Dead Raven Choir – My Firstborn Will Surely Be Blind

Text: | Ressort: Musik | 10. März 2008

Lug und Trug hinter den grimmen und schrecklichen Nebeln osteuropäischer Folklore, die um das Krakauer Black Metal Projekt Dead Raven Choir aufwallen: alte Fotos ausgemergelter Leiber, von Männern, die sich tiefer, immer tiefer unter die Erde graben, dorthin, wo es längst kein Licht mehr gibt und Unvorstellbares die Finsternis durchspukt. Alte Fotos von Bauernweibern, mit lebenslangen Schwielen an den Händen, die ihre Köpfe unter zerfressenen Hauben zusammenstecken und von Unholden tratschen, von riesigen, brutalen Gesellen, von denen sie sich nicht trauen, den Kindern zu erzählen, die sie doch sonst so gerne verschrecken, mit ihren finsteren Geschichten. Alte Fotos von Kindern, für die all diese Dunkelheit gesponnen ist, von den alten Hexen, von den gebrochenen Männern, die großen, ängstlichen Augen der Kinder, in deren Herzen sich der Terror einnistet, wartet und brütet, um auch in der nächsten Generation sich fortzupflanzen. Das alles ist mit „My Firstborn Will Surely Be Blind“, dem aktuellen Album des Dead Raven Choir, so selbstverständlich, so manipulierend als Kulisse aufgezogen, und so dezidiert kokettiert Smolken (Wolfmangler, Garlic Yarg), der für Dead Raven Choir schon 1996 (im texanischen Exil) seine Seele verhökerte, mit perfidesten Sounds zwischen Funeral Folk und Black Metal, dass man sich nicht wirklich wagt, ihm eine andere Inspiration zu unterstellen, als das unablässige Nagen nimmersatter Dämonen an seiner bereits hässlich ramponierten Seele. Und es ist und bleibt Furcht, die gerinnt aus mit Angst erzogenen Herzen, gerinnt zu Garn, mit dem sich diese gräulichen Loren stricken, verdampft zu Nebeln, in denen sich Monster verstecken können und doch, behangen mit kaum ergründlichen Schleiern, viel, viel größer wirken als sie eigentlich sind. Doch tatsächlich, bei Dead Raven Choir, entwickelt sich auch mitten in diesen so außerordentlich täuschenden Sphären – dieses Album setzt in die vordergründig bedienten Genres einen echten Meilenstein – ein Drama, das man immer noch nicht glauben mag, selbst wenn man sich endlich weit genug hinein gewagt hat in diese Inszenierung, und Smolken, mit nacktem Oberkörper, Songs unter dem Bogen seines Cellos zerstören hört, deren frei gebrochenes Feuer den beschworenen Kontext verschlingt. Es ist nicht osteuropäische Folklore, keine vermeintlich exotische musikalische Tradition, die als Lebensader durch den tückischen Lärm pulsiert, es sind vor allem große amerikanische Folksongs – Leonard Cohen, Richard Thompson, Townes van Zandt – denen Smolken in dieser Heimlichkeit die Seele ausreißt, sie flackern und dann hemmungslos erkalten lässt. Ich möchte beinahe festhalten, dass „My First Will Surely Be Blind“ das Black Metal Album des letzten und des aktuellen Jahres ist, aber wirklich nur beinahe – denn Smolken macht sicher noch zwei, drei weitere, die es abzuwarten gilt. (Aurora Borealis)

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