Doom Over Leipzig – Rückblick Teil 2

Text: | Ressort: Diary, Musik, Veranstaltungen | 12. Dezember 2010

Ja, richtig, Konsequenz muss sein – wer über den ersten Teil schreibt, muss auch den zweiten berücksichtigen: Deshalb folgen hier – mit einiger Verspätung, ich räume dies schuldbewusst ein – noch diverse Bemerkungen zu Part 2 von Doom Over Leipzig.

SUMA

Was vor allen Dingen in einer Hinsicht wahrlich interessant ist: Ich fand es großartig, wie sich die beiden räumlichen Situationen geradezu perfekt ergänzten. Alex Obert und Eldar Fano hatten ja davon gesprochen, dass sich diese Trennung sowohl in räumlicher (einmal das Zoro und zum zweiten das UT Connewitz) als auch zeitlicher Hinsicht (lag ja doch eine Woche zwischen den beiden Terminen) eher aus der Not heraus ergeben haben. Nun ja, manchmal kann die Not auch eine feine Tugend sein – so gab die zeitliche Trennung die Chance zum Luftholen. Zum Durchatmen und erneuten Konzentrieren, was ich persönlich ganz fein fand und spaßigerweise gab‘s just erst am Wochenende die Bestätigung durch Freund Ingmar Petersen, der ganz offen auch einräumte, von der geballten und gedrängten Angebots-Masse eines (ohne Zweifel unbedingt empfehlenswerten) Festivals wie Roadburn schlicht überfordert zu sein. Dem geht man natürlich aus dem Weg, wenn man ein paar Tage Pause dazwischen schiebt. Noch viel besser fand ich allerdings die räumliche Splittung, die ja gleich auch zwei ziemlich unterschiedliche Location-Konzepte (oder sollte ich besser sagen -Philosophien) unter einem Festivaldach vereinte. Auf der einen Seite der Kellerklub mit seiner Gleichzeitigkeit von räumlicher Enge (im, ähem, Main Stage-Saal) und Vielfalt an Möglichkeiten (ich erinnere nur an die Lynch-Lounge, gleichzeitiger Schauplatz von „Lost Highway“, dem famosen Khuda-Auftritt – btw., „Palingenesia“ ist in der Tat eine großartige Platte – und hörenswerten Dub-HipHop-Electronica-DJ-Exkursen); auf der anderen das UT Connewitz als wohl schönster Konzertsaal Leipzigs mit seiner geräumigen Bühne und der einzigartigen Atmosphäre. Dies funktionierte nicht zuletzt aufgrund einer sorgsamen Editierung: Bands wie Omega Massif oder auch Kodiak kamen in der Kellerenge bzw. -Niedrigkeit (ergänzt um selbstgewählte Lichtreduktion) irgendwie erst richtig zur Geltung, auch Khuda zogen ihren Vorteil aus der Nicht-Bühnen-Situation (sie spielten quasi in Publikums-Augenhöhe). Andererseits wirkte die Atmosphäre des UT-Kinosaals für Bands wie Suma oder gerade auch Rotor gewissermaßen als „Geschmacksverstärker“. Vielschichtigkeit als Konzept ist ja eine wichtige Doom Over Leipzig-Komponente – erst recht, weil sowohl der Keller als auch das UT Connewitz eine gewisse feine Morbidität und, ähem, Untergrund-Attitude mitbringen, die das Ganze auch konzeptionell schön zusammen hielt. Alex Obert überlegte ja ein bißchen, dies alles künftig am Standort UT Connewitz zu bündeln – ganz klein und unterwürfig würde ich mir ja wünschen, sie mögen doch bitte nicht auf die Möglichkeiten des „Experimentierkolbens“ des heimischen Kellerklubs verzichten (mal abgesehen davon, dass hier das Publikum aufgrund des hauseigenen Stamms noch ein bißchen vielschichtiger ausfällt – was im Vergleich schon ganz schön aufgefallen ist).

SUMA

Eines muss ich auch noch mal loswerden: Wer auch immer auf den Gedanken gekommen sein mag, das Line-Up mit SUMA zu verstärken, er fühle sich hiermit warm ans Herz gedrückt. Dieser Auftritt war ein ebenso gelungener wie grandioser Doom Over Leipzig-Abschluss. Diese Quartett bringt etwas mit, das ich mangels anderer trefflicher Begrifflichkeiten mal mit dem etwas schwammigen Wort „Bühnenpräsenz“ umschreiben möchte. Und zwar vom allerersten Moment an. Boah, Wahnsinn. Wobei ich jetzt noch nicht einmal von Lautstärke rede (auch wenn die vorhanden war, hoho, aber wie. In einem Maße, dass ich nachts um viertel nach 2 doch mal über die Leidensfähigkeit und die Toleranz der Anwohner nachdenken musste), sondern von solch schwierig zu definierenden Dingen wie Charisma, Ausstrahlung – SUMA jedenfalls sind auf die Bühne gegangen, schickten sich an, das erste Stück zu spielen und ließen in keiner Sekunde auch nur einen Zweifel daran, dass es nun RICHTIG scheppern würde. Was es dann wirklich tat: Ich wurde das wahlweise beängstigende oder wohltuende Gefühl nicht los, dass diese vier Schweden von Mal zu Mal immer noch einen Ticken besser werden. Zwingender. Intensiver. Wuchtiger. Schleppender. Noisiger. Dröhnender. Oh ja, walz mich platt! Keine Frage, dass ich im Anschluss mit ein wenig Sabber in den Mundwinkeln und einem glücklich-debil-zufriedenen Grinsen zum Merch-Stand wankte und mir flugs die neue Veröffentlichung „Ashes“ erwarb (in dieser Hinsicht bin ich ja lernfähig – und btw., auch dieser Kauf machte aus mir einen vollauf zufriedenen Kunden). Wobei, eines muss man ja dann doch mal sagen: Was auch immer Sänger J. mit seinem Bühnenacting ausdrücken möchte, ich habe es nicht verstanden. Tut mir leid. Ändert aber nix an der Tatsache, dass ich SUMA nun noch ein bißchen mehr in mein Herz geschlossen habe (so dies noch ging) und ich nach wie vor allen da draußen mit einer Doom/Noise/Sludge-Affinität nur nachhaltig empfehlen kann: Wenn die mal in der Gegend sind, sollte man unbedingt hingehen. Es lohnt sich.

