Ghost Of Tom Joad – Matterhorn

Text: | Ressort: Musik | 12. Februar 2009

Ich sag’s immer wieder: Waschzettel sind überschätzt. Zumindest in meiner subjektiven Welt, die eben nicht aus copy & paste besteht. Mit diesem Tonträger haben sie mich mal wieder erwischt, die Typen da draußen. Und dies nur, weil eben in dem erwähnten, durchaus schmuck aufgemachten Waschzettel zwei Leute, deren Meinung ich stets ein gewisses Gewicht eingeräumt habe, eine Menge Worte mit durchweg positiven und lobenden Grundduktus zu Papier brachten. Ich ermannte mich, wagte den Griff und den Hörversuch – um, ach je, mit allgemeiner Unzufriedenheit und gerunzelter Stirn zurück zu bleiben (das Schändliche am Waschzettel – er weckt gerne Appetit, lässt dich dann aber gnadenlos mit dem servierten Fraß allein. Schluck, du Sack!). Nein, ich bin nicht bereit für Ghost Of Tom Joad. Ich mag ihn einfach nicht mehr, diesen Exkurs aus „Indie wie wir ihn alle seit Ewigkeiten kennen“ und jener ziemlich speziellen Version von Checker-Emo, den ich eigentlich auch schon von Death Cab For Cutie und Konsorten nicht mehr hören mag. Gut, ich räume gerne ein, dass die drei Herren aus Münster auf der, ähem, richtigen Seite stehen – wenn es den Beteiligten damit besser geht. Ja, wir reden hier nicht vom Stadion, sondern dem kleinen Club. Wir reden nicht von den unerträglichen Manierismen, mit denen Emo längst gnadenlos auf den Wecker geht; nicht von den sattsam bekannten Plattitüden und wohlfeilen Banalitäten. Geschenkt. Gebe ich auch gerne Brief und Siegel drauf. Nur: Spannender, aufregender, interessanter wird „Matterhorn“ davon nicht. Zu eindeutig sind die Eindeutigkeiten, zu routiniert, abgeklärt und souverän funktioniert der Griff in den Werkzeugkasten des „Richtigen, Wahren und Guten“. Frei nach dem Motto „Berechenbarkeit is bliss“ zwischen dem „Das-Geschrammel-schon-wieder“, der über-hymnischen Schönheit des emotional aufgearbeiteten Dahinschwindens und der Uptempo-Andeutung des „Wir können aber auch ganz anders, nämlich in hart – wenn wir wollen“. Oft gehört, verdammt oft. Eine Spur zu oft? Gut möglich – trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, Ghost Of Tom Joad belassen es dann doch nur dabei, an der Oberfläche zu kratzen (und schmeißen im Bemühen, möglichst unverbindlich zu bleiben, auch schon mal eine Aufhören lassende Idee wie etwa die wuchtige Orgel zu Beginn von „A Place Where You Belong“ völlig ohne Not nach anderthalb Minuten wieder weg). Zu der musikalischen Redundanz kommt die inhaltliche: Das unverhohlene Schwelgen im kleinen bisschen individuellen Weltschmerz (von Freund Don Bass an anderer Stelle schon trefflich umschrieben) lastet mir arg auf dem Gemüt – symptomatisch, wie da auf einer englischsprachigen Platte unvermittelt bei „Into The Wild“ ein „Ich bin so müde!“ rezitiert wird. Und unwillkürlich musste ich darüber nachdenken, ob der selige Lord Francis Douglas, dem Ghost Of Tom Joad ebenfalls ein Lied gewidmet haben, dereinst auch mit einer sachten Melancholie im Herzen, aber einer munteren Melodie auf den Lippen auf dem Matterhorn in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist. Nun denn – „Matterhorn“ hat trotzdem alles, um im besten Falle richtig „abzugehen“, Eingängigkeit, die kleine Prise Traurigkeit, die passende Attitude. Und doch bringt es das ganze Elend von, ähem, deutschen Indie auf den Punkt: Unter der schimmernden Oberfläche ist nichts, rein gar nichts, kein Kern, keine Aussage, kein Punkt, der nachhaltig berührt und bewegt – nichts, was über die Blitzlicht-Aufnahme des aktuellen und doch so klitzekleinen Moments hinausgeht. Dann schon lieber richtige Jammerlappen wie Tocotronic. Oder Leute, die Härte nicht als pures Alibi sehen wie die Gruppe Sport. Dies hier ist gehört und gleich wieder vergessen. (Richard Mohlmann Records)

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Ein Kommentar »

  1. Ich find die Platte toll, weil ihr sie hier so redundant finden wollen müsst. Ist sie auch, aber: erst hatte ich mich um die ‚verlorene Härte‘ in GOTJs Musik etwas geängstigt. Doch jetzt weiss ich, wem das aufstossen sollte, (z.b.) Euch, den ‚harten‘ Jungs bei PNG, die bei ‚Härte‘ *niemals* Ironie hören, nur ‚Alibi‘ verstehen (können). Eigentlich schade, Jensor, dass Deine ganz schön lange Rede so ziemlich säuisch vor den Perlen kauert, statt einmal richtig „Verständnislosigkeit!“ zu brüllen. So wurde der Text eine Einfühlung ins Nichts, … hey, ich seh nichts. Ausser Oberfläche, rein gar nichts. Aber, Oberflächen monieren ist ja schon mehr als Nichts zu fühlen. Apropos weniger ist mehr: Der Tocotronic-Vergleich trägt etwas auf, weil Tocotronic niemals Oberfläche sein wollten (ja, richtig. gute Jammerlappen-Pose das). Sport dagegen haben mal ziemlich postrock-(ober-)flächig angefangen, dann aber schnell (10 Jahre später) die Orientierung hin zum vermeintlichen ‚Inhalt‘ gesucht, also Motto: ‚Warum in aller Welt sollte man Oberflächen zu Gehör bringen‘. Blumfeld oder F.S.K oder Go Plus haben im Vergleich jene weiteren Ebenen (in Sachen Sounddesign) zumindest durchdiskutiert (Nichts provoziert z.b. mehr als scheinbar feindlicher Sound). Oh, jetzt ist mein Text auch viel zu lang. Ist’s denn ein sooo kontroverses Album, das „Matterhorn“?