Berlin Festival 2014: Nachlese

Text: | Ressort: Allgemein, Musik, Veranstaltungen | 10. Januar 2015

Am 05.09. war es es nun endlich soweit und die Tore zum Berlin Festival öffneten sich bis zum 07.09. 2014, Freitag bis Sonntag. Nicht nur ein neues Zeitmanagement, sondern vor allem die neue Location in der nun ausschließlich das komplette Festival stattfinden sollte zogen die Aufmerksamkeit dere Gäste auf sich. Okay manche kamen auch wegen der Musik, aber doch die meisten kamen, um im Art Village ihre Katzenmaske ausmalen zu dürfen. Soviel Kreativität hätte man den hauptstädtischen Hipstern gar nicht zugetraut. Urbaner, städtischer sollte es werden, der Punkt darf als erfüllt betrachtet werden. Alles deutlich kompakter, keine langen Wege, aber auch manchmal Sperrung einiger Wege, da zu viele Menschen am selben Ort weilen wollten. Dies traf besonders den zu klein geratenen Strand samt Sonnendeck und Badeschiff. Die Aussicht natürlich grandios: Universal Headquater, Designhotel und der Verladebahnhof von MTV direkt gegenüber. Zwischenzeitlich fand ich die Idee mit der Hauptbühne in der Halle irgendwie doof, aber als man nach einem Konzert hinaus in den Regen und in den durchweichten Sand lief, war das eigentlich doch gar keine soo schlechte Idee. Und es sollte nicht der letzte Guss bleiben. 15.000 Gäste sollen es gewesen sein und damit auch am zweiten Tag bereits ausverkauft. Konzept aufgegangen. Das Fehlen eines noch größeren Headliners war zu verschmerzen, mehr Leute hätte der auch nicht ziehen können, wobei natürlich niemand der Anwesenden sich beklagt hätte, wäre da noch etwas wie Primal Scream, Suede oder die Pet Shop Boys aufgetreten, die alle auf dem Flugplatz in den letzten Jahren angeboten wurden. Überhaupt war auffällig, das trotz einiger Silberrücken im Publikum außer Dieter Meier und Neneh Cherry kaum etwas historisches im Angebot war. In den letzten Jahren hatte man den Eindruck, das bewußt nicht nur das jüngste, sondern auch das arrivierte, Publikum angesprochen werden sollte. Mal schauen wie sich das weiter entwickelt und was im nächsten Jahr angeboten wird, vielleicht Hunde- und Schweinemasken… Auf jeden Fall lohnt rechtzeitiges Buchen bei verknapptem Angebot.

Kid Simius eröffnete den Reigen auf der Hauptbühne. Fette Beats und Elektroukulele.

Austra verwöhnten getragen mit edler Melancholie.

Darkside langweilten auf einem ihrer letzten Konzerte, wie gehabt mit öder Bühnenshow, aber das kann man ja den Elektronikern fast nicht vorwerfen, liegt in der Natur der Dinge.

The Acid hingegen verzauberten mit verhuschtem, verträumten Soul im aktuellen Gewand. Ganz großer Auftritt im leider des öffteren sehr engen Glashaus.

Der Samstag eröffnete mit freundlichem Wetter und in die Malstrasse des Art Villages füllte sich mit dankbaren Künstlern,

Bei denen nicht nur die Kleinsten zum ersten Mal einen bunten Stift halten durften.

Netter Indiepop von Rüfüs in der hellen Halle. Später entdeckte Jemand den Schalter für die Oberlichtverdunklung, ab dann wars dunkel und die ausgefeilten Lichtspiel konnten richtig wirken.

Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf dem Sonnendeck…

oder im Club der Visionäre zum abzappeln. Schon witzig, das auch sonst geöffnete Lokalitäten, wie diese hier oder das White Trash mit zum Festivalgelände gehörten.

Kindness, auch so eine Art Modern Soul, aber mit anderem Ansatz und Stil. Der Chef scheute auch das Publikum nicht und performte auch auf Tuchfühlung.

Mit den Crystal Fighters ging die Festivalstimmung endlich nach oben. Irre, Tanz und Fasching: eine Mischung die fast immer fesselt und die Massen auftaut, selbst die verwöhnten Berliner konnten das Tanzbein nicht mehr stillhalten.

Chillen im Freigelände

oder auf Befehl mit dem Arm wackeln, die Grinsekatze als Vorbild.

Aber wenn Ssiawosch Sadat aka SSIO befiehlt, gehorcht die Masse. Oder tut es aus Begeisterung, wahrscheinlich Letzteres, sind ja unverständlicher Weise freiwillig hier.

Kontrastprogramm danach bei Dieter Meier, dem Grandseigneur der Veranstaltung. Gepflegte, elegante Sprache, eine geistige und körperliche Form, die man sich mit fast Siebzig auch wünschen würde. Von der Aura ganz zu schweigen.

Coely, aktueller Nichtmehrganzsogeheimtipp in RNB bzw. Soul. Interessante Stimme und mit Sicherheit hat sie auch das Potential vom dem hier und dort berichtet wird. Noch nicht so abgeklärt im Umgang mit dem Publikum im brütend heißen Glaskasten, was aber auch wieder süß war.

Bombay Bicycle Club dagegen ganz cool und außerdem füllte sich die Arena erstmals richtig.

