The Faint – Fasciinatiion
Text: Joerg | Ressort: Musik, Veranstaltungen | 3. September 2008Poltergeist und Dämonenschleim auskotzen
Erstmal tief einatmen, kurz Schleim auskotzen und Richtung Regal mit dem goldenen Vorhang gehen. Dahinter stecken alle Alben mit den stoischen Bands. Sinnkrisen- und Zweifeltagen kannst du hier hinten, im schummrigen Gang, begegnen, indem du wahllos etwas aus diesem Regal ziehst und auflegst. The Wailers, The Fall, R.E.M., Depeche Mode, Spacemen3 oder Pop Will Eat Itself finden sich hier im Schrein. Garantierte Trostspende, unzerbrüchliche Werktreue inklusive. Das hätte damals, zu Beginn der Electro-Punk-Welle doch niemand für möglich gehalten, dass es 2008 noch Bands geben wird, die sozusagen die Roots von etwas verwalten, dessen Halbwertszeit im Allgemeinen höchstens auf zwei Jahre geschätzt wurde. Und es kam ja in Wirklichkeit noch zu einer dramatisch kürzeren Electroclash-Schock-Welle. Fischerspooner, Swayzack, The Rapture, und – das war’s fast schon an Essentiellem, nicht!? Zum Glück. Und wer ernsthaft an solchen Trittbrettfahrern wie Late Of The Pier Gefallen findet, für den hat man bestenfalls noch ein Schulterzucken übrig.
Bei The Faint liegen die Dinge etwas anders. Immerhin waren sie ja ganz vornean mit ihrem Sound, mittendrin im Elektrosumpf, sie fungierten dort aber von Anfang an weniger glam-, weniger disco-, stattdessen mehr punk- und rockorientiert als andere Projekte. Allein mit Titeln wie „Drop Kick The Punks“, „Cars Pass In Cold Blood“ oder – wie hier auf „Fasciinatiion“ – „A Battle Hymn For Children“ schaffen The Faint es immer aufs Neue, auch die Neugier für’s politische Lied zu wecken. Diese wird dann auch selten enttäuscht, und der Band nimmt man ihre Haltung von Platte zu Platte mehr ab. Keine Sensationen, kein Hype – nur eine relativ gut ausformulierte Musik zur Zeit. Dabei kommt’s halt immer darauf an, wie man mit dem Sound umgeht, ob man ihn annimmt, ihn lebt, sich darin präsentieren kann und sich im Endeffekt auch nicht allzu viele Gedanken darüber macht, ob dieser nun besonders zeitgemäß sei. Das Verschwinden von Electro-Clash gibt The Faint jetzt wunderbarerweise mehr Luft für ihren konservativen E-Post-Rock. Der Titel belegt zudem, dass das Album nicht von Selbst-Ironie, sondern von der Ironie des Hypes handelt. Aber es wird auch nicht feist beharrt, bzw. sich lange aufgehalten mit Besserwisserei, vielmehr so entspannt Old-School geschraubt, dass es die reine Freude ist. Weniger Spektakel, mehr Songs, weniger Major-, mehr eigenes Label noch dazu. Endlos wachsender Tausendfüßler, fürwahr: „cults arise from egos – sick with poltergeists and demons“.
(blank.wav)
(Foto von Joachim Zimmermann)
Dass The Faint zum Pressetermin in Berlin dann offiziell ihren Sänger losschicken, um danach genüsslich abzuwarten, wie später alle verzweifelt noch in der Promobildmottenkiste nach wirkungsvolleren, klischeebeladenen Gruppen-Turnstunden-Bildern, oder wenigstens Frontman-Starschnitten spähen, um sich hinterher eins zu kichern, weil der Sänger sagt, wieso Sänger, ich bin doch der Bassist – das ist schon köstlich. Und keiner hat’s dann gedruckt, das niedrige, schäbige Bild vom räudigen Basser, „Aston Barrett, häh, wer soll das sein?“ Dabei, – was wären The Faint ohne Joel Peterson, etwa kein Fliegendreck?! Die Bass-Arrangements allein sind’s wert, dass man die gesamte Platte durchhört. Und ist das Portrait von Joa somit etwa nicht zu Recht das ultimativste, aktuellste The Faint-Portrait dieser Tage!?
Die restlichen Daten der Europatour:
04.Sep. Melkweg/Amsterdam
05.Sep. Maria am Ufer/Berlin
06.Sep. Vega/Kopenhagen
07.Sep. John Dee/Oslo
08.Sep. Debaser Slussen/Stockholm
10.Sep. Den Atelier/Luxembourg
11.Sep. Paris/La Maronquinerie
habs jetzt angehört, ist wirklich nicht schlecht, absolut
nicht reisserisch auf jeden Fall.
Füchschen