Last Bäumlein Standing – Sunn O))) waren in der Stadt

Text: | Ressort: Musik, Veranstaltungen | 26. Oktober 2009

Freund Donis ist ja ein unbedingter Freund der klaren Worte. Und die hatte er natürlich auch parat. „Öde“, war die erste Einschätzung nach gefühlten vier Stunden, ähem, Konzert. Und die nächste war: „Kunstkacke!“ Ein anderer Zuhörer wusste es in angenehmere Worte zu kleiden. „Effektvolle Nichtigkeiten“, oder so ähnlich – der Sinn auf jeden Fall haut so hin, denke ich (soooo viele Bier waren es ja nun auch wieder nicht). Beim Rausgehen lauschte ich noch einem anderen Geschichtenerzähler, der da etwas von „altheidnischen Metal“ faselte, was mich einerseits ein wenig belustigte, andererseits einem aber auch einen grusligen Schauer über den Rücken jagte. Immerhin – Freund Auge wusste sofort die Lautstärke zu schätzen (und jene Menschen, die ihre Ohrstöpsel an der Leine um den Hals tragen). Ich für meinen Teil fühlte mich trefflich unterhalten. Ja, Sunn O))) waren in der Stadt. Im UT-Connewitz, das von der Band im wahrsten Sinne des Wortes bis in die Grundfesten erschüttert wurde – großartig war beispielsweise, wie sich das Gewummere durch die Installationslöcher bis hinunter in die Toilette im Keller fraß.

Sunn O))) ist ja nun ein Name, der inzwischen nicht mehr nur ausschließlich in den Checker-Kreisen der Seltsam-Metal-Fraktion und der Extrem-Doom-Randgruppe kursiert. Entsprechend (und deshalb gar nicht mehr wirklich überraschend) vielschichtig war auch das Publikum – da waren schon ein paar Leute am Start, denen man zumindest von Outfit her nicht unbedingt zugetraut hätte, sich mit Drone-Doom der überzeichnetsten Form abzugeben (auch wenn ich erstaunt war, wie viele von denen ohne mit der Wimper zu zucken die schon erwähnten gefühlten vier Stunden Gitarrenwumms, Gegrummele und mönchische Esoterik über sich ergehen ließen).

Mit der Veröffentlichung „Monoliths & Dimensions“ tasteten sich Stephen O‘Malley und Greg Anderson in diesem Jahr wohl endgültig an die breitere öffentliche Wahrnehmung und, ähem, sogar an das Feuilleton heran. Da kommen dann natürlich die die entsprechenden Ritterschläge: Ein „taz“-Interview mit Greg Anderson (in dem einige schöne und wahre Sätze zu finden waren wie etwa „Um ehrlich zu sein, haben wir niemals einen konkreten Plan, wenn wir ins Studio gehen“ – http://www.taz.de/1/leben/musik/artikel/bis-in-die-eingeweide/), auch eine Spex-Annäherung von Jens Balzer (in der man so schimmernde Sätze findet wie „Angebetet wird nur die Immanenz: Mit den Trugbildern der überkommenen Metaphysik haben sich O’Malley und Anderson auch vom Metal-typischen Männlichkeitsgehabe befreit und sind zu einer Art Metal ohne Metal gelangt: ohne die Penis-Attitüden und Dickhalsigkeiten, welche die meisten Metalbands pflegen.

