Electronic Goods

Text: | Ressort: Musik | 13. August 2008

Raus aus der Bude, rauf auffen Dancefloor! Dort, Freunde, nur dort warten die Hipster dieser Erde – auch wenn die Karawane mittlerweile schon wieder einige Meter weiter gezogen ist und längst doofe Adepten wie Hadouken oder Crystal Castles die New Rave-Früchte ernten.

Bloß gut, dass sich da die Trendsetter aus dem Hause Ed Banger mal wieder zu Wort melden und zwar via der Kompilation „Ed Rec Vol. III“ (Ed Banger/Alive). Zwölf Stücke zwischen ganz schön frechem House-Retrorock (Mr. Flashs „Over The Top“) und massiv HipHop-infiziertem Stuff (Busy P im Zusammenspiel mit Murs auf „To Protect And Entertain“), die noch ein bisschen mehr Hang zu Party-Irrsinn und Größenwahn offenbaren. So wildert Feadz via „Back It Up“ mit Spank Rock schon beinahe in Scooter’schen Gefilden, während Uffie uns mit „Robot Oeuf“ einen ganz schon knochentrockenen Electroschüttler kredenzt. Klar sind auch sonst alle lieb gewonnenen Verdächtigen von Mr. Oizo über Justice („Stress“ im Autoremix) bis DJ Mehdi von der Partie. Dies ist ein Club, in den ich gerne gehe.

Jene Parties, bei denen Leute wie A. Human zu Gange sind, würde ich hingegen unbedingt meiden. Die sind mir einfach viel zu nüchtern, viel zu steril. Auf „Third Hand Prophecy“ (Wall Of Sound) geben die uns die ganz abgebrühten Electro-Zocker, die ihre Lektionen zwischen Kraftwerk, den 80-er Jahren und dem entsprechenden Backlash aber so etwas von perfekt auswendig gelernt haben. Das Ergebnis ist spannend wie Malen nach Zahlen: Perfektionistisch und gnadenlos unsexy.

Auch das Prinzip von Ratatat hat man ziemlich schnell verstanden, um danach auf lange Sicht eigentlich nur noch gelangweilt zu werden. Gut, man kann „LP 3“ (XL Recordings) zugute halten, zumindest einen sacht veränderten Ausgangspunkt eingenommen zu haben – mehr Flirrigkeit, mehr Pop, weniger Rockismus. Trotzdem werde ich ums Verrecken das Gefühl nicht los, hier einem Versuch beizuwohnen, mit dem der Dancefloor aus strikt konservative Art und Weise definiert werden soll. Willkommen in der Ratatat’schen Retroturbine, die aus elektronischer Musik etwas zu machen versteht, was einen streng altertümlichen Geruch absondert.

Da versuche ich es doch lieber mit den waschechten Poppern, die so überhaupt keinen Hehl aus ihren hochgradig eingängigen Absichten machen. Wrongkong wären mit dem gleichnamigen Album (Modern Soul) so ein Fall. Astreiner Mainstream, der aber auch gerne mal einen ambitionierten Blick in die gitarrendominierte Indie-Disse wirft. Das Manko: Es bleibt ein bisserl arg wenig auf lange Sicht hängen – da hilft auch die honigartige Süße von Cyrena Dunbar nur über den Augenblick hinweg. Gerne noch mal an den Songs feilen.

Pop im absoluten Dancefloor-Kontext definiert hingegen Kiko via „Slave Of My Mind“ (Different/PIAS). So ganz ohne New Rave-Verweise und die scheinbar obligatorische Eighties-Kante kommt Christophe Dalla-Ca zwar nicht über die Runden, aber die Stücke offenbaren durchweg eine eher an der Funktionalität von Tanzbarkeit denn an spinnerter Nerdigkeit ausgerichtete Struktur. Dies bringt ein paar schöne Song-Tracks wie das Titelstück oder das fast schon Audiolith-geschulte „Preludia“ hervor, an deren zwingender Eingängigkeit so eine Type wie meine Wenigkeit durchaus seinen Spaß hat.

