.. bis dass der Tod euch scheidet – Die Familie im Horrorfilm.
Text: Donis | Ressort: Film, Thema | 31. Juli 2008Artwork (Auszug) von Loïg
Im modernen Horrorfilm werden seit jeher sehr innig die Schrecken verarbeitet, welche sich mit dem Vertrauten des Alltags maskieren. Als Beispiel sei hier die Zerstörung der Familie durch die Archetypen des Grauens und die Stilisierung der Mutter oder des Vaters zur Bedrohung aufgeführt. Bspw. tritt uns das beängstigende Bild der Mutter in „Psycho“ entgegen, wo in der gespaltenen Persönlichkeit des Norman Bates die imaginierte Mutter die Herrschaft übernimmt, sobald der Sohn erotische Gedanken hegt. Auch in „Carrie“ nimmt der Muttermord eine zentrale Stellung ein. Die fanatisch religiöse Mutter reagiert hier auf die Menstruationsprobleme ihrer Tochter nicht mit Verständnis, sondern bekämpft die erwachende Sexualität als Äußerung des Bösen. In dem ein Jahr vor „Psycho“ entstandenen „Peeping Tom“ ist es der übermächtige Vater, dessen Einfluss in dem stillen, aber mörderischen Sohn weiterlebt. In der Regel erscheinen jedoch die Mütter in der bedrohlichen Rolle: direkt wie in „Muttertag“, wo eine Frau ihre Söhne zu bestialischen Morden treibt, oder in „Freitag, der 13.“, wo der Unfalltod eines Jungen von der Mutter am jugendlichen Personal gerächt wird; indirekt wie in „Alien“, wo der Zentralcomputer den Namen „Mutter“ trägt oder wie in Stephen Kings Roman „Sie“, indem das Verhältnis des gemarterten Helden zu seiner Peinigerin, einer Krankenschwester, die Züge einer Mutter-Kind-Beziehung trägt. (frei nach Hans D. Baumann „Horror-Die Lust am Grauen“ Beltz 1989)
Sehr oft magnetisieren sich die Termina Familie und Grauen über den Einzug in diverse Spukhäuser. Dort wird die bürgerlich eingeschriebene Geborgenheit dieses gesellschaftlichen Konstrukts desöfteren auf harte Proben gestellt. Eine weitere Vorzugsvariante bietet die durch einen weirden Slasher vorgenommene Tyrannei einer vorbildhaften Familienidylle. Hier greifen die Mechanismen des Horrorfilms in der Regel am Bildhaftesten. So ist es , wie bspw. großartig in Wes Cravens „Hügel der blutigen Augen“ geschildert, dann auch möglich, überkommene Familien-Hierarchien zu kritisieren bzw. das allgemeine Bild von Familienzusammengehörigkeit in Sachen Verteidigung der Heimstätte etc. zu belichten oder zu konterkarieren.
Eine weitere Varietät besteht dann, wenn historische Vorgeschichten die Protagonisten regelrecht narkotisieren. So bricht die Familie in Giovinazzos „Combat Shock“ wegen der Erlebnisse des Vaters in den Wehen des Vietnam-Krieges auf äußerst drastische Art und Weise auseinander.
In Cammels „Des Teufels Saat“ versucht wiederum, mittels typischem 70’er Technisierungs-Pessimismus, ein Computer die Rolle des Familienoberhauptes zu übernehmen. Zugegeben, bis heute eine besonders unheilvolle Vision, welche aber mittlerweile von der Realität längst eingeholt wurde.
Allerdings kann die Familie im Zusammenwirken auch das Fundament des Grauens in Personalunion von sich aus stellen. Rob Zombies Familie Firefly oder Tobe Hoopers Saw-Family gehören hier zu den eindrucksvollsten Aspiranten.
Das Storyboard-Pool der Familie mit all seinen Verzweigungen dürfte somit dem Horrorgenre noch für eine lange Zeit zu Gute kommen. Zu doppelbödig geben sich die hier vorgefundenen Verwachsungen in der Realität. Grundtenor des Horrorfilms bleibt nun einmal die von außen oder innen vollführte Zerstörung anfangs unkaputtbar scheinender Idyllen, von denen die Familie zu den umzäuntesten Selbigen gehört. Wer sagt schließlich schon, dass ein natürlicher Tod Zusammengeführtes scheiden muss?