Sunn 0))) sind dagegen passiv, masochistisch, empfangend; Mönche, die sich in Demut vor dem großen Gott der Gitarrenverstärker verbeugen.“ – http://www.spex.de/2009/05/15/am-ende-soll-alles-ganz-leicht-klingen-sunn-0/) und nun gar ein Konzert im Berghain (was vom Soundaspekt gesehen wie ein endlich erfüllter feuchter Traum der Beteiligten klingt). Das ist ein durchaus interessantes Phänomen: Ich bin ja nun durchaus im Besitz einer ganzen Reihe von Sunn O)))-Tonträgern (wenn‘s auch längst nicht alle sind, die Split mit Earth fehlt beispielsweise – von den diversen Live-Veröffentlichungen mal ganz zu schweigen) und ich habe diese allesamt auch brav an- und durchgehört und dies nicht nur einmal, aber Konsumierbarkeit, Griffigkeit, gar Eingängigkeit ist dieser Band, die gewohntermaßen in Sachen Songwriting hochgradig zurückhaltend agiert, nun wirklich auch beim allerallerallerbesten Willen nicht zu unterstellen. Zudem spielt Doom im Allgemeinen und Drone-Doom im Speziellen ja eigentlich stets und immer mit dem Thema „Kitsch“, ebenso wie stets und immer auf dem Pferd „Klischee“ herumgeritten wird. Sunn O))) übersteigern dieses generelle Prinzip noch einmal mühelos. Faszination hat die ganze Sache trotzdem.
Um diese zu entdecken, lohnt sich gerade in diesem speziellen Falle ein Konzertbesuch unbedingt und auf jeden Fall. Aus Gründen und zwar aus hochgradig handfesten: Wenn es bei Sunn O))) wirklich um irgendetwas geht, dann um die Körperlichkeit von Sound. Um flatternde Hosenbeine, Wumms in der Magengrube und Dröhnen in den Ohren.

So einen Effekt muss man auch erst einmal hinkriegen und da ist Stephen O‘Malley und Greg Anderson jedes, aber auch wirklich jedes Mittel recht. Wenn es denn eine Verstärkerwand mit einer Armada an Bassboxen sein muss, nur zu. Und Gitarren, die in den tiefsten Keller gestimmt werden, der zu finden war, ebenfalls. Das ist – nun ja – bemerkenswert konsequent. Bemerkenswert, weil Sunn O))) in einer derartigen Intensität auf Zierat und Schnickschnack verzichten, dass es schon wieder – nun ja – beinahe „Kunstkacke“ wird. Zwei Gitarren, ein bißchen Elektronik und dann blitzt auch mal eine Posaune im Nebel auf, dazu reichlich Sangesakrobatik (gerne auch mal verstärkt und gestützt, aber dies ist nicht nur legitim, sondern im Interesse der Sache auch wirklich angebracht). Brummende Tiefe ohne Bass. Ein wabbernder Fußboden. „Vorne war‘s wirklich laut“, gab Freund Klaus zu Protokoll. Das glaube ich nur zu gerne. Die Frage ist: Reicht das Prinzip Lautstärke? Für gefühlte vier Stunden? Und für eine ganze Karriere, ein ganzes Leben? „Öde“, hatte es Freund Donis genannt und ich verstehe ihn gut. Wer es – wie schon erwähnt – mit dem Songwriting hält, wird mit Sunn O))) nicht glücklich. Sicher kann man sich bei dieser Band sowieso niemals sein: Wieviel Klischee-Überreizung ist man bereit zu ertragen? Bei der wievielten Riff-Adaption mag man einfach nur noch aussteigen?

Aber dies ist ja erstmal die eine Seite der Medaille. Die andere Seite fasst sich ähnlich – nun ja – sonderbar an. Diese Mönchskutten nebst den ebenfalls grandios überzeichneten Kult-Inszenierungen – ihr kennt dies ja, die Sache mit den komischen Handzeichen oder die religiöse Darbietung des, na klar, Kult-Objektes Mikrofon. Der Nebel, der aus der Mönchskutte quillt. Die in den Himmel gereckten Gitarrenhälse. Das Plektron als, na klar, Kult-Objekt. Das ist – herrje, dies werden viele Leute jetzt aber nicht gerne hören – lustig. Echt. Erst recht, als „Last Bäumlein Standing“ auf die Bühne, nun ja, wankte. Vorsichtig und zweigbestückt. Auch das war lustig. Echt. Und effektvoll zugleich. Naja, dieses Thema „effektvoll“ oder meinetwegen „wirkungsvoll“ spielt im Zusammenhang mit Sunn O))) wohl ohnehin die absolute Hauptrolle.

