Lollapalooza Berlin 12./13.09.15
Text: Klaus | Ressort: Musik, Veranstaltungen | 28. August 2015Nach Ablegern in Südamerika kommt das alternative Musikfestival nun auch nach Europa. 1991 eigentlich als Abschiedstour von Jane’s Addiction von deren Frontmann Perry Farrell organisiert vereinte es unterschiedliche Musiksparten und integrierte auch andere künstlerische Konzepte. Ursprünglich als Wanderzirkus angelegt zog es bis 1997 jählich durch die USA und Kanada. Einen weiteren Versuch startete man 2003, jedoch ohne Fortsetzung im Folgejahr. 2005 schließlich gelang der Neustart mit geändertem weniger kommerziell ausgelegtem Konzept mit festem Standort in Chicago. 2011 fand ein Ableger des Festivals erstmals in Santiago de Chile statt, 2012 folgte Sao Paulo in Brazilien und seit 2014 wird Buenos Aires in Argentinien bespaßt. Und nun ist es soweit: die alte Welt wird in Angriff genommen, um den Einheimischen endlich mal ein bisschen gepflegte Unterhaltung zukommen zu lassen. Getreu dem Motto: First we take Manhattan, then we take Berlin. Naja fast. Der Vergleich zum Berlinfestival, das bis vor zwei Jahren an selber Stelle am/im Flughafen Tempelhof stattfand, drängt sich natürlich auf, aber wir werden es einfach mal auf uns zukommen lassen. Die Bühnenanordnung variiert leicht. Die Hauptbühne rückt komplett ins Freie während die kleineren Bühnen es sich in den, durch riesige Rolltore verschließbaren, Hangars bequem machen. Insgesamt vier Bühnen und mit dem Kidzapalooza auch noch ein Areal mit Unterhaltungsangeboten für die kleinsten Hipster. Außerdem noch Fashionpalooza für den letzten Schrei, den grünen Kiez für nachhaltige bzw. sozial engagierte Unternehmen und Aktionen und einen hauseigenen Rummelplatz.
Etwas eigenartig ist für gestandene Festivalbesucher, die an das Zelten neben dem Gelände und das Waten durch den Schlamm oder an Grashalme zwischen den Zehen gewöhnt sind, dass die komplette Veranstaltung auf der Betonplatte des Vorfeldes stattfindet und es keinen Campingplatz daneben gibt. War am Anfang beim Berlinfestival auch komisch, dafür lernt man in kürzester Zeit den Luxus von gefliesten Bädern und Betten, mit Matratzen, wie Zuhause, zu schätzen. Beim zweiten Mal wars dann schon fast selbstverständlich. Stadtfestival eben.
Doch kommen wir zu den musikalischen Highlights. Offensichtlich hat beim Veranstalter jemand vom Unterhaltungswert des Orchestre Miniature in The Park gehört und die weil sie mit Kinderinstrumenten arbeiten ins Kinderland gesteckt. Ein Fehler – einen besseren Opener für die Hauptbühne bzw. die Fläche davor könnte man nicht finden. Mitreißende Lieder über Sommer und Sonne, bei denen das Kind im Manne und der Frau geweckt wird. Unbezifferbarer Unterhaltungswert des Kollektivs um Klaus Cornfield. Ja richtig, für Insider: Katze und Throw That Beat In The Garbagecan!.
So richtig los geht es dann mit Parquet Courts, Everything Everything, Glass Animals und Ms Mr. Alternative, Indie, Britpop.
Everything Everything
Glass Animals
Ms Mr
Dann dürfen auch schon Joe Goddard, der später auch noch mit Hot Chip zusehen sein wird, und Raf Bundell alias The 2 Bears ran und lassen das Tanzbein zucken.
Mighty Oaks werden den Blick einiger junger Damen, die noch nicht so viel Folk gehört haben verklären. Und dann tritt doch tatsächlich Festivalurvater Perry Farrell auf der nach ihm benannten Bühne auf. Verrückt. Mal sehen ob was Neues kommt oder alte Jane’s Addiction Kracher zum Besten gegeben werden.
