Angeschissen, aber immerhin kreativ

Text: | Ressort: Allgemein, Thema | 7. August 2009

Wird es das Wort des Jahres? Schlecht stehen die Chancen für „Gratiskultur“ nicht. Ein flotter Begriff, „so scheinbar klar und einsichtig“, wie es Thomas Knüwer (zu finden unter http://blog.handelsblatt.de/indiskretion/eintrag.php?id=2169) beschreibt. „Gratiskultur“ ist der Begriff, der massiv in Stellung gebracht wird. Die einen sagen: Von der analogen gegen die digitale Welt. Andere sagen: Vom Axel Springer Verlag, von Gruner & Jahr, vom Spiegel Verlag, von der Bauer Media Group, dem Zeitverlag Gerd Bucerius, der Ganske Verlagsgruppe und, und, und gegen Google. Wieder andere sagen: Von den Kreativen gegen die Technokraten und, ähem, „Internet-Nerds“. Und überhaupt: Von denjenigen, die Inhalte schaffen, gegen jene, die diese Inhalte klauen.

Klar ist da für mich nur eines: So definiert und abgesteckt sind die Frontlinien eben doch nicht. Bleibt manmal auf der Ebene der „Hamburger Erklärung“ (unter anderem hier: http://www.welt.de/wirtschaft/article3886003/Erklaerung-der-Hamburger-Verlage.html), hat man es wohl einem ziemlich klassischen Marktverteilungskampf zu tun: Hier diejenigen, die mit einer tradierten Idee lange Zeit bestens gefahren sind, aber nunmehr von veränderten Realitäten überfahren werden – dort die, die sich eben diesen veränderten Realitäten mit ein paar guten Ideen, Konzepten und der entsprechenden Umsetzung gestellt haben. Plump gesagt: Die Faustkeil-Industrie zofft sich mit der Steinbeil-Branche – was ein passendes Bild wäre, ginge es hier um schnöde materielle Produkte. Es geht aber um ideelle Werte, um geistiges Eigentum, um das schlichte Recht, von der Kraft seines Geistes genauso leben zu können wie andere von der Kraft ihres Körpers (mal pathetisch gesagt).

Genau da wird’s kompliziert: So richtig wollen schließlich weder die mit dem Faustkeil noch die mit dem Steinbeil nicht taugen zum großen und wahren Heroen. Auf der einen Seite die Verlage, die es mit dem Urheberrecht auch nicht so genau nehmen, wenn es ihnen in den Kram passt. An dieser Stelle wird’s heuchlerisch: Es ist purer Hohn, wenn ausgerechnet Dr. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, erklärt: „Das Internet ist nicht der Feind, sondern die Zukunft des Journalismus, wenn auch in der digitalen Welt geistiges Eigentum respektiert wird.“ (Quelle: http://www.axelspringer.de/presse/Internationale-Verlage-unterzeichnen-Hamburger-Erklaerung-zum-Schutz-des-geistigen-Eigentums_887946.html). Nun, dies werden all jene richtig gern hören, deren StudiVZ-, MySpace- und sonstwas-Profile, deren Vereins-Homepages und Schul-Webseiten im Zuge von kleinen und großen Katastrophen ungefragt und ungebeten geplündert werden. Vielleicht fühlt sich aber auch der ein oder andere freie Mitarbeiter angesprochen, dem via simplen Federstrich sämtliche Rechte am eigenen Werk aberkannt werden (eine treffliche Replik des streitbaren Don Alphonso findet sich unter http://blogbar.de/archiv/2009/06/08/die-korrigierte-resolution-im-wortlaut. Ansonsten dient die aktuelle Auseinandersetzung rund um den Nordkurier als trefflicher Anschauungsunterricht).