Hier eine unvollständige Auswahl zum Themenkreis Horror und Familie:
Acacia (Südkorea/2003) Regie: Park Ki-Hyung – adoptierter und später vermisster Sohn wird zum Auslöser der Totalzersplitterung einer Familie
Amityville Horror (USA/1979) R: Stuart Rosenberg – Spukhaus fördert Gewaltbereitschaft in der Familie Lutz
Amityville II-Der Besessene (USA/1982) R: Damiano Damiani – noch drastischerer Sinneswandel wie im Vorgänger
Amok (GB/1976) R: Pete Walker – Bewusstseinsspaltung vs. Familie
The Boogey Man (USA/1982) R: Ulli Lommel – wiedergeborener Slasher malträtiert Familie
Die Brut (Kanada/1979) R: David Cronenberg – Mutter mit telepathisch vernetzten Monsterkindern
Bullies (USA/1985) R: Paul Lynch – Stadtfamilie von Backwood-Bewohnern terrorisiert
Carrie-Die jüngste Tochter des Satans (USA/1976) R: Brian de Palma – siehe oben
Cathy’s Curse (Frankreich/Kanada/1976) R: Eddy Matalon – Tochter der Familie Gimble von bösem Geist besessen
Chiller-Kalt wie Eis (USA/1985) R: Wes Craven – tiefgekühlter Sohn macht bei Rückführung in die Familie Schwierigkeiten
Chucky-Die Mörderpuppe (USA/1988) R: Tom Holland – in eine Puppe eingefahrener Mörder bedroht Mutter-Kind-Beziehung; in zwei Fortsetzungen weitergeführt
Combat Shock (USA/1986) R: Buddy Giovinazzo – siehe oben
Cry Of The Werewolf (USA/1944) R: Henry Levin – Werwolf-Familie
Cujo (USA/1983) R: Lewis Teague – Mutter beschützt Sohn vor tollwütigem Bernhardiner
The Curse (USA/1987) R: David Keith – Meteorit fördert Gewaltbereitschaft einer Familie
Daddy’s Girl (USA/1996) R: Martin Kitrosser – mörderische Tochter mit Vaterkomplex
The Dark (USA/2005) R: John Fawcett – unerklärliche Ereignisse gefährden Familienidyll
Dark Paradise (USA/1987) R: John Hough – degenerierte Familie drangsaliert Insel-Urlauber
Darkroom (USA/1989) R: Terrence O’Hara – Familie vs. Axt-Schwinger
Dark Society (USA/1989) R: Brian Yuzna – festgeschriebene Familienhierarchie entpuppt sich als überirdischer Sündenpfuhl
Dark Water (Japan/2002) R: Hideo Nakata – Mutter schützt Kind vor „geisterhaften Wasserschäden“
Death Valley (USA/1982) R: Dick Richards – Schlitzer verfolgt Familie in Urlaub
Dementia 13 (USA/1963) R: Francis Ford Coppola – Familie auf Schloss von Slasher bedroht
Des Teufels Saat (USA/1976) R: Donald Cammell – siehe oben
The Destructor (USA/1987) R: Paul Leder – geistig Verwirrter sucht Familie heim
The Devil’s Rejects (USA/2005) R: Rob Zombie – siehe oben
Diabolisch (GB/1971) R: James Kelly – teuflischer Sohn
Distant Cousins (USA/1992) R: Andrew Lane – Psycho-Familie
Dreizehn Stufen zum Terror (USA/1980) R: George Edwards – Vater in Rollstuhl terrorisiert Tochter
Echoes-Stimmen aus der Zwischenwelt (USA/1999) R: David Koepp – Familienvater wird von Dämonen geplagt
Das Engelsgesicht-Drei Nächte des Grauens (USA/1982) R: Philippe Mora – Sohn gerät in blutrünstige Mordserie
Der Exorzist (USA/1973) R: William Friedkin – Dämon fährt in Tochter
Exte-Hair Extensions (Japan/2007) R: Sion Sono – Mutter schützt Kind vor dämonischer Haar-Üeberproduktion
Fido (Kanada/2006) R: Andrew Currie – historifiziertes Familienidyll mit Zombie-Haustierhaltung
Freitag, der 13. (USA/1979) R: Sean S. Cunningham – siehe oben
Friedhof der Kuscheltiere (USA/1989) R: Mary Lambert – Familie vs. Zombie-Friedhof
Frightmare (GB/1974) R: Pete Walker – weirdeste Familienverhältnisse