So richtig voll dürfte es das erste Mal um Fünf werden wenn Hot Chip funky groovend die beats unter die Leute streuen werden und mit Hits nicht geizen werden.
Im Anschluss kommen unsere Favoriten: FFS also Franz Ferdinand zusammen mit den Sparks. Auf dem Bild natürlich nur Erstere, aber auf das Konzert sind wir nach der erstaunlich gut funktionierenden Platte mächtig gespannt. Soviel Selbstironie hatte man den Glasgowern gar nicht zugetraut. bei den Mael Brüdern bestand da kein Zweifel.
Und dann natürlich Chvrches. Auch Glaswegians, aber auf andere Weise bezaubernd. Vielleicht gibts da ja endlich auch Neues neben den Hits vom Debütalbum.
Bastille
Kurioser Weise batteln sich danach parallel Deichkind und Dog Blood aka Skrillex & Boys Noize. Hätte ich gedacht, das die für die selbe Zielgruppe wären, aber wir werden ja sehen.
Boys Noize noch ohne Skillex
Und zum Abschluss muss man sich zwischen Macklemore, The Libertines und Fatboy Slim entscheiden. Hip Hop, Boheme Brit Pop und Big Beat. Aber vielleicht sortiert sich das Publikum auch einfach der Alterstruktur nach an die drei Bühnen.
Um Elf solls das dann schon gewesen sein. Eine Uhrzeit wo sich der modebewußte Hauptstädter eigentlich noch vor dem Spiegel dreht und über sein Outfit grübelt. Dann wird man ins Nachtleben Berlins entlassen.
Rollfeld
Der Sonntag startet sanft folkrockig mit Conor Oberst’s Begleitband Dawes, gefolgt von Coasts und Pond. Nein nicht die Zonenelektropioniere sondern so junge crazy Leute aus Perth, Australien.
Wolf Alice, mitreißend
Clean Bandit mit dem Heavy Rotation Hit. Danach Oldschool Britpop mit den Stereophonics oder HipHop bei Run The Jewels. Aufatmen bei My Morning Jacket bevor mit Belle & Sebastian das wirkliche Highlight für versonnene Gesichtsentgleisungen bei Fans und Neubekehrten sorgen wird. Das ich das nochmal erleben darf… By the way, auch aus Glasgow.
Da werden die Crystal Fighters diesmal leider den Kürzeren ziehen. Ansonsten Schamanismus gepaart mit knackigen Beats und Federschmuck. Supershow.
Unerklärlich warum Robin Schulz mit 1,5 Hits anderthalb Stunden spielen darf und die Großmeister des Tweepops mit neun Studioalben usw. nur eine. Da bin ich fast ein bisschen beleidigt.
Woanders Headliner hier nur im Mittelfeld platziert die Beatsteaks. Eine Institution und sichere Bank bei der Liveunterhaltung.
Sam Smith kämpft derweil mit Little Dragon um die mittlerweile von Herrm Schulz Geflohenem.
Seeed, siehe Beatsteaks. Spass & Bewegung garantiert. Zum großen Finale treten letztendlich Muse mit Dronenbomaststadionrock gegen den feinsinnigen Breitwandpop von Tame Impala an. Da kann es zwar nur einen Verlierer geben, hoffen wir aber dass die die Hangartore geschlossen sind, um uns in den zarten Strukturen verlieren zu können. An dritter Front Bollert Martin Garrix für Tanzmäuse, denen das Spektakel auf den anderen Bühnen längst egal ist. Bis Elf. Auch anders als auf dem Feld oder einem anderen Flugplatz vor den Toren der Stadt. Anyway, ich werde nicht gut unterhalten auf den Heimweg machen. Kein Schlamm an den Gummistiefeln, kein nasses Zelt, das Zuhause noch auf die Leine muss.
So nicht!
oder so auch nicht…
Eigentlich war Übernachten im Freien schon immer doof.
Tageskarte Samstag: 69€
Tageskarte Sonntag: ausverkauft
2-Tageskarte: 139€
alle Fotos: K. Nauber