Kid Ink. Rap in Posen

Auch Posen und dank einiger Avatare in uniformer Aufmachung viel Verkehr auf der Bühne bei den Saarbrückern Genetikk. Und natürlich ganz ganz böööse…

Das Highlight des Abends waren aber zweifelsohne die Editors um Frontmann Tom Smith. Hits, Hymnen, energie- und pathosgeladen, genau das Richtige zu vorgerückter Stunde.

Die Editors unter den Stahlgitterträgern des Arenadachs.

Zoot Woman als letzter Act des Samstages hatten zwar die Hits auf ihrer Seite, doch dank zum Duo abgespecktem Linieup und statischer Performance fielen sie im Vergleich zur vorangegangenen Band doch stark ab.

Der Sonntag eröffnete ebenfalls freundlich und ließ die Regenschauer des Vortages vergessen.

Man Without Country begannen auf der Hauptbühne. Vielleicht etwas zu schwermütig für die Uhrzeit aber an sich gut.

Derweil wurde unter freiem Himmel auf der Stzrandbühne das Volk zum Tanzen gebracht. Später musste dann der Zugang zu strandbar und Badeschiff beschränkt werden, da die Flächen dem Ansturm der Massen nicht gewachsen waren. Unshöner Weise wurde dadurch auch der Zugang zur Bühne im Glashaus verwehrt, sodass nicht alle sehen konnten,  was sie wollten.

Spreeathen mit dem Badeschiff im Vordergrund und neuem Designhotel dahinter.

Highasakite, die zwei Tage zuvor im Rahmen des First We Take Berlin schon auf dem Gelände spielten konnten erneut begeistern, diesmal mit größerer Lightshow. Die putzigen Standglühlampen gab es aber auch schon beim ersten Mal. wenig Aufwand – großer Effekt. Schön wenn eine Band in puncto Inszenierung weiterdenkt. Herrlich verspielter Popentwurf der Norweger.

Die Hip Hop Stage als einzigste Open Air-Bühne des Festivals.

Mit Ahzumjot stand endlich mal Keiner auf dieser Bühner der Ghetto- oder Gangstermärchen zu erzählen hatte. Dafür frische Reime zum Stand der Dinge, der Umwelt und dem eigenen Platz in selbiger. Erstaunlicher Weise  auch mit der Deklaration eigener Ziele zur Veränderung der Situation wie im neuen nicht auf dem Album enthaltenen Song „Neuer Job“ wo klargestellt wird das sich der nächste Arbeitsplatz doch deutlich von allen bisherigen unterscheiden sollte, flankiert von einer Aufzählung sämtlicher Missgriffe der Vergangenheit und einem Kehrreim, der beim zweiten Durchlauf schon aus den ersten Reihen wiederhallte.

Warpaint verzauberten auch auf der doch sehr großen Bühne dank kompletter Verdunklung am Nachmittag. Zwar deutlich mitgenommen vom Tourstress, aber doch routiniert genug auch den letzten Gig der Tournee souverän zu meistern.

Verstopfung zwischen Arena und Glashaus, aber immerhin ausreichend Klos…

Jessie Ware hebt den bitischen Soulpop auf eine neue Stufe. Gediegen und mit Tiefgang.

Immer wieder etwas ganz Aussergewöhnliches sind die Auftritte oder besser Performances von Michael Quattlebaum Jr. aka Mykki Blanco. Seine queeren Inhalte bringt er/sie direkt unters Volk, ohne Berührungsängste. Hautnah, expressiv, dringlich.

Unnahbar dagegen die Bombastshow von Woodkid mit Orchester, Projektionen, Nebel und theatralischer Lichtdramaturgie. Nichtsdestoweniger beeindruckend und unterhaltsam.

Urfin und seine Holzsoldaten

Begeisterung auch vor der Rapbühne beim Auftritt von K.I.Z..

Und zum Abschluss noch das Highlight für nicht wenige frühgeborene Checker: die Rückkehr von Neneh Cherry. Der Altersdurchschnitt des Publikums stiegt sprunghaft an und Frau Cherry arbeitete sich vor allem durch ihre aktuelle Platte „Blanc Project“ statt auf Nummer sicher das Volk mit Hits erst mal warmzukochen. Ein feiner Abschluss auch wenn nicht alle Interessierte Platz im kleinen Glashaus hatten.

Flammenspektakel zum Ausklang auf dem Dach des White Trashs.

Tschüssikovski und Abschiedsumarmung vor dem wappen- und Wächtertier des Kunstdorfs.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Umzug in die Arena und die angeschlossenen Freiflächen und Räume geglückt ist. Sogar so gut, dass im Laufe des Samstags keine weiteren Karten mehr zu haben waren. Ausverkauft. Besser kann es für den Veranstalter nicht laufen. Trotz kleiner Unwägbarkeiten kann man den Umzug als geglückt bezeichnen. Aufgrund der Verkleinerung bleibt vielleicht der eine oder andere größere Act aus, andererseits bietet der neue Rahmen eine intimere Atmosphäre, die dem Cluberlebnis näher kommt und somit ein Qualitätsgewinn darstellt, den große Open Airs nicht erreichen können.
Inzwischen wurde das Festival vom Spätsommer ins Frühjahr verlegt und findet das nächste Mal vom 29. bis 31. Mai 2015 statt. Noch sind keine Künstler bekannt doch das wird sich wohl in Kürze ändern und dann werden die Tickets wohl schneller weg sein, als beim letzten Mal.

www.berlinfestival.de

Mehr Bilder hier: www.flickr.com/photos/personanongrata

Oder zum Blättern gleich hier:

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