Bock auf Musik. Auf laute Musik.

Text: | Ressort: Musik | 6. August 2008

In der PNG Nummer 74 wurde das Thema „Festivalromantik“ behandelt – durchaus hochgradig kritisch und allseits entmystifizierend. Das kann man so sehen. Ich lechze ebenfalls nicht nach Großaufläufen mit allen bekannten Risiken und Nebenwirkungen. Man kann es aber auch ganz anders sehen. Zum Beispiel als Möglichkeit, Musik zu erleben, mit der man im Regelfall nicht in Berührung kommen würde. Nebst den zugehörigen Menschen selbstverständlich. Oder als astreiner Glücksfall für ausgeprägten Idealismus, ansteckenden Enthusiasmus und unerschöpflicher musikalischer Neugier. Herzlich willkommen beim South Of Mainstream.

Klar ist das auf den ersten Blick halt ein Festival. Zwei Tage, 21 Bands, Open Air natürlich und einen Zeltplatz gibt’s auch nebenan, ebenso wie die Bierwagen, Merchandise-Stände und Fressbuden auch nicht fehlen dürfen. Aber was hat dieser erste Blick schon zu bedeuten? Ich werde in diesem Jahr zum dritten Male nach Cammer fahren und ich freu’ mich schon jetzt wie ein kleines Kind – auf Idealismus, Enthusiasmus und voller Neugier. Da wartet ein dicker Batzen Musik zum Entdecken und Abfeiern, mal ganz abgesehen von den Leuten, die auf jeden Fall da sein werden. Weil, ja, weil dieses Dasein inzwischen schon zum festen Jahresprogramm gehört. Dann ist es doch mehr als halt nur ein Festival.

Der Mann hinter South Of Mainstream heißt Andreas Kohl. Wir nennen ihn alle einfach nur „Kanzler“ und er hat sich nicht nur an diesen Namen gewöhnt, sondern nimmt ihn inzwischen auch als die ehrende Bezeichnung, als der er mittlerweile längst gemeint ist. Auch dieser Kanzler ist ein waschechter Glücksfall. Für die Rockmusik außerhalb der handelsüblichen Pfade und damit irgendwie auch für mich und für dich. Nicht nur wegen dem SOM und auch nicht nur wegen seiner immer wieder aufregenden Aktionen rund um sein Exile On Mainstream-Label – nicht zuletzt auch wegen der Tatsache, dass er es immer wieder versucht in diesem Lande mit dem Thema Southern. Mit wahnsinnig irren Bands und furchtbar heißem Scheiß, für die sich letztlich aber dann doch nur so frustrierend wenig Leute interessieren möchten. Mit der Nase hinein möchte man am liebsten die Menschheit stubsen.

Das Erstaunliche ist: Dieser Kerl verliert offenbar nie den Optimismus, den Enthusiasmus, den Idealismus und den unverbrüchlichen Glauben, am Ende des Tages doch noch etwas erreichen zu können. Und damit klatschten dann genau die richtigen zwei Dinge zusammen – auf der einen Seite ein Kerl mit Plan, Kontakten und dem Mut, auch mal ordentlich was zu riskieren; andererseits eine wahre Meute von Musikern, die geradezu überschäumte vor Spielfreude, vor Lust am Experiment, vor Spaß an jeder Form der Grenzüberschreitung. Die Bühne, auf der man da gemeinsam voller Lust tanzte, hieß – na klar – nicht zuletzt auch „South Of Mainstream“. Ich denke da nur an Beehoover oder Dÿse, an Volt oder Todd, an Shit And Shine oder Ostinato, an Suma oder Litmus, an Unsane oder Chrome Hoof. Geile Sache. Und wir alle tanzten miteinander vor der Bühne, lachend, mit anständigem Fiepsen in den Ohren und gnadenlos glücklich. Wir ließen uns infizieren von diesem Enthusiasmus, von der dieser Entdeckerfreude, von diesem Reigen des Optimismus in Zeiten der Musik-Biz-Cholera. Irgendwann musste ich mir dann sogar mal die Augen reiben: Verdammt noch eins, da geht ja wirklich etwas am Ende des Tages. Grenzgängerische Derwische wie Dÿse oder Beehoover lärmen nicht mehr unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit – beispielsweise. Mensch, ist das geil!

