Die PnG-Kinowoche
Text: Lars | Ressort: Film | 8. Mai 2015Film der Woche: Hedi Schneider ist eine lebensfrohe Frau, stets optimistisch und offensichtlich glücklich. Nicht einmal der penible Nachbar an ihrem Arbeitsplatz in einer Reiseagentur kann sie aus der Ruhe bringen. Die Ehe mit Uli und der Umgang mit ihrem Sohn Finn sind von Liebe geprägt. Die drei stehen kurz davor, nach Gambia auszuwandern, wo Uli eine Stelle bei einer Hilfsorganisation in Aussicht hat. Doch dann wird Hedis geregeltes Leben aus der Bahn geworfen. Der Suizidversuch des Kollege ist der unbewusste Anstoß, der alles für immer verändert. Zunächst ist Hedi schwindelig und ihr Körpergefühl aus dem Takt. Dann erleidet sie eine Panikattacke und landet im Krankenhaus. Körperlich ist mit Hedi alles in Ordnung, aber ihr Kopf macht nicht mehr mit. Sie muss sich an ein Leben gewöhnen, das außerhalb ihrer Kontrolle liegt, was auch für ihren Mann Uli schwer zu akzeptieren ist.
Das zwischenmenschliche Drama beobachtet Regisseurin Sonja Heiss („Hotel Very Welcome“) sehr genau. Ihr Drehbuch verzichtet auf große Gesten und ein Übermaß an Ausführungen und Erklärungen. Das Ungesagte ist auch hier aussagekräftiger als endlose Dialoge. Die dunklen Wolken der Psychose werden durch die Leichtigkeit der Erzählung erträglich. Irgendwie wird es schon weitergehen, auch wenn nichts mehr so sein wird wie zuvor. Heiss’ Film ist keine Studie einer psychischen Krankheit, sondern vielmehr eine Geschichte über das Leben mit ihr und eine realistische Schilderung, wie sie in eine heile Welt hinein brechen und alles mit sich reißen kann.
Das schwere Plotpaket tragen die Hauptdarsteller mühelos. Laura Tonke verleiht Hedi eine natürliche Leichtigkeit und gibt auch der Angst und Verwirrung überzeugend Ausdruck. Hans Löw verkörpert einen Bezugspunkt für den Zuschauer. Wie geht man um als Außenstehender mit einer Krankheit, die man nicht verstehen kann? Ein wichtiges Thema verpackt in eine aufgeschlossene filmische Sprache, die dem Zuschauer einen Zugang ermöglicht und den Austausch fördert.
»Hedi Schneider steckt fest«, D 2015, R: Sonja Heiss, D: Laura Tonke, Hans Löw, Melanie Straub
Horrorfilme funktionieren immer dann am besten, wenn ihr phantastischer Schrecken als Metapher für reales Grauen steht. Auch Regisseurin Jennifer Kent macht davon in „Der Babadook“ cleveren Gebrauch. Hier ist es die Situation der alleinerziehenden Mutter Amelia, die ihr zunehmend über den Kopf wächst. Nicht nur, weil der heranwachsende Sohn Samuel ihr Leben bestimmt und es nicht gerade einfach macht, indem er sich zunehmend in Tagträumen verliert. So richtig überfordert ist sie erst, als das grauenerregende Kinderbuch „Der Babadook“ in ihrem Haus auftaucht und ihnen den Schlaf raubt. Darin sucht ein „schwarzer Mann“ die Kinder heim, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Verbrennen hilft nichts, am nächsten Tag liegt es unbeschadet vor der Tür und das Grauen steigert sich ins Unerträgliche.
Kent macht dabei von der nervenzerfetzenden Tonspur regen Gebrauch. Das Design des Popupbuchs in weiß und viel Schwarz überträgt sich auf die Schatten des klaustrophobischen Heims. Leider ist Noah Wiseman als Sohnemann – vor allem in der deutschen Sprachfassung – nicht nur nervig, sondern auch schauspielerisch ein Totalausfall. Dies wird allerdings von der überragenden Essie Davis in der Rolle der Mutter mühelos aufgefangen. Ihr psychischer Zerfall ist auch körperlich sichtbar und man leidet mit ihr. Jennifer Kent, die auch das Drehbuch verfasste, gelang ein faszinierender Mix aus Sozialdrama und Horror, der auf beiden Ebenen glänzend funktioniert.
»Der Babadook«, AUS 2014, R: Jennifer Kent, D: Essie Davis, Noah Wiseman, Daniel Henshall
Die Flimmerzeit im April