Don Lennon – Urbane Abenteuer

Text: | Ressort: Musik, Thema | 22. November 2002

Don Lennon macht sich keine Platte. Auf seinem dritten Album „Downtown“ läuft er lyrischen Amok unter dem flimmernden Neonlicht im nächtlichen Zentrum seiner Heimatstadt Boston. Seine pointierten Wortsalven treffen vor allem die Boston Music Scene, die Dave Matthews Band, John Cale, Lenny Kravitz, Bongwater, die unhöflichen ausländischen Austauschstudenten, The Mekons und das schwule Nachtleben. Und ein ganz und gar unsympathischer Zeitgenosse ist wohl der, der nach einem Treffer dieses stänkerenden Don Lennon nicht wieder aufsteht und über seine harmlosen Wunden lacht.

Für Don Lennon möchte man die Kategorie des „Urban Adventurers“ neu erfinden. Es gibt sie natürlich zu Hauf, diese Menschen, die unsere Welt aus Stahl und Beton und selbst die dazwischen wimmelnden Menschen transzendieren, und das alles ganz anders reflektieren als wir das tun würden, wir mit dem vermeintlich gesunden Menschenverstand. Aber ganz genau, dem traditionellen Typen des urbanen Abenteurers möchte man nicht im Dunkeln begegnen. Jack the Ripper, Hannibal Lecter und auch ein Patrick Bateman gehören dazu, hinter ihren biederen Masken der Rationalität. Hinter den moralischen Schocks, die solche Namen induzieren, wird dann häufig verdrängt, dass eben auch der Geschichtenerzähler die Welt mit anderen Augen sehen muss. Er muss die Details erblicken, die uns zu schnell entgehen, und er muss in ihnen auch ihre Legende erkennen. Was ist das Beredenswerte an einem Lenny Kravitz, der im Regen steht, neun Fuß hoch und zweidimensional auf einer Plakatwand seine „Greatest Hits“ bewirbt? Don Lennon weiß es. Er durchwirkt auch die Wahrnehmung der Dave Matthews Band mit seiner persönlichen Vita, und wenn er denn bestimmt nicht wirklich um Verständnis für dieses Ensemble heischen will, so spinnt er doch auf „Downtown“ gleich zwei, drei großartige Anekdoten aus diesen zuvor lose hängenden Fäden. Und auch die Indizienkette, die Lennon zwischen dem Kopfstand einer Heilandsstatue vor einer Kirche und den Konzertereignissen der vorangegangenen Nacht zieht, ist denn einfach nur phänomenal. Es bedarf nicht mehr als eines furztrockenen: „ … I guess the Mekons were in town.“

„Downtown“ ist – nach „Maniac“ (1997) und „Don Lennon“ (1999) – das dritte Album des Bostoner Songwriters. Und ähnlich weit, wie er sich lyrisch aus dem Fenster lehnt, ist denn auch der Radius der möglichen musikalischen Referenzen für dieses Album geworden. Da darf man sich eben nicht von dem uptempo „Gay Fun“ (auf der CD-Beilage der limitierten Auflage) fehlleiten lassen und Don Lennon zu schnell in den The Smiths-Gedächtnishimmel loben. Aber loben darf man ihn. Nach mehrmaligen Hören von „Downtown“. Die Vielfalt, die er meistert, ist ja zunächst einmal atemberaubend. Und schließlich ist es dann wohl völlig okay, wenn man neben Morrissey gern auch noch Jonathan Richman und David Byrne unterstellt. Referenzen sind ja auch nicht mehr und minder als ein Beleg dafür, dass man die Songs eines Künstlers irgendwohin transzendiert hat. In diesem Falle scheint es mal recht angemessen. Und Lennon dürfte das nun wirklich nicht missfallen.


Der Artikel erschien im Herbst 2002 in Persona Non Grata # 56. Ein paar letzte Exemplare des in ein limitiertes Boxset eingerollten (!!) Heftes (mit 70minütiger CD-Beilage der Labels Secretly Canadian und Jagjaguwar) können für je 6,00 Euro erworben werden. Anfragen bitte an: abo@png-online.de

www.donlennon.com

www.myspace.com/donlennon

p.s.  Don Lennon und Secretly Canadian trennten sich bald nach dem Release dieses Albums.  Das Album ist sogar aus der Diskographie/dem Backkatalog des Labels gestrichen.

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