Auf der Homepage des Festivals wird auch einiges gesagt, warum es dieses South Of Mainstream auch 2008 wieder gibt: „Nun, wir könnten hier große Reden schwingen von wahrem D.I.Y.-Spirit und Independent-Attitude. Wir könnten übermäßig theoretisieren und von unserem zweifellos existenten Sendungsbewusstsein zur Unterstützung von Underground-Kultur referieren und wie wir uns bewusst von kommerziellen Vermarktungsstrategien der Popkultur distanzieren und seit Bestehen unserer Firma Künstlern ein Forum zu bieten versuchen, die der Oberflächlichkeit heutiger Popkultur Inhalte entgegensetzen. Aber all das können wir auch lassen und stattdessen erklären, worum es wirklich geht: Um zwei Tage Spaß und laute Musik. So wichtig uns der eingangs erwähnte Anspruch auch ist, hier geht es immer noch um Rock’n’Roll in seinen vielseitigen Ausprägungen und Schattierungen und dabei um die Unterstützung von Bands und Künstlern, die auf den großen Festivals keine Chancen haben und natürlich um euch, die Fans, die in familiärem Rahmen ohne Security-Generve und übertriebenen Beschränkungen sattsam bekannter Massenveranstaltungen die Musik hören und sehen können und wollen, für die ihr Herz schlägt.“ In der Tat: Diese zwei Tage Cammer sind der wahrhaftig gewordene Gegenentwurf zu der klischeeüberbordenden Masseninszenierung von Hartwurstigkeit, die es via Wacken mittlerweile auch schon in die fernsehbestückten Wohnzimmer geschafft hat. Frei nach dem Motto: Och, Erika, guck mal, die Satansanbeter sind aber auch zu süß mit ihrem schwarzgefärbten Überfön! Wenn schon Clash, dann aber konkret – zum Beispiel am Kuchenstand der Landfrauen, während auf der Bühne gerade, sagen wir mal, Omega Massif den Doom-geschwängerten Schleppepen freien Lauf lassen.

Entsprechend kompromisslos ist das Line-Up 2008. Kompromissloser als in den beiden Jahren zuvor, in denen zwischengestreut auch mal Bands wie Orange Goblin für nackten Rock-Spaß sorgen durften. Die Ausgabe 2008, Leute, die wird echt hart. Richtig hart. Rock bis an die Grenze gepeitscht – Doom, Noise, Sludge, Schlepp-Core und so weiter und so fort. Bei den Namen lacht das Herz im Leibe: Via Qui wird uns Berserker David Yow (dem geneigten Leser via Scratch Acid und Jesus Lizard hoffentlich bestens bekannt) mit Sicherheit ordentlich in den Allerwertesten treten und sich dabei auf jeden Fall vom Bruder im Geiste Craig Clouse mit seiner Band Todd tatkräftigst unterstützen lassen. Die Exile On Mainstream-Fraktion ist via Beehoover, We Insist! und meinen österreichischen Lieblingen BulBul anständigst mit Hochkarätigem vertreten (und wie ich mich auf jedes einzelne Konzert freue!). Noch ein paar Namedrops gefällig? Wie wär’s mit den Enablers, mit A Storm Of Light, mit Knut und Jud oder (hoffentlich denn in diesem Jahr!) Ulme? Und irgendwie glaube ich ja auch felsenfest daran, unter solchen Bands wie Omega Massif, Android Empire, The Antikaroshi oder Arabrot einen neuen Favoriten mit nach Hause zu nehmen. Über all dem darf letztlich noch etwas ganz Anderes thronen – auch so ein Zeichen, dass dieses Festival irgendwie schon unique ist. Da darf auch schon mal HipHop headlinen. HipHop in Form von Dälek. Klar passt dies perfekt da rein – vom Musikverständnis, von der Idee vom Sound und der Idee von Intensität und Härte. Aber mach’ das doch erst einmal! Wir reden hier über ein Rock-Festival, Alter!

Sagen wir mal so: Wer da fehlt, hat einfach was verpasst. Und dann schon zum dritten Male. Er hat ein Festival verpasst, das sich genauso gut auch die PNG-Clique hätte ausdenken können. In Sachen Intention, in Sachen Idealismus, in Sachen Sendungsbewusstsein. Ein Festival, das nicht in klassischer wertkonservativer Haltung das Wohlbekannte in berechenbarster Weise abfeiert (womit wir dann wieder beim Ausgangspunkt der zerstörten Festivalromantik wären). Viel mehr zwei Tage, die so richtig Bock machen auf Neues, bis dato Ungehörtes und Aufregendes. Auf Musik. Auf Festivalromantik, die meinethalben auch bis oben hin voll gesogen sein darf mit den gängigen Klischees vom warmen Wodka im Zelt, dem seligen Grinsen vor der dröhnenden Bassbox, dem abgespreizten kleinen und Zeigefinger und so weiter und so fort. Das nehme ich mit. Ach was: Da freue ich mich drauf!

Das South Of Mainstream findet am 29. und 30. August im Gutspark Cammer statt. Am Freitag kann man ab 17 Uhr unter anderem BulBul, We Insist!, Qui und Knut erleben, samstags geben sich ab 14 Uhr beispielsweise Ulme, A Storm Of Light, Jud und Dälek die Ehre. Karten zu ganz entspannten 34 Euro im Vorverkauf kann man unter http://www.southofmainstream.de erwerben. Und Infos gibt’s da auch.

Ach ja: PNG präsentiert und dies mit dem allerallerallergrößten Vergnügen.

(Fotos: Klaus)

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Ein Kommentar »

  1. oh ja … die Persona Non Grata verlost zwei Festivaltickets unter ihren Abonnenten …

    Preisfrage: Das wievielte S.O.M. Festival ist das denn jetzt eigentlich, in diesem Jahr?

    Antworten bis zum 18. August an redaktion@png-online.de