Andererseits taugt aber auch ein informations- und datensammelnder Moloch wie Google, dem im Zweifelsfalle die, ähem, unternehmerische Chance stets wichtiger ist als so etwas wie Informationsfreiheit, Meinungsvielfalt oder eben auch Urheberrechte, schwerlich als Sympath – was ja auch gerne mal in der aktuellen Diskussion ausgeblendet wird. Offensichtlich geht es dann doch nicht um das, was da konkret gesagt wird: Sicher, es ist ein alter Hut, aber ein schickes Argument – wäre es den Verlagen wirklich so wichtig, ihre Inhalt eben nicht via Google als „Gratiskultur“ zu verschleudern, würden ein paar einfache Programmierbefehle ausreichen, um der Sache ein Ende zu machen.

Den „Schwarzen Peter“ bei diesem Poker um Geld, noch mehr Geld, Einfluss, Macht, politische Rückendeckung und ganz viel Geld haben dabei die, ähem, Kreativen. Sprich jene, die in den Verwertungsketten ohnehin in der Regel am Ende sitzen: Autoren und Grafiker, Fotografen und Musiker, Maler und Schriftsteller – aber eben auch Programmierer und, ähem, Internet-Nerds, Blogger und „Web 2.0“-er. Eben jene Menschen, für die zum einen der „Schutz des geistigen Eigentums“ und zum anderen der „freie Zugang zu Informationen“ nicht nur eine hohle Sprechblasen, sondern irgendwie wichtig und nicht selten die Grundlagen der Existenz sind. Einer Existenz, deren Grundlagen nicht selten ausgesprochen wacklig sind (Stichwort prekäre Beschäftigungsverhältnisse). Da ist die Gefahr der Instrumentalisierung groß – etwa bei dem „Heidelberger Appell“ (zu finden unter http://www.textkritik.de/urheberrecht/index.htm).

Einem irgendwie beängstigenden Dokument, in dem zwar viel die Rede ist von „das bestehende Urheberrecht, die Publikationsfreiheit und die Freiheit von Lehre und Forschung“, welches aber eher in Duktus und Habitus das Eingeschnapptsein einer verblassenden Elite transportiert, der mehr und mehr Einfluss, Macht, Deutungshoheit und unterm Strich eben auch Geld verloren geht (informativ ist der – durchaus ebenfalls streitbare, dazu mal in den Kommentaren und Verlinkungen stöbern – Hintergrund-Beitrag von Matthias Steinkamp unter http://www.perlentaucher.de/artikel/5347.html). Es ist ein etwas gespenstischer Eindruck, der sich bei mir verfestigt hat, nachdem ich mich mal ein wenig intensiver mit dem befasste, was den „Vater“ des „Heidelberger Appells“, Professor Roland Reuß, umtreibt (empfehlenswert die Beiträge von Thierry Chervel unter http://www.perlentaucher.de/blog/51_die_fruechte_des_internets und Wolfgang Tischer unter http://www.literaturcafe.de/heidelberger-appell-frankfurter-literaturhaus-tagung. Weiterhin kann man sich unter www.textkritik.de informieren – hier finden sich sämtliche Beiträge von Prof. Roland Reuß, die jüngst u.a. in FAZ oder FR erschienen sind).

Beängstigend ist dies nicht nur deshalb, weil hier Dinge vermengt werden, die genau genommen nichts miteinander zu tun haben (Google Books und Open Access). Viel mehr Sorgen macht mir die gewisse Naivität, die da nicht selten mitschwingt nach dem Motto „Ist zwar eigentlich keine besonders gute Erklärung, aber es wird endlich darüber gesprochen“. So funktioniert Instrumentalisierung und leider ziemlich gut (nachvollziehbar unter http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30343/1.html). Fraglich ist aus meiner Sicht, ob mit derartigen Aktionen wirklich den Kreativen, den Autoren und Grafikern, Fotografen und Musikern, Malern und Schriftstellern, geholfen ist – erst recht, wenn es auf der einen Seite nicht wenigen Beteiligten um politisch kalkuliertes Gerangel geht und es andererseits auf eine Art erweitertes Leistungsschutzrecht hinauslaufen sollte, das dann wohl eher die Belange von Verlagen sichert als die von Autoren und Grafikern, Fotografen und Musikern, Malern und Schriftstellern.

