„Weil wir uns nicht so viehisch wichtig nehmen“ – SFTU 2018
Text: Jensor | Ressort: Allgemein, Diary, Musik, Veranstaltungen | 1. Juli 2018Es gibt diesen schönen Satz, der niemals an Bedeutung verlieren wird. „Wir sammeln Erinnerungen“, sagte Ralf Burkart schon im letzten Jahr und meinte damit diese drei Tage im Juli, gleich neben dem Alperstedter See in Erfurt. Diesen Satz kann man problemlos auch für die Auflage 2018 des Stoned From The Underground-Festivals stehen lassen.
Es gibt solche Veranstaltungen, die mag man einfach. Wer mich ein wenig kennt, weiß ziemlich genau, wovon ich spreche. Von diesen beseelten Dingen, die stattfinden, weil es da ein paar Leute gibt, die genau diese Dinge wollen. Ja, ich finde schon, dass es in diesem angenehm nicht-eindeutigen, manchmal geradezu nebulösen Bereich von Kunst im allgemeinen und Musik im speziellen überhaupt nicht von Nachteil ist, wenn Dinge um der Dinge willen über die Bühne gehen. Dieses Prinzip der künstlerischen Freiheit. Der Unabhängigkeit – und mithin auch einer gewissen Abgrenzung. Distinktionsgewinn, Baby! Hey, was haben wir uns da mal die Köpfe heiß gequatscht! Was dies mit dem Stoned From The Underground zu tun hat? Nun, weil es da genau darum geht – wenn man mal die ganzen Fremdwörter weglässt selbstredend. Es geht um Eigenheit, Eigenständigkeit, um Freiheit. Auch dazu hatte Ralf bereits im letzten Jahr alles gesagt, als er die ziemlich klassische Weisheit verkündete, dass die Dinge Mist werden, sobald irgendein „Partner“ mit drin hängt und mitreden will. Weiß eigentlich jeder, spricht halt aber kaum noch einer ernsthaft aus. Wegen der „Partner“ und so …
Eyehategod
Singen wir lieber das Hohelied der Kontinuität. Der Freude darüber, dass manche Dinge so bleiben, wie sie sind. Keine Bierwerbung auf der Webseite, beispielsweise. Dafür einmal mehr das Gegenteil musikalischer Engstirnigkeit, vor der ich ja immer ein wenig Angst habe. Aber ehrlich gesagt bin ich darüber in diesem speziellen Fall längst hinweg – spätestens seit dem letzten Jahr, in dem die SFTU-Crew dem manchmal schon ganz schön wertkonservativen Stoner-Publikum schon ordentlich einen vorgesetzt hat. Ich sage nur Zeke. Hehehe. Und dann holen die für dieses Jahr auf der Zielgerade noch so etwas wie Long Distance Calling aus der Hinterhand. Cool. Echt jetzt. Downfall Of Gaia. LeVent. Tschaika 21/16. Orchid. The Devil And The Almighty Blues. EyeHateGod. Um mal ein paar musikalische Rahmenpunkte einzuschlagen. Da wird mir auf keinen Fall langweilig, weiß ich jetzt schon. In diesem schicken Niemandsland aus Doom, aus Black Metal, Punk, Stoner, Blues und Irrsinn. Hatte ich mal erwähnt, dass ich schon gespannt bin wie ein Regenschirm, was uns Blag Dahlia, HeWhoCannotBeNamed, Rex Everything, Fresh Prince Of Darkness und Hunter Down aka The Dwarves so kredenzen werden?
Tschaika 21/16
„Irgendwie ist das, was wir da machen, gelebter Anti-Kapitalismus.“ Ein Statement irgendwo im Niemandsland zwischen Ernst und Spaß. Klar weiß Ralf Burkart, klar weiß die SFTU-Crew, dass man sich den Mechanismen des Geldflusses nicht entziehen kann – aber man kennt durchaus die Idee, sich dem entsprechenden Würgegriff zu entziehen. „Und daran scheitern die meisten“, was wiederum auf den bemerkenswerten Fakt verweist, dass dieses Festival in diesem Jahr seine 18. Auflage erleben wird. Die Feststellung, dass dies erst mal einer nachmachen muss, mit dieser grundlegenden DIY-Einstellung inklusive dem erwähnten Widerstand gegen alle Wachstums-Versuchungen, die hat schon ihre Berechtigung.
