radar Music) haben wir es wohl mit ein paar ausgewachsenen Grindern zu tun, die den, ähem, eindimensionalen Charakter des Highspeed-Geklopfes mit ein wenig metallastigen Hardcore und atmosphärischen Doom-Geschleich aufwerten wollen. Das Ergebnis kann sich durchaus hören lassen – am meisten mag ich die paar Stellen, an denen die ganze Sachen zum Melodic-Grunz wird.

Apropos seltsam: Diesen Begriff kann und darf man auch gerne im Zusammenhang mit der Band Angst vor Clowns verwenden. Blöder Name, dachte ich mir, noch blöderes Cover, dachte ich mir als nächstes und ließ mich dann doch vom Label BluNoise davon überzeugen, es doch einmal mit der gleichnamigen CD zu versuchen. Immerhin halten die ihre Seltsamkeit ganz schön konsequent durch und dies meine ich absolut positiv: Diese wild entschlossene Verknüpfung aus einer gewissen fettriffigen Schweinerock-Affinität, Noise-geschulter Zappligkeit und der permanenten Aufgekratztheit von Sänger Gerd Knebel knistert ganz schön. Neurosen-Rock im Quadrat. Eine Musik im Stress-Overkill. Krawall kurz vorm Durchdrehen. Keine Frage: So etwas gefällt dem ollen Jensor prima – um so mehr, da die deutschsprachigen Texte das überraschende Niveau der Musik nicht nur halten können, sondern der Paranoia-Atmosphäre des Ganzen noch eine weitere Dimension verleihen. Kurz gesagt: Das ist auch inhaltlich ganz schön großartiger Stoff. Gerne mehr von diesem Irrsinn.

Nochmal Apropos – diesmal apropos Rock und deutschsprachige Texte. Die Barseros sind via „Kill, kill, das ist Pop!“ (Unter Schafen Records/Alive) ebenfalls auf diesem Felde unterwegs. Allerdings geht es hier weniger ums Durchdrehen, sondern eher um das Prinzip Breitbeinigkeit. Da ist der Pop-Verweis im Plattentitel gar nicht mal unangebracht: Eingängigkeit rules in diesem Genre nun mal so richtig okay. Ein paar entsprechende Großtaten können auch die Barseros ins Rennen schicken: Mal sind sie auf den Spuren der Ärzte unterwegs (höre beispielsweise „Ein Film mit Rudolf Prack“), auch die Anklänge an unsere skandinavischen Freunde dürfen nicht fehlen. Womit wir beim Problem wären: Ein Stück wie „Der langweiligste Mensch der Welt“ ist durchaus ein Ohrwurm – allerdings eher deshalb, weil man sich die ganze Zeit permanent erinnert fühlt. An all die ganzen anderen Rocker dieser Erde. Durchwachsen.

Zur Abwechslung mal ein wenig Southern Rock-Reminiszenz: Auch wenn die Jungs von Los Fuocos via Waschzettel ausrichten lassen, auf „Revolution“ (GoDown Records/Radar Music) einen Mix aus Old School Rock der Marke MC 5 und Radio Birdman sowie den üblichen skandinavischen Verdächtigen Hellacopters und Gluecifer anzustreben (wobei ich mir letzteres noch gefallen lasse) – diese Mugge knirscht ganz schön zwischen den Zähnen. Vor lauter Sand und so. Die zehn Eigenkompositionen sind nicht allzu spektakulär, nur die Coverversion des Beatles-Songs „Day Tripper“, sorry, die geht ganz und gar nicht. Größtes Manko: Die Produktion ist leider mal wieder eine ganze Spur zu klar und routiniert.

Wie man’s richtig macht, zeigen die famosen White Denim auf „Workout Holiday“ (Full Time Hobby/PIAS). Natürlich wurde dieser Kram von der Band selbst produziert und dies haargenau auf dem Niveau, die bei dieser Musik zwingend angebracht ist. Alles ein klein wenig schepprig, ein klein wenig Lo-Fi, ein klein wenig ruppig – nicht zuviel, aber ausreichend, um diesen Garagenrock-Soul-Psychedelic-Trip auf die wirklich authentische Schiene zu hieven. James Petralli, Steve Terebecki und Josh Block richten uns auf runden 38 Minuten aber dermaßen einen an, dass einem das Herze im Leibe aber so etwas von lacht. Kein einziger Ausfall, keine Sekunden Belanglosigkeit, keine Reproduktion von althergebrachten Standards – White Denim tüfteln mit einer Ausgekochtheit und einem Geschick an diesem Ding „Garagenrock“ herum, dass man glatt alle Retro-Aspekte unwillkürlich ausblendet und diesen Style für echt heißen neuen Scheiß hält. Aaaah, ich liebe es!