Der wirklich unschöne Nebeneffekt: Mit solchen Dingen wie der „Hamburger Erklärung“ und dem „Heidelberger Appell“ wird der Blick darauf verstellt, dass es tatsächlich Diskussions- und Handlungsbedarf gibt in Sachen Urheberrecht – und vor allem im Hinblick darauf, dass Autoren und Grafiker, Fotografen und Musiker, Maler und Schriftsteller das berechtigte Interesse und Anliegen haben, von ihrer Kreativität auch zu profitieren (ich halte nichts von Drumrumgeschwafele, wir leben in einem kapitalistischen System, in dem das Überleben nun mal davon abhängt, dass man in der Lage ist, aus seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten Profit zu ziehen. Punkt). Nein, ich werde hier nicht in das Horn pusten, das aus vielen Blog-Beiträgen und den entsprechenden Kommentaren tönt – selbst wenn nicht selten die Argumentation angesichts der formalen Schwächen, fachlichen Mängel und vor allem der ganz realen Heuchelei und des offensichtlichen Ziels des Status Quo-Wahrung, die von diversen Verlagen betrieben wird, sehr wohl nachvollziehbar ist. Aber der Satz: „Ohne Urheberrecht wäre das Internet ein Testbild“ – gesprochen von Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins des deutschen Buchhandels (Quelle: http://www.boersenblatt.net/330550) – trägt schon ein gerüttelt Maß an Wahrheit in sich. Mal ganz abgesehen davon ist Google in dieser Debatte wirklich nicht der Gute – und ein Projekt wie Google Books darf man sehr wohl hochgradig kritisch betrachten.

Die Tatsache kann nicht wegdiskutiert werden kann, dass sich Ideen und Visionen, dass sich Kreativität oft genug einfach nicht mehr lohnen. Und spätestens dann der Spaß an der Grenzenlosigkeit der Möglichkeiten aufhört, wenn der Kühlschrank leer ist (und bleibt), der Vermieter vor der Tür steht und Strom nebst Flatrate abgeschaltet wird. Mal ehrlich: Einen Beitrag mit einem launigen Einstieg über die Wertigkeit von Zeit schreiben wie es Thomas Knüwer in dem eingangs erwähnten Artikel tut (aber hey, nix gegen Indiskretion Ehrensache, dieser Blog ist eine dicke Empfehlung) kann man eben auch erst und nur dann, wenn man seine eigenen Schäfchen so einigermaßen im Trockenen hat – und nicht, wenn man zwar Zeit im Überfluss hat, aber keine Einnahmen und nur einen dicken Hals, weil mal wieder das eigene tolle Foto, die eigene schöne Grafik, der eigene spannender Text, die eigene ausgefallene Idee von anderen Leuten gestohlen und zu Geld gemacht wird.

Aber auch da sind die Verhältnisse ja nicht so einfach: Es sind gerne mal die klassischen Medienunternehmen, denen das Urheberrecht bzw. die Achtung und Bezahlung (!) von Quellen nicht so wichtig ist (gerne verweise ich da noch mal auf die im Internet geklauten Fotos, die beispielsweise im Zusammenhang mit Winnenden, mit dem Absturz der Air France-Maschine über dem Atlantik usw. usf. in diversen Printmedien veröffentlicht wurden). Oder ebenso klassische Agenturen, die Claims, Grafiken, Fotos, Ideen und Infos – wohlwollend formuliert – adaptieren. Oder es sind ganz reale Diplomanden, die wissenschaftliche Werke zum eigenen Vorteil abschreiben. Muss ja auch mal gesagt werden. Sicher, das Internet (und da vor allem das schnelle, problemlos verfügbare und einfach zu handhabbare Internet – ich kann mir nicht vorstellen, dass wir allesamt über diese Themen überhaupt sprechen würden, säßen wir noch mit unseren 56k-Modems zu Hause) hat diese Probleme massiv potenziert – da waren sie aber schon immer.

