Angelika Express – Goldener Trash
Text: Sven | Ressort: Musik | 27. März 2009
Sind wir doch mal ehrlich: Sofern schon mit popkulturellem Bewusstsein versehen, hat man, sofern man nicht unter einem Stein oder im Dresdner Talkessel gelebt hat, sich von Mitte bis Ende der Achtziger durchaus die Platten der Toten Hosen und der Die Ärzte angehört. Aber getreu dem Motto „Wer mit Zwanzig kein Sozialist ist, hat kein Herz – wer es mit Vierzig immer noch ist, hat keinen Verstand“ fand man das Ganze mit fortschreitendem Alter, auch dem der Musiker, schließlich nur noch albern. Vierzigjährige, dauergrinsende Punkrock-Spaßmacher mit gut gefüllten Konten, wer wollte denn so was noch hören und sehen? Wohl genauso wenig wie die elenden, abgewrackten Typen am anderen Ende der Fahnenstange, denen Ruhm und Reichtum mittels Punkrock nie vergönnt war, die sture Idealisten blieben oder die irgendwie den Absprung vom harten Tourenleben durch die AJZs und JuZe, von Benefizkonzert zu Benefizkonzert nie geschafft haben. Deutschpunk war bis auf wenige Ausnahmen immer schon ein ziemliches Ärgernis. Und also hatte man sich abgewandt, hatte begonnen, sich für Jazz zu interessieren oder für alternative Kindergärten oder die Herkunft des Bioapfels aus dem Öko-Supermarkt von nebenan. All jene Dinge, für die man sich zu interessieren beginnt, wenn man eben keine Zwanzig mehr ist. So, wie die Sache mit dem Sozialisten-Sein eben. Und dann, wie aus heiterem Himmel, da trifft es einen wieder und es ist sogar eine Band aus Deutschland! Die, die einst allen, denen nichts Besseres einfiel (es gab und gibt viele, zu viele davon!) entgegenschrieen: “Geh doch nach Berlin!“
Angelika Express!
Das Trio aus Köln hatte Anfang des Jahrzehnts für einige Aufmerksamkeit gesorgt, nicht zuletzt auch wegen des eben genannten Titels. Aber irgendwie blieb die Faszination, die von ihrer Musik ausging, größeren Hörergruppen verschlossen. Vielleicht erfolgten hymnische Besprechungen ihrer Tonträger in den falschen, weil was die Verbreitung betrifft zu kleinen Medienorganen. Es konnte darüber hinaus kein Hype entfacht werden, der die Massen in die Plattenläden, zu Amazon oder an die Downloadportale trieb. Was zur Folge hatte, dass Angelika Express 2005 ihre Auflösung bekannt gaben. Vielleicht gab es auch andere Gründe, die mir aber verschlossen blieben. Egal, seit Anfang 2008 kreiert Sänger Robert Drakogiannakis wieder als Angelika Express Musik, die er in der Folge peu-a-peu zum kostenlosen Download bereitstellte. Um diese nun auf CD unters Volk streuen zu können hat er, dem Vorbild von Aktiengesellschaften nach, http://de.wikipedia.org/wiki/Aktiengesellschaftan Freunde und Fans Anteile verkauft, mit deren Hilfe er die Produktion des Albums finanzierte. Dass dieser Tonträger nun fertig ist beweist, dass diese Idee funktioniert hat. Die Anteilseigner sind nun alle Teilhaber am Unternehmen Angelika Express und warten auf reichliche Erträge aus Plattenverkäufen, auf ausverkaufte Konzerte und Merchandise-Stände. O.K., wir ahnen es, ein gutes Geschäft war das sicher nicht. Aber das war der Kauf von Commerzbankaktien Mitte 2008 auch nicht, Vor allem, wenn man sie heute noch hält. Was letztendlich zählt ist, dass dieses grandiose Album hier erscheinen konnte. Ein Album voller knackiger Punkriffs, wirklich witziger Texte und ein vor Spielfreude sprühender Robert Drakogiannakis. Ich werde ja hier schon wieder mitleidig belächelt, weil ich auf das alles so abfahre, aber ich denke, dass jede/r, der/die sich wirklich mit „Goldener Trash“ beschäftigt zu ähnlichen Einsichten kommen wird wie ich. Natürlich kann man sich jetzt streiten, ob es nun ausgerechnet oller Punkrock sein muss. Aber das ist hier egal, denn das hier ist Superpunk. Und ja, auch an solche Truppen erinnert das Ganze hin und wieder. Und ich kenne niemanden, der ernsthaft an den Qualitäten der Hamburger zweifelt. Oder? Na also. Schön in diesem Zusammenhang auch ist die Tatsache, dass man, wie z.B. im Titelstück, ab und an die Sex Pistols raushört. Jedenfalls ist „Goldener Trash“ ein Album voller großer Hits und die erste deutsche Platte seit Jahren, die mich so richtig ausflippen lässt! (Peng Musik/Cargo)