Funny Games (Österreich/1997) R: Michael Haneke – besonders drastische Zerpflückung von Familienverhältnissen durch zwei jugendliche Überdrüssige
Gefangene der Bestien (USA/1980) R: Robert Collins – Familie vs. Großwild
The Girl Next Door (Jack-Ketchum’s-Evil) (USA/2007) R: Gregory Wilson – alleinerziehende Mutter im Gewaltrausch, extrem bedrückend
Grandmother’s House (USA/1989) R: Peter Rader – Vollwaisen bei Psycho-Großeltern
Grotesk-Der Kampf ums Überleben (USA/1987) R: Joe Tornatore – Familie von Jugendgang tyrannisiert
Gruesome Twosome (USA/1967) R: Herschell Gordon Lewis – Killendes Mutter-Sohn-Duo
The Hamiltons (USA/2006) R: The Butcher Brothers – Familie stillt Blutdurst
Die Hand an der Wiege (USA/1991) R: Curtis Hanson – psychopathischer Fremdkörper in familiärem Idyll
Das Haus an der Friedhofsmauer (Italien/1981) R: Lucio Fulci – Familie beherbergt unwissend mordlüsternen Zombie
Das Haus der lebenden Leichen (USA/1979) R: Joseph Ellison – psychopathische Mutter-Sohn-Beziehung
Das Haus der lebenden Toten (USA/1991) R: Robert Mandel – Familie in Spukhaus
Das Haus der 1000 Leichen (USA/2003) R: Rob Zombie – siehe oben
Haus des Bösen (USA/1972) R: Steven Spielberg – Familie in Geisterhaus
Hell’s Resident (Spanien/2006) R: Jaume Balaguero – Jungfamilie versus degenerierte „Maklerin“
Holy Terror (USA/1976) R: Alfred Sole – böses Kind manipuliert Familienidyll
Home Sweet Home (Hongkong/2005) R: Soi Cheang – Mutter beschützt Kind vor Geisterwohnung
Horror House II (Italien/1990) R: Clyde Anderson – Geistlichen-Familie in Spukhaus
Hotel zur Hölle (USA/1979) R: Kevin Connor – Motel-Familie verarbeitet Pannenopfer zu Rauchfleisch
House (USA/1986) R: Steve Miner – Jungfamilie in Spukhaus
Hügel der blutigen Augen (USA/1977) R: Wes Craven – siehe oben
Im Blutrausch des Satans (Italien/1971) R: Mario Bava – Filmschluss enthält drastische Umfunktionierung der familiären Bedrohungsverhältnisse
Invasion vom Mars (USA/1986) R: Tobe Hooper – Familie vs. Aliens
Ju On-The Grudge (Japan/2003) R: Takashi Shimizu – horrible Familienvorgeschichte bestimmt nachfolgende geisterhafte Ereignisse
Kap der Angst (USA/1991) R: Martin Scorsese – Racheengel De Niro würfelt intakte Familie durcheinander
Das Kindermädchen (USA/1989) R: William Friedkin – geisterhafter Fremdkörper in familiärem Idyll
Kiss Daddy Goodbye (USA/1981) R: John Cedar – wiedererweckter Horror-Daddy
Landhaus der toten Seelen (USA/1976) R: Dan Curtis – Familie in Spukhaus
The Last House On The Left (USA/1972) R: Wes Craven – Eltern eines Vergewaltigungsopfers üben Rache
Lunchmeat (USA/1987) R: Kirk Alex – Kannibalen-Familie beliefert Fast Food-Kette
Das Mädchen am Ende der Straße (USA/Kanada/1976) R: Nicolas Gessner – 13-Jährige mit Phantom-Vater verteidigt sich gegen Sittenstrolch
Der Mann mit dem Katzenkäfig (USA/1969) R: Mark Robson – rachelüsterner Psychopath bedroht Familie
Meine teuflischen Nachbarn USA/1989 R: Joe Dante – merkwürdige Familie in US-Vorort
Die Meute (USA/1977) R: Robert Clouse – Familien vs. tollwütige Hunde
Muttertag (USA/1980) R: Charles Kaufman – siehe oben
Das Omen (USA/1975) R: Richard Donner – Familie vs. Antichrist
The Phone (Hongkong/2003) R: Ahn Byeong-Ki – Mutter beschützt Kind vor Handy-Dämon
Poltergeist (USA/1982) R: Tobe Hooper – Geister bedrohen US-Durchnittsfamilie; zwei ähnlich gelagerte Fortsetzungen
Prey (Südafrika/USA/2007) R: Darrell Roodt – Familie vs. Raubkatzen
