Kneecap: Sprache als Waffe
Text: Redaktion | Ressort: Film | 24. Januar 2025Das Rap-Trio „Kneecap“ rettet die irische Sprache und beweist dabei enorme schauspielerische Qualitäten.

Hip Hop ist das Sprachrohr der Unterdrückten. Für Liam Óg Ó hAnnaidh und Naoise Ó Cairealláin ist es also nur naheliegend, ihre Texte in der nordirischen Landessprache zu verfassen. Schließlich ist Gälisch eine Waffe in den Augen der irischen Republikaner, die ein geeintes Irland und den Abzug der Briten fordern. Als sie gemeinsam mit dem Lehrer J.J. Ó Dochartaigh die Formation Kneecap gründen, sind sie noch Teenager, aufgewachsen mit dem Konflikt, der die Geschichte ihrer Heimat prägt.
Sie zogen los, um ihre eigene Geschichte zu schreiben. Die erste Single „C.E.A.R.T.A.“ (Irisch für „Recht“) wurde 2017 zu einem Überraschungserfolg und vom irischen Radio wegen Drogenreferenzen und Schimpfwörtern verbannt. Kneecap veröffentlichten ihr erstes Album „3CAG“ („trí chonsan agus guta“ – drei Konsonanten und ein Vokal – steht für MDMA). Es dokumentiert ihr Leben zwischen dem Dealen von Drogen, feiern und dem Kampf gegen die Unterdrückung durch britische Polizeikräfte. Das kam bei Fans – von ihnen „Fenians“ getauft, einem Begriff für die Kämpfer der IRA – und Ordnungshütern unterschiedlich an, konnte den Erfolg aber nicht stoppen.
Seitdem sind einige Jahre ins Land gegangen. Kneecap füllen mittlerweile große Hallen, veröffentlichten Singles mit Grian Chatten (Fontaines DC) und Radie Peat von Lankum. Im vergangenen Jahr erschien ihr zweites Album „Fine Art“ und parallel dazu ein Film, der jetzt in unsere Kinos kommt. Allerdings ist „Kneecap“ weder Konzertdoku noch Bandbio. Der Film, den die Drei gemeinsam mit Regisseur und Autor Rich Peppiat drehten, erzählt ihre Geschichte frei, ungebremst und herrlich überhöht und macht dabei unbändigen Spaß, auch wenn man noch nie etwas von der Band gehört haben sollte.
Liam und Naoise leben als Geezer auf den Straßen von Belfast, verticken Drogen und geraten damit ständig in Konflikt mit den Cops. Als Liam festgenommen wird, weigert er sich, englisch zu sprechen. Also wird der Irischlehrer J.J. Ó Dochartaigh hinzugezogen, um zu übersetzen. Als er Liams Notizbuch in die Hände bekommt, solidarisiert er sich mit ihm. Auf den Seiten hat Liam seinen Alltag in pointierten Texten auf Gälisch dokumentiert. J.J. baut dazu Beats und Kneecap – eine Anspielung auf die nordirische Tradition des Kneecapping, dem zertrümmern der Kniescheiben von politischen Gegnern – sind geboren.
Der Plot malt die Geschichte kräftig aus, fokussiert auf Naoises Verhältnis zu seinem Vater, einer Führungsfigur der IRA, (gespielt von Michael Fassbender) aber auch auf das Leid der Frauen in dem Konflikt. Bei allem Spaß ist es „Kneecap“ ziemlich ernst. Ihr Film ist ein flammendes Plädoyer für die Freiheit Nordirlands, zeigt aber auch wie die Sprache die geteilten Lager der Protestanten und Katholiken vereinen kann. In der Filmgeschichte wird sie sonst ausschließlich im historischen Kontext verwendet. Hier darf sie leben.
Wie gut das funktioniert ist ebenso bemerkenswert wie die schauspielerischen Qualitäten: Mo Chara, Móglaí Bap and DJ Próvaí spielen ihre eigene Geschichte und das mitreißend überzeugend. Referenzen an „Trainspotting“ und „8 Mile“ sind offensichtlich. „Kneecap“ findet aber seine ganz eigenen Qualitäten für einen waschechten Kultfilm.
Regie: Rich Peppiatt
Mit: Liam Óg Ó hAnnaidh, Naoise Ó Cairealláin, J.J. Ó Dochartaigh
Atlas Film, 105 Minuten
ab dem 23.1. im Kino