The Donkeys – Living On The Other Side
Text: Joerg | Ressort: Musik | 9. August 2008Rückzugs- und Abgrenzungsphantasien: Es havariert erneut ein Jugendbewegungstanker, auch von Meuterei ist die Rede, diesmal direkt vor der Küste Kaliforniens, die einen retten sich zur nächstgelegenen Bucht und verfallen ob der enormem Rumvorräte der Trunksucht, bauen Surfbretter und exportieren Biocomputer, andere wiederum gründen auf einer vorgelagerten Insel die Cannabis-Kommune „Pat Thomas“ und schießen auf alle die sich ihren Dunstkreis nähern mit Pfeil und Bogen. Das Schiff selbst bleibt in den Händen professioneller Hochsee-Punks usw.
Ich hatte Jeffrey Lewis ja angefleht, bitte mach als nächstes eine neue Version von „John Wesley Harding“, wer bitte soll es sonst tun. Offenbar hat er nicht auf mich gehört, es gab Verständnisschwierigkeiten, bzw. entschied er sich stattdessen für die nächstplausiblere Lösung, nämlich ein Punk-Cover-Album (mit Songs der Gruppe Crass) zu machen. Und weil Lewis den Harding-Ball, sprich die sparsame Instrumentierung, marginale Songstruktur und supersauber, aufgeräumte Klanggestaltung des Ur-Country-Rock-Werks von Dylan, ungespielt liegen ließ, wird diese wunderschöne Flanke stattdessen von der West-Küste (San Francisco) herüber geschlagen. Womit ich die Donkeys keinesfalls in eine Schublade mit dem überaus straight politisch agierenden Lewis stecken will.
Andererseits gibt es natürlich Berührungspunkte, dort wo es um Widerstand durch Soundästhetik, sowie die Frage geht, wo eigentlich die Unterschiede zwischen Folk und Antifolk liegen. Pete Seeger und Bob Dylan, dazwischen lagen ja einmal ganze Weltanschauungen, die dann zum Beispiel Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger wieder aufbrachen, wo Fragen gestellt wurden wie: Clash oder Crass?
Dazwischen natürlich auch immer Leute, die diese Fragen gar nicht stellten, die der Popmusik diese Gesinnungsverfettung, dieses Geschmacksfeintuning, gar nicht zumuten wollten, oder diejenigen die die Frage längst andersherum stellten, also, ob Agitp®op das überhaupt alles leisten könnte, was man sich da hinein projizierte. Letztlich muss man Dylan gratulieren dafür, dass er es verstand jegliche Erwartungshaltung (die teils ja schon in Heiligenverehrung überging – ja, stimmt, der Kampf geht sogar bis heute weiter, gerüchteweise glaubt ja Dylan zeitweise selbst was Greil Marcus schreibt) immer aufs Neue zu enttäuschen.
Aber zu den Donkeys. Das Album beginnt so, wie man sich das oben Angedeutete vorstellt, d.h. Folk-Dionysosse zeigen den Hardcore-Politrockern wo der Hammer hängt. Ausschweifung, Travestie, Suff, alle Arten Todesverachtung sind immerhin starke Ingridenzien, die lassen selbst klassenkampferprobte Recken gerne mal die Fahne strecken und in den Surfurlaub fahren. Und die Kampfanzüge sind hier tatsächlich sowas von ausgezogen und umgekrempelt, dass Bands wie Green On Red, das Dream Syndicate oder Pavement im Nachhinein als ungestüme Barrikadenkletterer erscheinen. Trotzdem, „viva la vida“ meint etwas anderes. Dies ist keine lebensverherrlichende Partymusik, sondern eher die leichtbierherbe, bzw. rotweinsüsse, völlig supersoundentrümpelte Laidbackversion der Eagles, Richtung Glen Frey in On-The-Beach-Ausgabe, einfach schön und blöd im Hinterkopf abhängen ohne defätistische Nightclubbing-Neigung. Ewiger Klassiker, die richtige Lüge im falschen Leben: Living On The Other Side.
Lasst mich jetzt bitte allein mit der Musik!
(Dead Oceans)