Die PnG Kinowoche
Text: Herr Lose | Ressort: Film | 28. März 2013
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Die Jagd
Gebrandmarkt
Mads Mikkelsen gerät unter Verdacht und Thomas Vinterberg lässt ihn nicht mehr zur Ruhe kommen in dieser bitteren Chronik einer Lüge.
Thomas Vinterberg, Mitbegründer der Dogma 95 Bewegung, die das dänische Kino revolutionierte und das europäische gleich mit, legte mit „Das Fest“ Ende der Neunziger den mit Abstand besten Vertreter vor, der aus dem Manifest entstand. Danach wurde es recht ruhig um den Filmemacher und nach „Dear Wendy“ erschien gar überhaupt keines seiner Werke mehr in unseren Kinos.
Da mussten es schon Hauptdarsteller Mads Mikkelsen und eine Oscarnominierung sein, damit er sein Comeback feiert. „Die Jagd“ ist aber auch Vinterbergs schlüssigste Regiearbeit. Behutsam schraubt er die Spannung und das Leid im Leben des sympathischen Kindergärtners Lucas in schwer erträgliche Regionen. Der frisch geschiedene Vater scheint gerade wieder Fuß zu fassen, da wird er von einem der Mädchen des Missbrauchs beschuldigt. Anfängliche Zweifel an Klaras Aussage und die Beteuerungen des bei allen beliebten Beschuldigten helfen nichts. Zunächst will die Kindergartenleiterin die Sache diskret regeln und schickt Lucas nach Hause. Doch als sich der Verdacht herumspricht wächst aus ihm unter den Bewohnern der Gemeinde schnell eine Gewissheit.
Das stille Spiel Mikkelsens und die sehr genau beobachteten Reaktionen der Gesellschaft fesseln rund zwei bittere Stunden an die Leinwand. Ein Meisterwerk, das Spuren hinterlässt.
DK/S 2012 R: Thomas Vinterberg; D: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsson, Annika Wedderkopp etc.
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G.I. Joe – Die Abrechnung
Who? Ha!
Fortsetzung mit weniger Mitteln: die Plastiksoldätchen kämpfen wieder.
Zugegeben, die 2009er Verfilmung der Hasbro-Helden war schon eine ziemlich bescheuerte Idee und inhaltlich ebenso substantiell wie die Kollegen Roboter. Im Gegensatz zu „Transformers“ hatte Teil eins jedoch, neben einem Line Up bekannter Gesichter, vor allem einen essentiellen Bestandteil zu bieten: Selbstironie.
Leider auch im Gegensatz zum nun erscheinenden zweiten Teil und schon die zeitliche Distanz von vier Jahren verheißt in Franchisekreisen nichts Gutes. Das erste Manko ist offensichtlich, denn diesmal sitzt nicht etwa wieder Stephen „Die Mumie“ Sommers, der stattdessen Dean R. Koontz’ „Odd Thomas“ für die Leinwand umsetzte, auf dem Regiestuhl. Den besetzte stattdessen „Step Up“-Kollege Jon M. Chu. So sehen die Nahkämpfe dann auch gut durchchoreographiert aus, der Rest ist dagegen stumpfe Kriegstreiberei und das ständige testosterongeschwängerte „Huha!“ geht einem schon nach dem ersten Mal auf den Geist. Der Verweis auf aktuelle Videospieltrends im Zuge einer Sequenz in Egoperspektive passt da ganz gut, denn auch hier ist eine unschöne Entwicklung zu beobachten, Action-Spiele nur noch lauter, hohler und stumpfsinniger zu machen.
„G.I. Joe – Die Abrechnung“ sieht derweil noch nicht einmal besser aus, als der effektgeladene erste Teil. Der hatte mit Channing Tatum, Joseph Gordon-Levitt, Sienna Miller, Dennis Quaid, Jonathan Pryce und Christopher Eccleston immerhin eine beachtliche Besetzung zu bieten. Geblieben sind nur Tatum und Pryce, was nicht nur für einige Logiklöcher sorgt, sondern sich auch als große Mogelpackung entpuppt: zwar ist es durchaus angenehm, mal wieder mehr vom großartigen Briten Pryce zu sehen, Tatum sucht allerdings (zu recht) nach 15 Minuten Vorgeplänkel das Weite und Bruce Willis, der es sogar noch größer auf das Plakat geschafft hat, kommt auf gerade mal 5-10 Minuten Leinwandpräsenz – bei fast zwei Stunden Laufzeit. Was bleibt, ist Dwayne ‚The Rock’ Johnson – und was das bedeutet, weiß man spätestens nach „Doom“, „Daddy ohne Plan“, „ Zahnfee auf Bewährung“, etc.
USA 2013 R: Jon M. Chu D: Dwayne Johnson, D.J. Cotrona, Channing Tatum, etc.
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Mitternachtskinder
Mother India
Deepa Mehta verfilmt Salman Rushdi – herausgekommen ist eine Ode an die Heimat.
Salman Rushdi setzt sein Zwangsexil ganz schön zu. Seit in Islamistenkreisen ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt wurde, hält er sich fern. Wird er dann doch mal eingeladen, wie zuletzt von oberster Staatsebene zu einer Lesung, wird diese kurzfristig abgesagt, da die Sicherheitsrisiken zu hoch sind. Der Schmerz ist spürbar in „Mitternachtskinder“, der Verfilmung seines gleichnamigen Buches durch die ebenfalls (allerdings im selbst gewählten) Exil lebende Landsfrau Deepa Mehta („Feuer“, „Erde“, „Wasser“), zu dem Rushdi selbst das Drehbuch verfasste. Womit wir bereits bei dem großen Ausgangsproblem der Adaption wären: ihr Film ist dermaßen persönlich, dass er praktisch jeden Nicht-Inder Außen vor lässt. Zudem wirken die phantastischen Elemente, die Film und Buch ihren Titel geben, völlig deplatziert. In der Vorlage mögen sie als Symbolik funktionieren, in Bilder umgesetzt irritiert der plötzliche Fokus auf die Superhelden Indiens enorm, weiß die Chronik des Zerwürfnisses des Landes und der Gründung Pakistans doch anfangs durchaus zu fesseln. Einige Erkenntnisse der Geschichte, berauschende Bilder und der Soundtrack von Nithin Sawhney reichen am Ende nicht zu einem überzeugenden Werk.
CA/GB 2012 R: Deepa Mehta, D: Satya Bhabha, Shahana Goswami, Rajat Kapoor etc.