Investigative Staubsauger
Text: Joshua | Ressort: Literatur | 5. Dezember 2012Für A.
„Man steht in ihr, findet sich immer schon in einer Situation vor, deren Erhellung eine nie ganz zu vollende Aufgabe ist.“ (Gadamer)
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (und man kann es nicht genauer sagen) wurde der bedeutende Melville R. Bissel in der bedeutenden Stadt Grand Rapids, Michigan geboren. Diese Stadt hatte damals vielleicht 3.000 Einwohner und wurde von christlichen Missionaren und Pelzhändlern besiedelt, die mit den Indianer friedlich koexistierten. Vermutlich gab es im Umkreis einige Einhörner und man kann sagen, dass Melville R. Bissel gerne Kräutertee trank. Er süßte seinen Tee mit Rübenzucker. Er mochte das.
Wenn wir nachdenken, wer dieser verfluchte Melville R. Bissel war, denken wir nicht daran, dass er den Staubsauger erfunden hat. Aber das hat er. Am 19. September 1876 erhielt er das Patent für seinen „Carpet-Sweeper“. Ich denke, wir müssen diesem großen Visionär ein paar Zeilen widmen.
Der gute Melville leitete ein wunderbares Geschirr-Geschäft. Und das zerbrechliche Glas wurde beim Versand mit Sägemehl gepolstert, das sich beim Auspacken in seinem Laden verteilte. Das fand er unerträglich. Das verdammte Sägemehl okkupierte seine Teppiche. „Das ist doch kein Zustand“, brummte er zu seiner Frau Anna. „Wir brauchen einen Staubsauger“, entschied diese eindrucksvolle Dame aus der amerikanischen Kleinstadt sehr progressiv. Sie freute sich über diesen Einfall und nahm sich den restlichen Tag frei. Sie spazierte zu den Einhörnern. Die Einhörner fanden Anna sehr hübsch. Sie gaben ihr Zuckerwürfel, weil Anna diesen blöden Rübenzucker nicht ausstehen konnte. Ihr wurde davon schlecht (was sehr leicht nachvollziehbar ist). Sie schmuggelte die Würfel in die Stadt und warf sie heimlich in ihren Kräutertee (was noch leichter nachvollziehbar ist).
Währenddessen kaufte ihr Mann einen Staubsauger. Er kaufte ein Modell namens „Welcome“. Dieses Gerät war, gelinde gesagt, lächerlich. Und Melville wusste, dass er ein funktionierendes Modell erfinden konnte, das diesen „Welcome“-Blödsinn zu einem netten Versuch degradierte. Und das machte er. Er kreierte den „Carpet-Sweeper“, der außergewöhnlich effizient war. Andere Unternehmer wollten auch einen „Carpet-Sweeper“. Anna dachte sehr philosophisch über diesen Sachverhalt: „She eloquently noted that because Americans were clean in mind and body, the carpet sweeper would serve the cause of responsible living while reducing the strain and drudgery of housekeeping.“
Aber wie funktionierte dieser „Carpet-Sweeper“ überhaupt? „Ein überdimensionaler, manuell zu bedienender Blasebalg musste, um einen verwertbaren Saugeffekt zu erreichen, von mehreren Männern per Kurbel, Fußantritt und Hebel in Fahrt gebracht werden.“ Andere Quellen behaupten sogar, dass der „Carpet-Sweeper“ auf einem Pferdewagen stand. Ein langer Schlauch wurde durch ein Fenster gesteckt, so dass der Innenraum gesäubert werden konnte.
Wir können uns leicht vorstellen, dass sämtliche Geheimdienste den großen Melville R. Bissel und seine Frau überwachten. Mehrere Akte von ausgefuchster Industriespionage sind historisch überliefert. Natürlich war der „Welcome“-Erfinder John Leesik grandios angeschwärzt. Zwischen den beiden Imperien begann ein Handelskrieg, der bis heute unterschätzt wird. Viele Aktionen wurden von der örtlichen Polizei verschleiert, die zu beiden Seiten für kleinere und größere Spenden offen war. Der Polizeichef von Grand Rapids kaufte sich 1903 als zweiter Amerikaner einen Ford „Modell A“, von denen nur 1750 Stück produziert wurden. Er gab später zu, dass er sich diesen Wagen allein durch Schmiergelder finanziert habe. Viele Staubsauger-Hersteller hängen heute noch in dieser Verschwörung und niemand weiß, welche Geheimdienste davon wissen und welche nicht. Und das ist gut so. Wenn wir zu viel darüber erfahren, verschwindet die Magie. Das lässt sich exemplarisch beweisen: 1882 tötete ein Auftragskiller der sogenannten „Leesik-Gang“ alle Einhörner im Umkreis von Grand Rapids. Natürlich war es ein Vergeltungsakt. Aber die Existenz von Einhörnern auf amerikanischen Boden wurde von Geheiminstitutionen aus den Lehrbüchern und der amerikanischen Geschichte genommen. Deshalb weiß heute niemand mehr, dass Grand Rapids in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein aufstrebendes Urlaubsziel war. Aus dem ganzen Land reisten Wohlhabende an, um „Einhorn-Sichtungen“ zu betreiben. Immerhin hat die Stadt heute fast 200.000 Einwohner und eine geheimnisvolle Vergangenheit. Außerdem gilt sie als Ausgangspunkt zu einer der umfassendsten und unbekanntesten Verschwörungen überhaupt. Wir werden alle gesaugt.
Joshua Groß