BLCKWVS

Zur Rotor sage ich mal nix mehr – kann man alles hier nachlesen. Erwähnen muss ich sie trotzdem, weil sie der zweite der beiden Mühlsteine waren, zwischen denen sowohl Blackwaves als auch Rorcal aus meiner Sicht so ein bißchen zerrieben wurden. Weil Rotor ein ähnlicher Fall sind in Sachen Bühnenpräsenz und zwingender musikalischer Qualität. Und den beiden angesprochenen Bands fühlbar da noch etwas fehlte. Wobei Blackwaves irgendwie auch damit zu kämpfen hatten, als Opener den Abend zu eröffnen (war zumindest mein subjektiver Eindruck). Dabei konnte ich mit dieser Mixtur aus Post-Rock-Elementen (inklusive Pathos & Bombast) und der Lust am metal-affinen Krachschlagen durchaus etwas abgewinnen – an einigen Stellen, dies gebe ich gerne zu, hatten die mich gar richtig am Schlafittchen und rüttelten und schüttelten mich gar angenehm durch. Blackwaves (oder BLCKWVS) habe ich definitiv auf dem Schirm; Mühlsteine hin oder her.

Rorcal

Was zweifellos auch für Rorcal gilt, die ich gar noch einen ganzen Ticken interessanter fand. Zum einen aus konzeptioneller Sicht: Es spricht schließlich für ein gerüttelt Maß an Selbstbewusstsein mit einem ordentlichen Schuss nonkonformistischer Durchgeknalltheit, um so offensiv und offensichtlich auf alle handelsüblichen Mechanismen zu verzichten. Und bei mir haben Leute, die sich um Songstrukturen einen Dreck scheren und lieber der Ansicht sind, Platten mit einem Opus von einer Stunde, zehn Minuten und 33 Sekunden Länge veröffentlichen zu müssen, eigentlich immer einen dicken Stein im Brett – erst recht, wenn sie dabei auf Stilistiken wie Doom bzw. Black Metal zurückgreifen und obendrein, wenn diese Mixtur mit einem geschmackssicheren Händchen für Atmosphäre und Songwriting anzurichten verstehen. Gerne greife ich den Hinweis der Band auf und verweise hiermit auf die Möglichkeit, das feine Album „Heliogabalus“ hier zum Genießen zu finden. Andererseits bieten die auch im Live-Modus unbedingte Konsequenz – einschließlich eines ausgeprägten Nebeleinsatzes, einer ebenso schmucken wie stimmigen Rotbeleuchtung und einem satten Parforceritt durch die schon angesprochenen Stilistiken (gerne auch angereichert mit Ambient-Phasen, Drone-Eskapaden und wuchtigen Sludge-Ausbrüchen). Der war leider schneller rum als mir eigentlich lieb war, wenn ich jetzt mal so richtig intensiv nachdenke. Richtig, ich für meinen Teil hätte es eigentlich gerne noch ein bißchen länger wahlweise dröhnen, rumpeln und und Highspeed-klopfen gehört – was ich freilich in dem Moment vergessen hatte, als SUMA loslegten. Naja, die Sache mit den Mühlsteinen, der Bühnenpräsenz und so.

An Emerald City

Den Farbtupfer und zwar im wahrsten Sinne des Wortes setzten die Neuseeländer The Emerald City. Und zwar nicht nur wegen der „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“-Gedächtnisjacken, mit denen Teile der Band zumindest mich durchaus zu begeistern wussten (nein, dies ist jetzt keine Ironie, fand ich wirklich stilistisch passend), sondern vor allem wegen des Space-Rock-Exkurses, der da geboten wurde. Gemeinhin wird dies ja mit den Begriffen Post-Rock oder Psychedelic versehen, aber Teufel noch eins: Wenn  irgendwas so richtig nach Space-Rock klingt, sollte man es einfach auch so nennen. Wie‘s war? Nun denn, ich fühlte mich drei Songs durchaus gut unterhalten, dann musste ich doch irgendwie Freund Gunnar zustimmen, der bemängelte, die ganze Geschichte habe irgendwie einfach keinen Punch. Hmm, leider wahr.

Rotor

Das Fazit? Ich denke, die Doom Over Leipzig-Premiere hat – für mich und sicherlich auch für Alex Obert und Eldar Fano – die gehegten Erwartungen nicht einfach nur schnöde erfüllt; herrje, ein dergestalt überzeugend vorgetragenes Genre-Surfing hätte ich mir in meinen besten Träumen nicht vorzustellen gewagt. Das meine ich ehrlich. Weil mir hier an zwei Tagen eine ganz feine Vielfalt an Musik- und Soundentwürfen serviert wurde. Und weil ich gleich noch etliche Bands mitgenommen habe, die ich mit Sicherheit im Auge behalten werde. Weil das Publikum hochgradig angenehm war, von den Musikern und Machern mal ganz abgesehen. Und weil ich doch ernsthaft hoffe, 2011 eine weitere Auflage zu erleben – erst recht, weil sich im UT Connewitz mit Alex Obert und Freund Andreas Kanzler Kohl genau die Richtigen getroffen haben.

Fotos: Klaus Nauber

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