Aus einer ganz anderen Ecke beschallen hingegen Kraak & Smaak den Club: Der Longplayer „Plastic People“ (Jalapeno Records/PIAS/Groove Attack) gibt uns aber dermaßen den Funk. Den Dancefloor-geschulten Funk freilich, der sich eine ganze Menge von der strikten Funktionalität eines Tracks abgeschaut hat und auch schon mal bei den Dub-Aktivisten dieses Planets zu Besuch war. Überzeugend ist dies vor allem in den Momenten, in denen die Herren Oscar de Jong, Mark Kneppers und Wim Plug wirklich die Party rocken wollen: Dann kommen auch schon mal ein paar Burner raus, die sogar im Vergleich mit Schwergewichten wie Who Made Who ganz gut bestehen können (auch wenn sie da hie und da ganz schön nah am, ähem, Reproduzieren sind wie beim Titelsong). Wandert das Ganze allerdings in weltmusikalische Gefilde („Man Of Constant Sorrow“, puh, geht gar nicht) ab oder suchen sich Kraak & Smaak im HipHop-Kontext („That’s My Word“, auch gaaanz schwierig) zu verwirklichen, sucht der Finger beinahe automatisch die Skip-Taste. Naja, Gas geben war schon immer die bessere Alternative.

So, jetzt noch zwei Rausschmeißer – fangen wir mal an mit Elektro Willi Und Sohn. Beim Genuss von „Diamanten“ (Modul 8) habe ich mich die ganze Zeit gefragt, ob es dafür schon irgendeine bündelnde Bezeichnung gibt. Neue konkrete Elektronik oder so. Ich finde, die würde passen wie der Arsch auf den Eimer. Staubtrocken groovende Schieber, deren Reduziertheit durch die nahezu vollständige Abwesenheit einer eindringlichen Bassline im funktionalen Techno-Sinne noch nachhaltig unterstützt wird. Darüber wird eine Gemengelage aus ebenso stoischer Elektronik und fiesen Acid-Anleihen ausgekippt. Und das Sahnehäubchen auf der ganzen Geschichte ist ein Sprechgesang, der mit einer raffinierten Mischung aus Teilnahmslosigkeit und Eindringlichkeit allerlei Komisches zu berichten weiß. Von ins Haar geschmierten Tönen beispielsweise oder von Duftbütteln. Wunderliche Dinge, die man ganz nach Belieben lesen kann – als Nonsens ebenso wie als ironischen Kommentar zu einer Welt, in der das Quatschen von Blödsinn längst zum guten Ton gehört. Ich sag’s mal rundheraus: Ich habe mich von Elektro Willi und Sohn sehr wohl trefflich unterhalten gefühlt. Und gerne stelle ich den Begriff „Neue konkrete Elektronik“ zur weiteren Verwendung zur Verfügung.

Ganz andere Baustelle: Portmanteau sind Greulix Schrank und Taison Heiß. Zwei Leute aus dem unmittelbaren Weilheim-Umfeld – beispielsweise via Lali Puna oder Iso68. Diese Information bringe ich jetzt wirklich bewusst und zwar aus dem einfachen Grunde, weil „Akja“ (Biegen & Brechen/Rough Trade) mit jeder einzelnen Note derart intensiv das Weilheim’sche Musikverständnis transportiert. Es ist diese gewisse Emotionalität, die da einfach latent mitschwingt – diese sachte und unaufdringliche Melancholie. Und dieser Hang zur Verspieltheit, der auch Portmanteau dazu bringt, bei jedem Stück dann doch noch mal einen kleinen Umweg zu nehmen, ehe man – dritter Weilheim-Punkt – dann doch den Pop aus dem Sack lässt. Skizziert wird dies alles auf einer Blaupause, die zwischen den Polen Electronic Listening, Breakbeat und HipHop ausgebreitet ist. Wesentliche neue Erkenntnisse vermögen uns die Beiden dabei nicht zu vermitteln – letztlich muss, kann, darf man sich mit runden 48 Minuten Weilheim-geschulten Wohlklang zufrieden geben.

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