Der See
Womit man allerdings auch anfangen kann, den Kern des Stoned From The Underground zu verstehen. Als Familientreff von Gleichgesinnten, die sich wenigstens einmal im Jahr treffen wollen. Exakt davon spricht Ralf Burkart, davon, dass viele der Leute, mit denen und für die man einst 2001 die erste Auflage organisierte, weit übers Land verstreut sind. Und man sich ein gemeinsames Wochenende mit guter Musik spendiert. „So ein Festival gibt einem die Chance, etwas zu spüren. Und auch etwas zu bewegen.“
Ein Spirit, der spürbar abfärbt. Auch auf die Bands – EyeHateGod, die vor zwei Jahren absagen mussten, haben höchstpersönlich angerufen mit dem Verweis darauf, dass da noch eine Sache offen wäre. Und ja, dass sich die Musiker an diesem Wochenende am Alperstedter See sauwohl fühlen, sieht man bei einem kurzen Backstage-Spaziergang auf der Stelle. „Dabei gibt es bei uns keine Extrawürste – wenn jemand mal eine Liste mit irgendwelchen Wodka-Sonderwünschen schicken würde, gibt es eine klare Antwort: Ihr trinkt, was alle anderen auch trinken.“ Und wenn dann noch Unklarheiten bestehen, nun, dann spielt man halt nicht auf dem Festival. Womit man dann schon irgendwie beim Thema „Anti-Kapitalismus“ ist – man muss halt eben nicht auf Teufel komm raus den Zieher-Headliner buchen. Geht auch so, bei dieser bemerkenswert treuen Schar an Leuten, die jedes Jahr wiederkommen … Vielleicht gerade deshalb, weil „wir diese ganze Sache eben auch für uns machen. Weil wir uns bei dieser Gelegenheit, die Bands auf die Bühne stellen, die wir noch nicht gesehen haben. Oder die uns irgendwann irgendwo mal weggeblasen haben. Es ist eben ein Hobby – so, wie andere eine dicke Modelleisenbahn im Keller hegen und pflegen, machen wir eben ein Festival“.
Downfall Of Gaia
Noch etwas ist bemerkenswert: In einem latent übersättigten Festival-Markt versteht sich die SFTU-Crew nicht als Konkurrenz zu irgendwas und irgendwem. Im Gegenteil – Ralf Burkart und Fred Bienert trifft man schon gern mal zu anderen Wochenenden auf den Äckern dieses Landes. Und ersterer freut sich über jeden, der diesen DIY-Spirit weitertransportiert. Nur auf eines muss man eben achten: Don’t Believe the Hype. „Ach, man kann eine Szene auch so lange aussitzen, bis es wieder eine Szene ist“, überlegt er: „Vielleicht liegt diese Langlebigkeit bei uns ja daran, dass wir uns selbst nicht so viehisch wichtig nehmen.“
Das Stoned From The Underground 2018 findet vom 12. bis 14. Juli in Erfurt-Stotternheim direkt am Alperstedter See statt. In Sachen Timetable stehen zumindest die Tagesaufteilungen schon fest: Am Donnerstag spielen u.a. Wucan, The Dwarves, The Picturebooks und Orchid, am Freitag Downfall Of Gaia, Long Distance Calling, Ufomammut und EyeHateGot sowie am Sonnabend Dopethrone, Tschaika 21/16, Nebula und Bongzilla. Alle Infos und Tickets unter www.sftu.de.
Dopethrone
Festivalgelände
Überblick
Yeeeeaaahhhhh!!!!
Fotos: K. Nauber