Southland Tales

Text: | Ressort: Film | 10. September 2008

Ja, so hab ich mir das vorgestellt. Wenn er einmal losgelassen wird, gibt es kein Halten für Richard Kelly, den Lieblingsweirdo der psychisch labilen, kapuzentragenden Außenseiter. Was waren wir irritiert und fasziniert zugleich, als „Donnie Darko“ 2002 endlich auf DVD in Deutschland erschien. Das abgrundtief schwarze Märchen für die Generation Teenage Angst entwickelte sich zum Sleeper-Hit. Das war vor sechs Jahren – Verdammt! Ist das echt schon so lange her? Was hat der Typ in der Zwischenzeit gemacht? Was fällt ihm ein, seine mit der Adoleszenz ringenden Jünger in ihrem Elend alleine zu lassen? Er schrieb an zwei Drehbüchern. Wir vermuten jetzt einfach mal, dass das erste eine reine Auftragsarbeit war, die ihm Armfreiheit verschaffen sollte, um zum eigentlichen großen Wurf auszuholen. Die beschäftigungstherapeutische Fingerübung war „Domino“, und was auch immer Richard Kelly hier aus der wahren Geschichte einer Auftragskillerin an Substanz auf Papier destillierte, es wurde unter dem Stakkatoschnitt Tony Scotts begraben oder ging im Lärm unter. What a complete mess!

Schwamm drüber, heiligte doch in diesem Falle der Zweck die Mittel. Hätte er damals nicht seine Seele für billige Action verkauft, sein Herzensprojekt hätte vermutlich nie das Licht der Leinwand erblickt. Schon gar nicht das eines so renommierten Festivals wie Cannes. Dort hatte „Southland Tales“ schließlich seine Premiere, nachdem es sage und schreibe 13 Produzenten gebraucht hatte, um dem Projekt gegen alle Widrigkeiten doch noch auf die Beine zu verhelfen. Auch wenn die relativ unbeholfenen Gehversuche nach erschreckend kurzer Distanz bereits im Heimkinosessel endeten, bin ich doch irgendwie dankbar, dass Kellys Vision es überhaupt so weit gebracht hat. Zwei Jahre nach der besagten Erstvorführung können nun auch wir Zeuge seines wahrhaft außergewöhnlichen Leinwandtrips werden. Zwei Jahre, in denen die bei Sony, die sich von dem Projekt damals sicher irgendwie doch etwas mehr versprochen hatten, nun offenbar unsicher waren, was sie mit dem Ergebnis anstellen sollten. Es wurde schließlich sogar noch ’ne Millionen locker gemacht, um die Special Effects etwas aufzublasen – ein Wind, der dem Science Fictioner wenigstens in seiner Visualität sichtlich gut tat.
Am Rande sei bemerkt, dass dem Konzern das Selbe gerade auch mit Francis Ford Coppolas „Jugend ohne Jugend“ widerfährt, weshalb man den Kinostart bereits mehrmals verschob. Während man aber mit Coppola immerhin einen namhaften Meisterregisseur vorweisen kann, hatte Kelly damals erst einen Film vorgelegt. Aber was für einen.

Wohl auch deshalb gelang es Kelly und den Produzenten, ein paar recht populäre Namen für das Projekt zu begeistern. Womit wir zum sicherlich größten Kuriosum des Films kommen: der Besetzung. Dwayne „The Rock“ Johnson (!), Seann William „Stiffler“ Scott (!!), Popsternchen Mandy Moore und -star Justin Timberlake (!!!) und Sarah Michelle „Buffy“ Gellar (!!!!) spielen hier – und das ist der eigentliche Clou – mit ihrem Image. Oder ist es Kelly, der mit ihnen spielt? Ein Line-Up, das sonst eher für das unsägliche Genre der Hollywoodkomödie herhält, und bei dem mich keine zehn Oscars ins Kino bekämen, macht hier wirklich Sinn. So sehr, dass man sich in jeder Szene, in der „The Rock“ das tut, was er am besten kann – dumm Dreinschauen – und das Drehbuch ihm auch ausnahmsweise mal nichts anderes vorschreibt, fragt, ob es Mut zur Selbstironie oder schlicht weißbrotige Blödheit war, die dieses Rudel künstlerisch gescheiterter B-Prominenz – Timberlake mal ausgenommen – dazu bewog, sich für Kellys Irrsinn vor die Kamera zu begeben.

Vielleicht hat Kelly ihnen die Rollen auch schlicht (sic!) auf den Leib geschrieben. „The Rock“ ist Boxer Santaros, ein muskelbepackter Superstar, der das Bett mit der von Mandy Moore verkörperten Tochter eines durchtriebenen Senators teilt. Gellar ist ein gehirnerblondetes Pornosternchen mit eigener Energydrink-Marke und Scott gibt den dumpfbackigen Cop im Wettstreit mit „The Rock“ um den dümmsten Gesichtsausdruck. Timberlake als traumatisierter Golfkriegs-Veteran wiederum hat mittels Sniper-Kamera das gesamte Treiben im Blick. Sie alle werden in einen Topf aus Macht, Mord und Quantenphysik geworfen, der schließlich überkocht. Die Logik tut gut daran, sich durch die Hintertür zu verabschieden, wenn radikale Neo-Marxisten zum Angriff blasen und in den eigenen Reihen unterminiert werden, während ein deutschstämmiger Wirtschaftsmogul zur Weltmacht strebt und ein Bush Lookalike regiert wie sein Alter Ego. Wir wünschen eine schöne Apokalypse! The Killers reflektieren den Golfkrieg („All these things I’ve done“), das digitale Bild bewegt sich zur Theatralik von Muse („Blackout“) in Zeitlupe und wird an anderer Stelle durchsetzt von Nachrichtenmeldungen, die unsere Gegenwart widerspiegeln und den Letzten davon überzeugen sollen, dass wir es hier mit Satire zu tun haben.

