Im Überschwang der Gefühle – Haldern Pop 25 und die Fohlen

Text: | Ressort: Diary, Musik | 14. August 2008

Nochmal Festivalromantik. Die klassische Fraktion – natürlich ist das Haldern Pop auch und gerade in der 25. Auflage dann doch das schon an anderer Stelle erwähnte, leicht wertkonservativ geprägte Abfeiern des Wohlbekannten. Irgendwie. Da genügt ein Blick auf das Line Up. Die Headliner. In Rees-Haldern ist mir diese Sache aber mal so etwas von gleichgültig und dies jedes Jahr auf’s Neue. Das liegt wohl an der herrlich wärmenden Sonne des höchst ausgeprägten gegenseitigen Respekts, die unaufhörlich über diesem Festival scheint (Und dies auch, wenn’s mal regnet, was es 2008 eine klitzekleine Spur zu häufig getan hat. Eine Tatsache, die die Lebensfreude meines lieben Freundes Klaus gerade am Freitag ordentlich zusammen schmelzen ließ). Selbst auf dem Festivalzeltplatz – gemeinhin ein Hort übler Ausschweifungen, meist erbarmungswürdig räudigen Musikgeschmacks und anhaltender Destruktiv-Anfälle – konnte man es ganz gut aushalten. Wenn man denn eine gewisse Offenherzigkeit gegenüber dicht gesäten Kuhfladen und dem morgendlichen Chor der dazugehörigen Nutztiere in sich trägt. Ansonsten gilt: Kein Stress, es ist Haldern! Sympathischer geht’s ja kaum noch.

Da kann ich auch gerne verkraften, wenn die wirklich faustdicken Überraschungen ausbleiben. Und es dann doch eher um die Befriedigung des klassischen Musiknerdismus ging – aaahh, diese, jene und die noch andere Band auch endlich live gesehen! Immerhin – Jamie Lidell, der alte Laptop-Fanatiker, machte keinen Hehl aus seinem elektronischen Background, scheuchte nach drei Songs die Mitmusiker von der Bühne und schockte die zahlreich vertretene „Ich steh nur auf handgemachte Musik“-Fraktion nachhaltig mit einer eindrucksvollen Sampler-, Drummachine-, Powerbook- und Chaospad-Vorführung.
Ob da Leute mit einem Kopfschütteln weggegangen sind? Hahaha, und ob da Leute mit einem Kopfschütteln weggegangen sind! Zuviel Dancefloor ist nun mal nix für Hippies. Und der kleine Hippie – auch dies keine wirklich neue Erkenntnis mehr – hat mittlerweile wohl in jedem von uns zu stecken. Zumindest, wenn man sich dem avisierten Kernpublikum des Haldern Pop zurechnen mag: Schon am Donnerstag machten Fleet Foxes im immer wieder wunderschönen Spiegelzelt nachhaltig deutlich, wo anno 2008 der Jesuslatschen hängt. Viele andere, angefangen bei Kula Shaker bis hin zu Joan Wasser aka Joan As Police Woman, waren in der Folge nur zu gerne bereit, dieses durchaus diskussionswürdige Schuhwerk aufzugreifen.

Dies ging sogar soweit, dass der guten alten Mutter Erde wortreich und herzlichst dafür gedankt wurde, doch endlich die große Festivaldusche abgestellt zu haben. Wie ambivalent die ganze Geschichte mit dem renovierten Hippietum ist, wurde da aber prompt auch deutlich – umgehend kam der Regen wieder und er hatte, hahahaha, selbstverständlich Verstärkung mitgebracht. Also die Mutter Erde aus dem Spiel lassen. Immer.
Gut beobachten ließ sich darüber hinaus auch der zweite, schier unvermeidbare Trend – die Joy Divisionisierung von Gitarrenmusik. Für ein fettes Schmunzeln sorgten da die White Lies als astreine Klone; mit der zunehmenden U2-isierung im Laufe des Konzerts nahm allerdings die Freude schneller ab als einem lieb sein konnte.
Und ach ja, live scheinen die Editors an einem offenen Bad Religion-Syndrom im absoluten Endstadium zu leiden: Es gibt einen schnellen und einen langsamen Song, auf den sich die jeweils passenden Hooklines mühelos platzieren lassen. Herrje, ja, da war ich wirklich enttäuscht, das einzige Mal so richtig. „All Sparks“ dergestalt lustlos runter zu nudeln ist aber auch ein echtes Verbrechen – finde ich.

