Identitätswechsel

Text: | Ressort: Film | 21. November 2024

 

In seinen Filmen macht der französische Regisseur Jacques Audiard keine Kompromisse. Immer wieder versucht er einen neuen Ansatz zu finden, inszenierte mit „Sisters Brothers“ etwa einen englischsprachigen Western und porträtierte in „Deephan“ die Lebensrealität einer Migrantenfamilie aus Sri Lanka. Seine kraftvolle Inszenierung zielt dabei voll auf die Emotionen der Zuschauenden ab. Mit Filmen wie „Ein Prophet“ und „Der Geschmack von Rost und Knochen“ gewann er die Herzen der Festivaljurys und die Goldene Palme in Cannes. Mit „Emilia Pérez“ ging er nun erneut ein Risiko ein und inszenierte seinen spanischsprachigen Film auf den Straßen von Mexiko als große Oper.

Seine Heldin, die Anwältin Rita (Zoe Saldaña), hat sich frustriert der Realität ihrer Heimat untergeordnet. Die Kriminalität beherrscht das Leben in Mexiko. Wer einflussreich ist, wird freigesprochen, die Mittellosen leiden. Da tritt der gefürchtete Kartellboss Juan Del Monte (Karla Sofía Gascón) – besser bekannt als Manitas – auf sie zu. Er möchte sich aus seinem Geschäft zurückziehen und für immer verschwinden – und ein Leben als Frau leben, so, wie es schon immer seine Bestimmung gewesen sei.

Gleich zur Eröffnung werden Ritas Leben und ihre Frustration in Form einer schmissigen Song-and-Dance-Nummer dargeboten. Regisseur Audiard und sein Drehbuchautor Thomas Bidegain inszenieren ihre Geschichte konsequent als Musical. Zu Beginn ist das noch irritierend. Wenn aber das vernarbte, von Tattoos übersäte Gesicht Juan Del Montes mit den chromglänzenden Zähnen aus der Dunkelheit auftaucht und Rita mit heiserer Stimme seine Absicht und seine Bedingungen erklärt, wenn diese Stimme dann plötzlich zu singen beginnt und unter der rauen Schale des Gangsterbosses ein sensibles Wesen offenbart, dann sorgt das für eine Gänsehaut, die in den nachfolgenden zwei Stunden nicht mehr weicht.

Der Einsatz der Songs in der weiten, sich über viele Jahre erstreckenden Geschichte, ist organisch und dient dem inneren Monolog. Die Musik hat dabei vielleicht nicht das Ohrwurmpotential der Songs eines Lin-Manuel Miranda („Encanto“). Jacques Audiards „Emilia Pérez“ glänzt dafür mit einer grandiosen Inszenierung, einer mitreißenden Geschichte und fantastischen Darsteller*innen, aus denen neben Transfrau Karla Sofía Gascón und Popstar Selena Gomez, die Manitas Ehefrau überzeugend verkörpert, vor allem Hauptdarstellerin Zoe Saldaña heraussticht. Die US-Schauspielerin mit domenikanischen Wurzeln, kehrt hier nach Blockbusterreihen wie „Star Trek“, „Avatar“ und „Fluch der Karibik“ zu ihren Anfängen als Tänzerin zurück.

Emilia Pérez
F/MEX 2024
R: Jacques Audiard
D: Zoe Saldaña, Karla Sofía Gascón, Selena Gomez
Ab 28.11. im Kino

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