Einfach nur liebenswert sind auch Thee oh Sees und sei es nur aus dem Grunde, dass hier die Übersteuerung zum grundsätzlichen Prinzip erklärt wurde. Dies ist sowohl der CD „The Master’s Bedroom Is Worth Spending A Night In“ (Tomlab) als auch in viel stärkeren Maße den Live-Auftritten zu entnehmen. Aber auch dies ist ein Muss: Anders könnte dieser massiv bluesinfizierte, hochgradig scheppernde und zu allem Überfluss noch mit einer massigen psychedelischen Feedback-Kante versehene Garagenrock wohl gar nicht funktionieren. Immerhin fordern John Dwyer und Konsorten damit jeden Hörer heraus: Liebe es oder hasse es. Ein „Dazwischen“ gibt es für diese 15 Kracher im ursprünglichsten Sinne des Wortes einfach mal nicht. Meinen Segen haben die auf jeden Fall.

Zwei Minuten und 40 Sekunden dauert es, ehe der Hubschrauber endlich unten ist – dies zeigt, die Herren von The Freeks haben durchaus Zeit. Naja, eigentlich kein Wunder bei diesem Legendentreffen von Jack Endino bis Scott Reeder. Und auf der gleichnamigen CD (Cargo Records) frönen die erwähnten Legenden instrumentenreich von heftigst jaulender Gitarre über wabernde Orgel bis hin zur Lagerfeuer-Mundharmonika der offenbar allseits reichlich vorhandenen Vorliebe für’s Psychedelische. Das Ergebnis ist derart Retro, dass ich mich spätestens nach dem vierten Stück ein wenig ratlos am Hinterkopf kratzte. Nee, für einen Spaß klingt dies alles eine Spur zu ernsthaft. Und um das alles ernst nehmen zu können, erschöpft es sich mir persönlich ein wenig zu offensichtlich in einer puren Reproduktion massiv hippieesker Klischees, der einfach zu allem Übel auch der gewisse Schwung und die nötige Energie fehlen. Arschtreten ist hier definitiv Fehlanzeige. Dann schon lieber Nosey Joe & the Pool Kings: Die sind auf „Tunes From The Bighouse“ (Heptown Records) zwar auch dermaßen historisch, aber wenigstens hat dieser verdammt klassische Rock’n’Roll-Style mit massiger Bläserfraktion, Piano und Standbass den nötigen Dampf in den Fäusten. Zudem wird hier ein gar trefflicher Geschichtsunterricht verabreicht – einfach mal hinhören, wie viel Black Music-Roots in der weißen Rockscheiße stecken. Derlei Background kann schließlich nie schaden.
Vor allem bei den „Indie-Kids“ dieser Erde, die einem beim Auflegen von R’n’B immer maßlos auf den Sack gehen mit Statements wie „Kannste mal Musik spielen?“. Naja, jeder kriegt, was er verdient – beispielsweise The Pigeon Detectives. Die nudeln auf dem Zweitling „Emergency“ (Dance To The Radio/Cooperative Music) derart routiniert und emotionslos ihr Gitarren-Bespaßungsprogramm ab, dass man beinahe schon wieder Mitleid kriegen könnte. Der Druck muss gigantisch gewesen sein: Jetzt nach dem Charterfolg bloß den Nachfolger nicht verkacken! Das Ergebnis ist größtmögliche Beliebigkeit bei größtmöglicher Massenkompatibilität. Musik, die die Welt nicht braucht.

Da liebe ich mir eher solche Enthusiasten wie Xrfarflight: Die Hamburger sind echte Auskenner und Musikliebhaber, dies kann man der CD „The Early Bird Catches The Worm, So Clever Worms Get Up Late …“ (Popup/Cargo) unbedingt entnehmen. Kerle wie diese haben Regalwände von Platten zu Hause zu stehen und sie haben diese allesamt gehört und parat. Frag sie nach 60-er Jahre Psychedelica und sie werden dir mit reichlichen Hörbeispielen zur Seite stehen. Und was Stoff wie Motorpsycho, Deerhoof, die Flaming Lips oder Notwist betrifft – da ist natürlich Vollständigkeit angesagt! Von nix kommt nix! Checker-Mugge vom Allerfeinsten, sage ich da nur und ich sage dies wie schon erwähnt mit einem sympathisierenden Lächeln. Allerdings macht’s das angeregte Namedropping schon deutlich: Da fehlt noch das eigene Profil. Bis dato ist es ein angenehmes Potpourri von Wohlbekanntem und Hochgeschätztem – mal schauen, was da noch draus werden kann.

Zum Schluss schauen wir noch mal bei den Zappligen rein: Trip Fontaine tanzen gerne auf ganz vielen Hochzeiten, was der Veröffentlichung „Dinosaurs In Rocketships“ (Redfield Records/Cargo) nicht immer bekommt. Eine Spur zu rasant und mithin schwer nachvollziehbar schwanken die Stücke zwischen arg verschmuster Anschmiegsamkeit und noisiger Nervosität hin und her. Ich krieg da keinen Sinn rein, tut mir leid. Empfehlenswert hingegen ist die Split-CD von Patterns und The Falcon Five (Cardio Club/Coraille) – da stimmt hier wie da die Balance zwischen Sperrigkeit und Eingängigkeit. Die Patterns lassen hochenergetisch Post-Punk-Zeiten wieder lebendig werden, ohne dabei den in der Regel störenden Umweg über die allgegenwärtige Glattbügelei des Sounds zu gehen. The Falcon Five reichern das Ganze noch mit einer ganzen Prise Hektik an, was der Sache ziemlich gut bekommt. Da geht also doch noch was.

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