Psycho (USA/1960) R: Alfred Hitchcock – siehe oben, weitere drei Fortsetzungen
Psychock (USA/1980) R: Denny Harris – strange Familie in Strandhaus
Das Ritual (USA/1986) R: John Schlesinger – Teufelssekte bedroht Familie
Rosemaries Baby (USA/1968) R: Roman Polanski – Teufelssekte bedroht Jungfamilie
Sado-Stoß das Tor zur Hölle auf (Italien/1980) R: Joe D’Amato – Mutter unterstützt mörderische Liebeskrankheit des Sohnes
Satan’s Bed-Das Todesbett (Hongkong/1986) R: Bam Bang Subana – Asia-„Poltergeist“-RipOff
Satanic-Ausgeburt der Hölle (USA/Niederlande/1987) R: Robert Martin Carroll – Backwood-Familie entführt Kind
Schmelztiegel des Grauens (GB/USA/1969) R: Viktor Ritelis – reinkarnierter, sadistischer Vater kehrt in Familie zurück
Schönen Muttertag-Dein George (USA/1973) R: Darren McGavin – Adoptivkind auf blutiger Suche nach leiblicher Mutter
7 Days To Live (D/Tschechien/USA/2000) R: Sebastian Niemann – Familie in Spukhaus
Shining (GB/1979) R: Stanley Kubrick – Familie vereinsamt folgenschwer in eingeschneitem Hotel
Silent Hill (Frankreich/Japan/USA/2006) R: Christophe Gans – Mutter versucht, Kind vor Dämonen zu schützen
Spur in den Tod II (USA/1987) R: Joseph Ruben – Psychopath schleicht sich in Familie ein
Stepfather II (USA/1989) R: Jeff Burr – Psychopath schleicht sich in Familie ein
Stimmen (GB/1973) R: Kevin Billington – Eltern vernehmen Geisterstimme des verstorbenen Sohnes
Strays-Blutige Krallen (USA/1991) R: John McPherson – Jungfamilie vs. verwilderte Katzen
Sublime (USA/2007) R: Tony Krantz – Familienvater erlebt Parallelwelt
Terror-Augen (USA/1980) R: James Polakof – Familie in Strandhaus von Dämon heimgesucht
Texas Chainsaw Massacre (USA/1974) R: Tobe Hooper – siehe oben, etliche Fortsetzungen und Remakes
Timber Falls (USA/2007) R: Tony Giglio – Familiengründung nach Backwoods-Art
Die Todesfarm (USA/1986) R: Fred Olen Ray/Donn Davison – Gangster terrorisieren Familie
Troll (USA/1985) R: John Carl Buechler – Jungfamilie bezieht Haus mit Tor zu Fabelwelt
Twice Dead-Weder tot noch lebendig (USA/1988) R: Bert Dragin – Familie wehrt sich in Spukhaus gegen Jugendgang
Unhinged (USA/1982) R: Don Gronquist – Unfallopfer in den Fängen von Weirdo-Familie
Vatertag (USA/1992) R: Guy Magar – Psychopath schleicht sich in Familie ein
Die Verfluchten (USA/1960) R: Roger Corman – der Fall der Familie Usher
The Visitors-Besucher im Haus (Schweden/1988) R: Joakim Ersgard – Poltergeister bedrohen Familie
Der Voodoo-Fluch (USA/1986) R: Richard Friedman – Familie leidet unter Fluch eines ehemaligen Sklavenhändlers
Die Vorahnung (USA/2007) R: Mennan Yapo – überirdische Gabe bringt Familienleben in Unordnung
Das Waisenhaus (Mexiko/Spanien/2007) R: Juan Antonio Bayona – Familie in Geisterhaus
Weiblich, ledig, jung sucht… (USA/1992) R: Barbet Schroeder – psychopathischer Fremdkörper in familiärem Idyll
Wenn die Gondeln Trauer tragen (GB/1973) R: Nicholas Roeg – Inkarnationsthriller in Familie der anderen Art
Wer Gewalt sät (GB/1971) R: Sam Peckinpah – Stadtfamilie in verschworener Dorfgemeinschaft
West Coast Horror (Australien/1987) R: Karl Zwicky – Makler in den Fängen von degenerierter Familie
Die Wiege des Bösen (USA/1974) R: Larry Cohen – Familie mit Monsterkind, zwei Fortsetzungen
Wiegenlied des Grauens (USA/1982) R: Richard Lang – Familie in geisterhaftem Landhaus
Wrong Turn (USA/2003) R: Rob Schmidt – besonders degenerierte Backwood-Familie, eine Fortsetzung