Moss – Moss‘ Horrible Nights

Text: | Ressort: Allgemein, Musik | 13. April 2013

Wenn es um Fachkompetenz in Sachen Schlepp, Schleich und Kriech geht, ist man bei den Herren Olly Pearson, Dom Finbow und Chris Chantler bestens aufgehoben. Das Prinzip furchtgebietender Langsamkeit verbunden mit einem Höchstmaß an Nonkonformität wussten Moss wirklich vortrefflich umzusetzen – etwa auf der schier monströsen „Sub Templum“-Platte oder auf der nicht minder beeindruckenden EP „Tombs Of The Blind Drugged“, die mir sogar einen ganzen Tick besser gefällt. Weil „Skeletal Keys“ so wunderbar fies losgeht und Discharge‘s einminütigen Böllerer „Maimed And Slaughtered“ in einer Art und Weise auf fast sechs Minuten zerdehnt wird, dass einem wie mir nur warm ums Herz werden kann. Eine Musik, die mir persönlich mit dem Wort „Doom“ immer irgendwie ein bißchen unzureichend beschrieben vorkam. Weil das ganze nervenzersetzende Potential da nur im Hintergrund mitschwang. Nun, bei „Moss‘ Horrible Nights“ habe ich diese Hemmungen nicht mehr. Überhaupt nicht mehr. Denn die Entwicklung vom Moss‘schen Frühwerk auf dem bewundernswerten Aurea Borealis-Label über „Sub Templum“ (mit dem 35-Minuten-Schinken „Gate III: Devils From The Outer Dark“) und „Tombs Of The Blind Drugged“ bis hin zur aktuellen Platte ist ziemlich eindeutig – vom finstersten, peinigendsten, intensivsten Drone-geschwängerten Funeral-Doom in seiner wahnwitzigsten Ausprägung (D!I!E!S!E! V!OC!A!L!S!) hin zu einem aber mal sehr klassischen Doom-Entwurf, der geschult ist an der Riege der geschätzten Altvorderen von Black Sabbath bis Saint Vitus, von Trouble bis Pentagram. Will heißen – Melodien und Riffs sind erkennbar, Songstrukturen ebenso, vom überraschend klaren Gesang Olly Pearsons mal ganz abgesehen (dass dieser dann an den Herren Großmeister Ozzy gemahnt, schadet ja erst einmal auch nicht). Das hätte ich ehrlich gesagt sooo jetzt nicht erwartet – weil es aus der neuen Moss-Platte etwas macht, für das ich beinahe versucht bin, den Begriff „Eingängigkeit“ ins Spiel zu bringen. Oder meinetwegen auch „Zugänglichkeit“. Moss legen einem zumindest erst einmal nicht von vornherein ordentlich Steine in den Weg, um die Spreu vom Weizen zu trennen – so wie bei bereits erwähnten „Skeletal Key“, bei dem nach einigem schwermetallischen Geriffe (mit Betonung auf schwer-) der, ähem, Gesang reingrätscht mit dem Klangbild einer rostig kreischenden, erstmals wenigstens seit der Wikingerzeit sich öffnenden Tür. Derlei – und dies sage ich ganz bewußt, um die Die-Hards zu warnen, bei denen das Hören mit Durchleben von Schmerzlichkeit und dem Erkunden von Grenzbereichen gleichgesetzt wird – findet sich auf „Moss‘ Horrible Nights“ nicht mehr.

Doch Überraschung! Das schadet überhaupt nicht. Kein bißchen. Denn wir reden ja immer noch von Moss, von den Fachkräften in Sachen Verschleppung. Und da markiert auch die neue Platte nach wie vor eine Radikalität, die über das klassische Prinzip der Altvorderen deutlich hinausgeht. In die Richtung der Minimalisierung, in der Doom sich dann nur noch über die (nicht vorhandene) Geschwindigkeit und die drückende Schwere von Gitarrenriffs definiert. Kein Bass, bitteschön. In Richtung einer malmenden Konsequenz, die nicht auf so etwas wie „Spannungsbogen“ zielt, sondern eher auf einen Trance-Effekt setzt (oder meinetwegen auch auf den Erschöpfungszustand, der sich bei Unvorbereiteten mit Sicherheit einstellt  – wir reden hier über sechs, ähem, Songs in 54 Minuten). Mithin also keine Eruptionen der Raserei oder wenigstens von Uptempo-Gebolze, nicht mal der saubere Griff ins Mosh-Regal ist erlaubt. Keine Kompromisse, die über die erwähnte Annäherung an einen porentief reinen Doom-Entwurf hinausgehen. Und da wage ich sogar zu behaupten, dass Stücke wie „Horrible Nights“ oder „Dark Lady“ im Genrekontext sogar Hitpotenzial haben (wenn man bei Spielzeiten jenseits der zehn Minuten von Hits reden kann): Diese Riffs, diese Gesangslinien, das setzt sich echt in den Gehörgängen fest. Geil.

Naja, ich bin mir jetzt nicht sicher, ob ich hier nun auch noch einmal das Thema Finsternis ansprechen sollte. Selbstredend bieten Moss keine lebensbejahende Musik – wir reden hier von Doom. Und selbstredend haben die bekennenden Lovecraft-ianer (der mit Cthulhu, Yog-Sothoth und Shub-Niggurath, der Ziege mit den tausend Jungen, mit dessen Werk zu beschäftigen sich für Freude des altertümlich, geradezu barock angehauchten Horrors dicke lohnt – nur mal als Erläuterung, da ich mir nicht sicher bin, wer da draußen mit dem Namen Howard Phillips Lovecraft noch etwas anfangen kann) einen ausgeprägten Hang zum Okkultismus – in jeglicher Hinsicht. Musikalisch, ästhetisch, inhaltlich. Nicht, dass einer kommt mit „Hätteste mal was gesagt“.

Moss – „Moss‘ Horrible Nights“ erscheint via Rise Above.

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