„Erinnert sich noch jemand an diese ‘Hometaping is killing music!’-Kampagne“, fragte Freundin Thyra neulich und ganz zu Recht (zur Info: http://de.wikipedia.org/wiki/Home_Taping_Is_Killing_Music). Das öffentliche Verhältnis zur Wertigkeit von ideellen Werten, von geistigem Eigentum, von Kreativität ist ein ziemlich kompliziertes – und auch da habe ich so meine Zweifel, ob sich dieses Verhältnis durch einen gesetzgebenenden Amoklauf mit anschließender Sicherheitsverwahrung tatsächlich nachhaltig verändern lässt (BTW: So richtig ausgeprägt ist das entsprechende Bewußtsein ja bei den politischen Eliten auch nicht, wie das jüngste Beispiel der Nicolas Sarkozy-Partei UMP zeigt, die zwar einen Riesenradau gegen Filesharing und Raubkopien veranstaltet, aber selbst mal eben so den Song „Kids“ von MGMT zu Wahlkampfzwecken nutzt – natürlich ohne zu fragen und ohne die entsprechenden Lizenzgebühren zu bezahlen. So viel zum Thema „Bock“, „Gärtner“ und „Ich lege mir die Dinge so aus, wie sie mir in den Kram passen“. Ach ja, den Rechtsstreit hat UMP verloren).

Irgendwie eine verfahrene Situation, eine verseuchte Debatte, die die wichtige Frage ignoriert, die Kreative brennend interessiert und dies – ich sage es gerne noch einmal – vollkommen zu Recht: „Wo steht die Kasse?“ So brachte es Freund PM Hoffmann auf den Punkt. Die Kasse, deren Einnahmen letztlich vor allem Autoren und Grafikern, Fotografen und Musikern, Malern und Schriftstellern zugute kommen, die derzeit hochgradig unbequem zwischen Baum und Borke festgeklemmt sind. Ob man bei dieser Installation mit der Besitzstandswahrung für immer fragwürdig werdende Strukturen, mit dem Ziehen von Gut-Böse-Fronten zwischen analog und digital, dem Pochen auf die eigene elitäre Überhöhtheit weiter kommt – ich glaube da nicht dran. Nicht zuletzt, weil die Musikbranche vor gar nicht so langer Zeit vorgemacht hat, wie man diesen Kampf letztlich vergebens führt – und dabei vergisst, sich über Modelle Gedanken zu machen, wie man diese Kasse installieren kann. Nun, inzwischen steht sie halt nicht mehr bei den großen Musiklabels, sondern bei Apple via iTunes. Auch die Beispiele Beatport oder Whatpeopleplay.com zeigen: Die Totschlags-Behauptung, das Modell „Gratiskultur“ habe sich flächendeckend durchgesetzt, kann so hundertprozentig nicht stimmen. Das ist nicht viel an Trost, aber immerhin ein Punkt, an dem sich anknüpfen lässt – auch wenn ein paar der alten Strukturen dran glauben müssen. (to be continued)

Foto: Paul Keller (Creative Commons 2.0)

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6 Kommentare »

  1. Könnte ein interesanter Artikel sein. Aber man kann ihn nicht lesen. Habt Ihr schon mal was von Formatierung gehört?

  2. wasn absätze, kursiv unso?

  3. ganz klar, einzige lösung (wie immer, wie gehabt): geld abschaffen, dann ist wieder mehr ruhe unter den menschen.

  4. bin ich auch dafür. ja, sehr schön … und die währung, die dann gezahlt wird, von denen, die das wollen, was die anderen haben, sind dann granaten, nervengas und bleiprojektile? … doch, doch … tolle lösung. und diese ruhe. grabesstille, sozusagen. herrlich.

  5. In truth, immediately i didn’t understand the essence. But after re-reading all at once became clear.

  6. wir bezahlen mit unseren körpern. auch gut.