Da muss man ja dann doch mal sagen: In dieser Hinsicht haben sie die volle Punktzahl gewonnen. Bei mir (womit wir wieder bei erwünschter Subjektivität wären – da muss ich vielleicht doch mal einen gesonderten Aufsatz verfassen). Wegen der Lautstärke. Wegen der Inszenierung. Wegen der Sturheit, mit der Stephen O‘Malley und Greg Anderson ihr Ding durchziehen und dies mittlerweile seit guten elf Jahren. Und damit inzwischen ein Publikum erreichen, das man gesehen vom musikalischen Randsegment (wie gesagt, wir reden hier von Drone-Doom – zur Vorstellung für Nichteingeweihte: kein Schlagzeug, kein Bass, kilometerlange und tonnenschwere Gitarrenriffs, die Abwesenheit von Songstrukturen wie man sie gemeinhin kennt) schon als waschechtes Massenpublikum bezeichnen kann. Zudem rollen sie mittlerweile – wie bereits erwähnt – gar die Feuilleton-Front nebst angeschlossener Kunstszene auf (Musik für‘s Tanztheater oder Auftritte in der Queen Elizabeth Hall London eingeschlossen).

Mit aller Konsequenz, aber ebenso großer Ambivalenz in allen Auslegungsfragen: Es ist die totale Apokalypse. Und gleichzeitig das genaue Gegenteil – die überzeichnete Inszenierung eben dieser totalen Apokalypse. Oder haufenweise Mummenschanz, der weder sich noch andere ernst nimmt. Oder „Kunstkacke“. Minimal Music, Jazz, Death und Black MetalNicht bestätigten, aber immerhin hochgradig ernst zunehmenden Informationen zufolge geht es bei Sunn O))) eben auch darum, einfach mal auszuloten, was man mit dieser Form von außergewöhnlichen musikalischen Extremismus alles erreichen kann, wem man damit in die Tasche kommt und in den Block. Ein Ansatz, bei dem auch Freund Donis erklärte: „Da muss man ja schon wieder den Hut ziehen.“ Mein Reden.
PS: Ach ja, ähem, Musik gab‘s im UT Connewitz auch noch. Eagle Twin, Leute, diese Band (mit Iceburn-Streiter Gentry Densley) sollte man unbedingt wahrnehmen. Live und auf Platte – diese heißt „The Unkindness Of Crows“ und ist gerade auf Southern Lord erschienen.

Text: Jensor

Fotos: Klaus Nauber

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6 Kommentare »

  1. Freund Auge liest sich irgendwie lustig für die, denen Herr Augsburg kein Begriff ist…

  2. gitarre, bass und keyb./posaune, nicht: gitarren

  3. Ich muss übrigens anmerken, dass das oberste Bild einen sehr schnieken Desktop abgibt!

    Danke, Freund Klaus!

  4. ja bitte, gern. und mit dem zweiten auge sieht man bekanntlich besser

  5. Sunn O)) war sehr eindrucksvoll, Eagle Twin grauenhaft langweilig.

  6. Ähm, oh ja, Asche auf mein Haupt – da war in der Tat ein Bass. Allerdings – schlag mich, wenn’s nicht stimmt – würde ich meinen, dass dieser weniger als Bass-wie-wir-ihn-alle-kennen gespielt wurde, sondern eher als eine Art anständig tiefer gelegte zweite Gitarre. Daher mein Fehlmeinen. Ansonsten gerne noch die nachgereichte Info, dass es sich beim Sänger/Gurgler/Grummler mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit um Attila Csihar von Mayhem gehandelt haben dürfte. Na wenn dies mal nix ist (war aber auch eine beeindruckende Leistung am Mikrofon).