Ein klitzekleines bisschen litt das Haldern Pop 2008 in meiner Wahrnehmung an einer schwer bestreitbaren Tatsache: Diesen satten Rundumschlag des Donnerstags konnte man eigentlich nicht mehr toppen. Genauer gesagt: Den Auftritt einer Band konnte man schlicht nicht mehr toppen. Auch mit einem quietschebunten, höchst vergnügten und massiv Teletubby-bestückten Kindergeburtstag, gestaltet von Herrn Coyne mit den Flaming Lips nicht (so schön es auch war). Nein, sie waren nicht die Entdeckung. Die gab’s für mich nicht (Sorry. Oder auch nicht sorry – angesichts des Line Ups habe ich sie schlicht auch nicht erwartet). Wir leben hier ja nicht hinter dem Mond und raunten uns deshalb schon vor geraumer Zeit zu – Alter, die Foals, Alter, da geht so richtig was. Klar kenne und schätze ich „Antidotes“. Und ich war trotzdem nicht so richtig vorbereitet auf das, was Fohlen so alles anrichten können. Auf diese offenherzige, offensichtliche, offensive Lust, Musik zu machen – beispielsweise. Auf die Fähigkeit, diese Lust auch zielgerichtet und bewusst zu kanalisieren (sonst wird aus einem Konzert auch schnell mal ein großer, bunter, an sich ja ganz netter, aber eigentlich vollkommen bedeutungsloser Haufen Klamauk). Was war das für eine ENERGIE! Und verdammt noch eins, wie ausgekocht sind denn diese Hunde – die kriegen mit ihrem Offbeat, mit ihrem Dance-Appeal irgendwann dann doch jeden. Mich als allerersten. Klare Sache. Ich liebe es, wenn mich eine Band endlich mal weglockt von der reservierten Haltung des „Jetzt höre ich mir dies alles aber mit einer gehörigen Portion Abstand an“. Was heißt hier weglockt? WegZERRT! Und zwar auf die handgreiflichste Art und Weise.

Schon allein für diese runde dreiviertel Stunde hat sich Haldern Pop 2008 gelohnt – 1200 Kilometer Autobahn, Kuhfladen und holländischer Kirmestechno zum Einschlafen hin oder her. Solche Momente gibt’s mir mittlerweile viel zu selten: Momente, in denen man am liebsten überschäumen möchte vor lauter Euphorie. Momente, in denen ich dann auch wieder verdammt genau weiß, warum ich mich immer noch auf allen möglichen Konzerten herumdrücke (auch wenn inzwischen mein gesamtes familiäres Umfeld ob dieser Tatsache, ähem, nun ja, sacht irritiert reagiert). Weil es einfach unvorstellbar geil ist. Ein fettes Dankeschön an die Foals, mir dies mal wieder in aller Deutlichkeit vorgeführt zu haben. Und bei aller Party – so ganz nebenbei – auch noch munter an überkommenen Hörgewohnheiten feilen: Mit ihren Beats, die so sagenhaft auffällig aus dem klassischen Gitarren-Pop-Rock-Kontext herauspurzeln, dass diese Erkenntnis einem gerade bei einem Festival wie dem Haldern Pop so nachhaltig anspringt. Mit den flirrigen Gitarren, die sich dem üblichen Diktat der identifizierbaren Griffigkeit ebenso konsequent wie leichtfüßig entziehen. Und die dann doch in der Lage sind, mit astreinem Pop via trefflicher Hookline die ganze Chose nicht nur zusammen zu halten. Nein, damit bringen die Leute zum Tanzen: Jetzt beweg schon deinen Arsch! Und lerne endlich was über Polyrhythmik, Alter!

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