Kellys eigentliche Leistung aber ist es, eine schlüssige Welt zu erschaffen, die einer überhöhten Zukunft der amerikanischen Gegenwart gleicht. Seine zornige Reaktion auf Patriot Act und Terrorismus soll dabei helfen, die Wahlen 2008 zugunsten der Demokraten zu entscheiden. Kellys Sympathien sind deutlich, denn obwohl auch die Liberalen ihr Fett abkriegen, ist es doch die politische Rechte, die bei Kellys Idee der futuristischen Regierungsorganisation USIdent, einer Art „Homeland security on steroids“, wie es Production Designer Alec Hammond ausdrückt, laut applaudiert haben wird. Der totale Überwachsungsstaat wie er in „Southland Tales“ dargestellt wird, ist näher als man denkt. Trotzdem betont Kelly immer wieder, dass es sich bei seinem Werk um eine Komödie handelt.

Auch wenn ihm keiner nachsagen kann, er hätte nicht versucht, den Irrsinn unserer Zeit in Bilder zu fassen, scheitert Kelly am Ende doch auf ganzer Linie. Die Handlungsstränge verknoten sich im Hirn und können nur durch die unausweichliche Apokalypse aufgelöst werden. „Southland Tales“ ist ein unbehaglicher, unvollendeter Gedankenansatz, der alle Beteiligten schlicht überfordert und im Niemandsland zwischen Kunst und Trash rotiert. Kelly scheitert auf hohem Niveau, aber er scheitert. Wie fast zu erwarten, braucht der größte Teil der Welt die Holzhammertaktik, die Pythonsche Dauereinblendung des Satireschilds im Bild, um Zugang zu Kellys Konstrukt zu finden. Die chaotische Storyline, die von anarchischer Hektik auseinandergefleddert wird, und die bis zur Groteske überzeichneten Charaktere und Situationen machen den Zugang zum Kelleyschen Universum unverschämt schwer. Letztlich ist es immer nur ein Dominostein, der fallen muss, um alles zusammenbrechen zu lassen. Und man kommt sich natürlich etwas verarscht vor, wenn man nach Einkauf und Ansicht eines Films darauf verwiesen wird, die Chancen auf ein Verständnis stünden besser, würde man sofort auch noch die Graphic Novel erwerben und sich auf der Website registrieren. Man möchte Kelly die ehrliche Vision dahinter nicht völlig streitig machen. Als das Kreuz des distinguierten Filmemachers aber entpuppt sich sein eigener Anspruch.

„Southland Tales“ ist bei Universal auf DVD erschienen.

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4 Kommentare »

  1. Ich hab den jetzt doch noch ein zweites Mal gesehen. Und konklusiv ist Kacke nach politischer Agenda, satirischem Abducken in individuelle Lesbarkeit, selbst unleugbar eigenwilliger Stimmung, Verrücktheit, dem Aufbrechen tradierten Erzählflusses und gewiss vielen grandiosen Ideen immer noch kein Gold. Dafür braucht man dann schon Spin-Doctors-Alchemie. Das ganze intermediale Marketingkonzept um Graphic Novel, Game und Wasweißich (alles besitzen müssen, um hier nur ansatzweise durchzublicken!), ein Versuch, zu rechtfertigen und doch noch in eine Cash-Cow zu verwandeln, was als Film scheitert, ist mir zuwider … und die Frage, was da nun zuerst war, ein künstlerisches Konzept oder die Idee zu dessen Vermarktung, Huhn oder Ei, scheint mir nichtig; denn was nun hier offensichtlich auf die Weide getrieben wird, ist eben diese besagte, obszön blöckende Cash-Cow, der immer noch nichts Gutes aus dem Euter tropft.

  2. wo die cash-cow grast, wüsste ich aber mal gerne. bisher war das ganze ein großes finanzielles fiasko für sony. daran ändert auch die dvd-vermarktung sicher nichts. das ding bleibt sperrig und unzugänglich. da helfen auch die (sicherlich ansatzweise vorhandenen) melkversuche seitens sony nichts. dass das von denen nicht so geplant war, sondern sich so ergeben hat, glaub ich aber gern.

  3. richtig, herr lose … der plan geht nicht auf. und das ist auch gut so.

  4. schön euch beim internen diskutieren zuschauen zu dürfen, –
    gibts sonst im moment gelegentlich so nur bei jungleworld
    (dort gar um die grosse politik), aber immerhin, und weiter so
    – die richtung diskursrock versus belehrung minderjähriger …