Der Heimatblock: Highfield – Pt. 3

Text: | Ressort: Diary, Musik, Veranstaltungen | 11. September 2013

Der dritte Tag des diesjährigen Highfield Festivals bot ein etwas breiteres musikalisches Spektrum als die beiden vorangegangen Tage. Für mich startete er mit Frida Gold, d.h. der eigenartigen Mixtur aus Augenschmaus und musikalischer Majestätsbeleidigung. Den Raum zwischen kitschigem Eicherustikalschlager und pseudobedeutungsschwangeren Worthülsen á la Xavier Naidoo besetzen zu wollen ist das Eine, das Andere ihn mit neunziger Jahre  Referenzen auszugießen. Da hat man gehofft, das finsterste Eurodancezeitalter mit seinen dummen Presets und auf dem Keyboard mit einem Finger gespielten Rhythmen wär endlich abgehakt, da krallen sich die jungen Künstler von heute halt eine ollen Refrain, im Fall von „Liebe ist meine Rebellion“ den von  Galas „Freed From Desire“ und läßt sich dann dafür abfeiern. Und wenn wir gleich mal bei dem Song bleiben: Was soll der Text mir sagen? Die Zeiten haben sich seit Romeo und Julia doch erheblich geändert. Gegen wen und für was wird denn da mittels Liebe rebelliert? Wer oder was wird geliebt? Fragen auf die ich keine Antwort bekomme.

Dank partiellem frankophonem Background verschonen uns die Heidelberger Irié Revoltés größtenteils mit verständlichen Texten. Aber ich tippe mal auf einfache Revolutionsromantik, Friede, Freude und Eierkuchen, ähem Pancake, Crêpe. Wir fassen uns einfach alle an den Händen. Sorry, ich weiss wohin das führt und meiner Meinung nach ist der Mensch dazu einfach noch nicht bereit. Auf der Barrikade Lieder zu singen ist was anderes,  als täglich fürs Allgemeinwohl zu schuften. Erst denken, dann singen…

Unterhaltsam waren indes die drei plakatfarbenen Herren mit ihre Slow-Motion-Performance.

Auch Prinz Pi bietet dem Hörer neben Unterhaltung Lebenshilfe, verzichtet aber auf die besserwisserische Attitüde, was schon mal angenehm auffällt.

Leider mußte Frank Turner kurzfristig aufgrund von Rückenproblemen absagen, aber glücklicherweise hatte Thees Uhlmann nichts besseres zu tun. Den Song mit den Lachsen von der ersten Soloplatte fand ich ja erschreckenderweise gut, da er als Einer der Wenigen den Sinn des Lebens wirklich erfasst. Ansonsten nervt ja etwas die mediale Omnipräsenz, die ich gar nicht nachvollziehen kann, denn jeder Redakteur in der Republik könnte auch jemanden interessantes interviewen oder auf die Titelseite drucken lassen. Warum immer der Liedermacher, der gern Rock’n’Roller und die Stimme des Volkes wäre?

Ein Lichtblick im dunklen Tunnel waren diesmal Tocotronic. Über ihre Ausnahmestellung im heimischen Popwesen herrschen wohl nirgends Zweifel, naja jedenfalls  in der Generation 40+. Lieber höre ich den Fuchs kapitulieren, als andere mit Liebe rebellieren.

Madsen rockten souverän.

The Lumineers brachen dann endlich die deutsche Phalanx und brachten mit rootsigem Folkrock noch eine ganz neue Spielart auf das Festivalgelände. Durchatmen bei Hey-Hoh-Chören, Harmoniegesang, Akustikgitarre und Akkordeon. Ein sehr schöner Auftritt in den frühen Abendstunden, den auch ein paar Tausend Zuschauer zu schätzen wußten. Das qualitative Highlight des Tages.

The Gaslight Anthem hatten im letzten Jahr ein schweres Los. Als Vorletzter mußten sie ihr halbes Konzert  gegen Headliner Placebo anspielen. Damal konnte man schon erste negative Erfahrungen mit der versetzten paralellen Anordnung der Bühnen sammeln, aber offenbar besucht keiner der Organisatoren die eigene Veranstaltung. Vielleicht wäre dann aufgefallen, dass die band nicht nur 2012, sondern auch schon 2010 hier vertreten war. Doch nochmal kurz zur Bühnenanrdnung. Ein einfaches voneinander wegdrehen hätte wahrscheinlich schon Wunder gewirkt, ganz zu schweigen von zusätzlichem räumlichen Abstand oder, ganz verrückt, einem Gegenüberstellen oder winkliger Anordnung um das selbe Publikum herum und nahtlosem Konzertfortlauf, wie sich das auch anderswo schon bewährt hat. Gern auch unter Verzicht auf den VIP-Logenturm. Die Beleuchtung die evt. noch von dort gesteuert wurde fände jedenfalls auch auf einem filigranen Mast Platz. Aber wo kein Wille, da kein Weg.

Left Boy schloß den internationalen Teil zwar auch in englisch, aber eigentlich stammt Ferdinand Sarnitz aus dem deutschsprachigem Nachbarland Österreich und ist der Sohn von André Heller. Die Show war rasant und konnte mit ein paar guten Einfällen punkten: wandelnde Hüte, Avatarschwarm usw..

Das Publikum war gut vorbereitet und textsicher.

Apropos textsicher: Es ist schon was ganz anderes einem Konzert beizuwohnen, bei dem gefühlt Jeder alle Texte mitgröhlen bzw. singen kann. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ob man dabei aktuell noch etwas mit den Ärzten anfangen kann tritt da kurz in den Hintergrund. Man war schließlich auch mal jung und fieberte beim Pop-mobil auf DT64 jedem neuen Ärztesong entgegen, um ihn auf Kassette zu bannen. Auch kommen Erinnerungen an ein Konzert Anfang der Neunziger im Diskozelt zu Dresden wieder hoch, kurz nachdem nicht nur die Ärzte sich wiedervereinigt hatten. Dann war da noch der Auftritt beim 2001er Bizarre-Festival. Ersteres eine schweißtreibende intensive Erfahrung, das zweite wiedererwartend ergreifend. Diesmal, naja, ganz nett und schön die ollen Haudegen mal wieder zu sehen. Ein paar mehr ältere Lieder hätten es für mich sein dürfen, aber die Zeit schreitet eben voran. Von den Nachwiedervereinigungsplatten kommt grad mal „Le Frisur“ an den Witz vergangener Tage heran. Aber was solls. Die Nacht ist lauschig, das Bier kalt eine gelungene große Show zum Abschluß des dreitägigen Wochenendes.

Bela B.

Rod

Das besagt textsichere Publikum beim Abfeiern.

www.highfield.de

Zum Abschluß nochmal die komplette Bilderschau:

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