Vertraut und neu: Haldern Pop Festival 2024
Text: Klaus | Ressort: Diary, Musik, Veranstaltungen | 5. Januar 2025
Einmal liebgewonnen und schon zieht es einen jedes Jahr aufs Neue in die Ferne. Man sieht die vertrauten Gesichter vor und auf der Bühne gerne wieder und auch der Musikgeschmack der Gestalter läuft meist synchron zum eigenen Wertekosmos. Willkommen am Stammtisch! So etwas lernt man zu schätzen und unterstützt das gern mit seiner Anwesenheit und gelegentlicher Mundpropaganda, wenn wieder mal jemand von seinen schrecklichen Festivalerlebnissen berichtet und sich generell für zu alt erklärt. Dabei gehen Alt und Jung auch ganz gut zusammen. Vertraute Künstler und neue Talente gehören seit Eh und Jeh zum speziellen Fokus des Festivals. „Das ist doch überall so.“ mag der/die Eine oder Andere einwenden. Doch in Punkto Qualtität spricht die Erfahrung doch für das Fest am Niederrhein.
Das Wetter von schön bis durchwachsen, aber immerhin spätsommerlich mild und nur ein paar wenige Tropfen konnten die gute Stimmung kaum trüben. Ein paar Sonnenstrahlen gab es ja schließlich auch und ein Schlammkaos blieb diesmal aus.
Donnerstag 08.08.2024: Kühe vorm Battenbergturm
Zunächst ein paar leise Töne in der Kirche von Billie Marten. Feinsinniger sanfter Singer-/Songwriter Folk.
St. Georg
Bel Cobain zelebriert einen sanften Soul im Kammermusikformat. Minimalistisch und herzerwärmend.
Blanco White ist mit seinem getragenen Kammerpop hier auch gut aufgehoben. Das Publikum andächtig und still. So dass die Musik emotional die volle Wirkung erzielen kann.
Sturm aufs Festivalgelände
Einen Auftakt nach Maß gibt uns Crème Solaire aus der Schweiz. Quirlig, fiebriger Indiedancepop mit Botschaft.
Yard Act haben einen der undankbaren Nachmittagsslots. Meistern das aber souverän.
Rampensäue nach vorn!
BC Camplight: fein ziselierter Singer-/Songwriterpop
The Silhouettes Project: HipHop im gemischtgeschlechtlichen Rudel
Debby Friday mischte bei hereinbrechender Dunkelheit das Niederrheinzelt ordentlich auf und brachte ordentlich Bewegung ins sonst etwas hüftsteife Publikum.
Großes Orchester, große Gesten, großes Kino.
Faber
Im Niederheinzelt ging die Alternative Party derweil mit UTO weiter.
Da Lola Young absagen musste und Berq ihren Platz auf der Hauptbühne 20.30Uhr übernahm wurde deren Rausschmeißer / Headlinerplatz auf der Hauptbühne vakant und zu unser aller Glück konnten Big Special, die eigentlich am nächsten Tag spielen sollten, als Newcomer nachts die große Bühne rocken. Glück für uns, so hatten wir gleich zwei Möglichkeiten ihre bluesige Rantmelange zu geniesen bzw. dazu abzugehen. Man stelle sich vor die Sleaford Mods hätten kunstvoll gereimte Verse und statt Synthiegeschäpper würden die Black Keys mit Schlagzeug und Gitarre die Untermalung druckvoll gestalten. Eine Offenbarung!
Big Special
Freitag 09.08.2024: Laura Masotto in der Kirche
Der festival- und labeleigene Pop-Shop
Tramhaus leider unerreichbar in der Pop-Bar
Der schottische Songschreiber Jacob Alon mit bedachten Tönen.
Holly Macve
Big Special erwischt auf dem Marktplatz von Haldern
Picture Parlour: schmissiger Indierock oder meinethalben Britpop aus Manchester. Sehr gut.
Spiegelzelt
Mit Anna Ternheim gab es ein Wiedersehen auf der Mainstage. Zumindest wenn man auch 2009 an selber Stelle stand.
Noch so ein gerade etwas gehypter Tipp: Puma Blue
Endlich Devendra Banhart auf dem Haldern! Das hätte schon zu den Hochzeiten des Weirdfolk vor Jahren gepasst. Vortrefflich und grandios.
Und noch ein kleiner Hype: Mary In The Junkyard. und zwar zurecht!
wie man sieht
Chilly Gonzales singt und rappt wieder. Großartig
Ab hier überschlagen sich die Ereignisse und man ist gezwungen sich zwischen Fat Dog im Spiegelzelt und Big Special im Niederrheinzelt (quasi die dritte Bühne auf dem Festivalgelände in einem seitlich offenem Bierzelt) entscheiden.
Ich so: drei Songs Fat Dog, dann Abriss mit Big Special. Alles richtig gemacht …
Und dann auch noch Fontaines DC als Headliner für alle Freunde des Postpunks.
Ebbb
Zum Abschluss im Freien eher traditioneller Folk: The Mary Wallopers. Moritaten, Herzschmerz und Seemannsgarn.
Dave Okumu & The 7 Generations: Jazz zum Tagesausklang. Künstler mit interessanter Vita und riesigem Werkhintergrund.
Samstag 10.08.2024: Hanna Streton
Conchúr White
Publikum
Landidyll
nichtseattle eröffnet die Hauptbühne. Im Gepäck eins der meistgelobten deutschsprachigen Alben des Jahres.
Beeindruckend: Angélica Garcia. Live noch besser als auf Platte, trotz oder auch wegen der Reduktion auf ein Schlagzeug und ein paar Samples als Begleitung.
Just Mustard hatten diesmal den Nachmittags-Zonk, überspielten das aber mit betonter Coolness.
Yard spielten schon mal das Spiegelzelt warm.
Und Chalk ließen es komplett durchdrehen.
Mick Flannery gediegen melancholisch im Singer-Songwriter-Folk und damit dort unterwegs, wofür das Festival hauptsächlich bekannt ist und war.
Michael Wollny (li.) Trio: Jazz aus Leipzig
Susan O’Neill & Stargaze. Nachdem sie letztes Jahr dreimal auftrat da Mick Flannery senen und den gemeinsamen Gig absagen musste ist sie diesmal mit großer Band bzw. dem Stargaze-Orchester zurück. Einmal mehr großes Kino und der Beweis, dass gute Songs solo und mit Band funktionieren.
Noch vor dem Hype: Deadletter
Medizin nach Noten
Zum Schluß noch zwei absolute Höhepunkte auf dem alten Reitplatz. Erst Villagers und dann noch King Hannah. Als hätte ich es mir so wünschen dürfen …
Conor O’Brien zum fünften mal in Haldern. Der Stammgast durfte seine Karriere vom Anfang an verfolgen. Erst Spiegelzelt, dann Hauptbühne und wieder zurück usw. 2010, 2013, 2015, 2018, 2024.
King Hannah. 2022 im Zelt jetzt gediegen, bedächtig, melancholisch die Nacht erwärmend.
Hannah Merrick
Abschied im Glück und mit der festen Gewissheit 2025 hier wieder Nichts verpassen zu dürfen.
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Bilder: K. Nauber