Celan – How To Be A Supergroup

Text: | Ressort: Musik, Veranstaltungen | 8. September 2009

Jetzt bloß nicht seltsam werden! Selbstverständlich sind Celan eine Supergroup! Zumindest in jener Jensor’schen Welt, die vollgestopft ist mit zappligen, hektisch-beweglichen und wie irrsinnig flirrenden Break-Noise-Mobilen und stoisch existenten, unglaublich massiven, schier erdrückenden Gitarren-Klötzen. In einer Welt voller Musik, die gerne mal so richtig an die Substanz geht, körperlich und geistig nachhaltig fordert. In genau dieser Welt sind Celan derzeit die beste aller vorstellbaren Supergroups: Mit Chris Spencer (Unsane) am Gesang, mit Nico Wenner (Oxbow) an der Gitarre, Phil Roeder und Franz Xaver (von den leider verflossenen flu.id) an Bass und Schlagzeug, Ari Benjamin Meyers (Einstürzende Neubauten) für die Tasten. Kennt ihr nicht, könnt ihr nix mit anfangen. Verächtlich schürze ich die Lippen, bereit zum kurzen abwertenden Ausspucken und meine: Ist doch euer Problem, Leute. Was kann ich denn dafür, wenn ihr keine Ahnung habt? Macht mich bitte schön nicht für eure Nachlässigkeiten verantwortlich, ja! Immerhin, es gibt ja immer noch die zweite Chance. Einfach mit Celan anfangen, sich via „Halo“ einarbeiten und dann mal ein bisschen diggen – hinein in diese erwähnte zauberhafte Welt der Mobile und Klötze. Supergroup ist andererseits aber auch ein zu bescheuerter Begriff. Okay, das gebe ich zu. Da schwingt doch das ganze Elend des Muggertums mit, so mit dauergewellten Überfön, viel zu knappen Hosen und Klaus-Meine-Gedächtniskappen. Neulich las ich mal wieder ein spannendes Interview in unserem als Stadtmagazin getarnten Leipziger Prog-Rock-Zine „Zeitpunkt“, vollgestopft mit dem ganzen handelsüblichen „Treffen sich vier Mugger zum Jammen“-Gedaddel – es ging, so meine ich, um Saitenquäler Joe Satriani und Nervensäge Sammy Hagar, Chad Smith von den, uiii wie cool, Chili Peppers war auch noch mit dabei und sonst noch irgendwer. Das debile Breitgrinsen des „Was sind wir doch für tolle Hechte“ strahlte aus dem Gespräch heraus wie aus einem defekten Reaktor, ich konnte mir richtig gut vorstellen, mit welcher Selbstzufriedenheit die vier Stadionrock-Kameraden daran gegangen sind, sich selbst auf die Schultern zu klopfen ob der Inszenierung eigener Wichtigkeit und Relevanz (ich hoffe ja inständig, der Zusammenbruch der Musikindustrie wie wir sie kennen bringt vielleicht endlich mal mit sich, dass derlei schnöseliges Gepose aufhört – einfach, weil sich außer ein paar definitiv unbelehrbaren Altrockern niemand mehr von derlei Kaspereien mehr hinter dem Ofen hervor locken lässt). Unterhaltsam war’s, unbedingt – und lehrreich dazu: Nach dem Genuss dieses Gesprächs war ich ein nachhaltig davon überzeugt, am Ende der Welt tot über dem Gartenzaun zu hängen wäre unbedingt die bessere Option als auch nur eine einzige dieser lockeren „Machen wir einfach mal ein paar Songs“-Kreationen von Chickenfoot zu hören.

Und überhaupt: Als Phil und Franz darüber sprechen, wie die Celan-Songs entstanden sind, klingt dies auf einmal ganz anders. Nach Spannung und Intensität. Nach Risiko und dem Einkalkulieren des Scheiterns. Nach Grenzen, an die man gehen musste und nach Weiterentwicklung. Nach dem Erkunden von neuem Terrain. All die ganzen Dinge, die ich so gerne höre von Musikern, weil sie sehr offensichtlich transportieren, dass es hier dann doch um ein bisschen mehr geht als nur um das erwähnte schnöselige Herumgepose. Ein treffliches Beispiel für Getriebenheit, mit dem ich nur zu gern all jenen Kulturpessimisten kommen möchte, für die der Drops in Sachen „Musik“ so gnadenlos gelutscht zu sein scheint. Nein, da geht noch was – erst recht, wenn sich fünf Leute, deren Hintergrund durchaus unterschiedlicher kaum sein kann, auf das Risiko einlassen, gemeinsam und vor allem unter verdammt großen Druck eine komplette Platte einzuspielen: Hatte ich schon erwähnt, dass sich Celan im Studio gerade mal zwei Wochen Zeit genommen haben? Inklusive Songwriting und solche Sachen? So etwas kann schiefgehen, richtig schiefgehen – dessen waren sich die Beteiligten offenbar durchaus bewusst, wie Phil und Franz erzählten. Nein, dass aus diesen zwei Wochen zwingend eine Platte entstehen würde, war absolut nicht geplant. Eigentlich waren sich die beiden etliche Wochen, Monate nach Entstehung von „Halo“ immer noch nicht so richtig sicher, ob das jetzt eigentlich wirklich richtig funktioniert, was da entstanden ist.
Nun ja – zumindest aus meiner Sicht kann diese Frage beantwortet werden. Ganz einfach sogar. „Halo“ ist für mich eine wahre Noise-Rock-Offenbarung. Ah, was liebe ich diese Platte – einfach aus dem simplen Grunde, weil diese Verbindung aus Stoizität (Chris Spencer), Blues-Infiziertheit (Nico Wenner), zappliger Nervosität (Phil Roeder und Franz Xaver) und Sound- und Klangforschung (Ari Benjamin Meyers) so wunderbar funktioniert. Eine Verknüpfung aus verzweifelter Melancholie (Nihilismus könnte man dazu auch sagen) mit unbändiger Wut, die sich einfach perfekt in DIESER Stimme von Chris Spencer abbildet – jepp, vielleicht sollte man doch einmal darüber reden, dass dieser Kerl eine wahre Manifestation ist. Eine Manifestation, die eben auch außerhalb dieses „geschlossenen Systems“ Unsane praktikabel ist: Und wie DIESE Stimme die zehn Songs von „Halo“ in ganz neue Dimensionen transportiert, meine Herren! Ich war schon immer ein Fan dieses Mannes und es gibt einen Grund mehr dafür. Aber Celan sind ja noch eine ganze Ecke mehr: Die Verbindung aus dem Pop-Appeal im Sinne von Song-Eingängigkeit und dem katharsischen Moment von Noise – „Sinking“ ist in diesem Sinne einfach ein echter Überhit (griffig bis zum Abwinken und dennoch versehen mit spröder und intensiver Härte). Das Öffnen von Klangelementen, die diesem Noise-Rock manchmal eine schon beinahe cineastische Dimension verleihen. Die stete Unruhe, die Songs wie „Weigh Tag“ unerbittlich vorantreibt. Ja, wenn ich mir dies alles so anhöre, kann ich gut nachvollziehen, warum Phil und Franz so oft davon sprechen, an Grenzen gekommen zu sein. Und auch gerne mal darüber hinaus. Darüber, wie es ist, auch mal die eigenen Hörgewohnheiten in Frage zu stellen und dabei auch mit Genuß etwas mitzunehmen. Hatte ich schon erwähnt, dass sich die beiden nun nach dem Ende von flu.id einer neuen Band widmen, in der sie die neu entdeckte Lust am Pop, an Eingängigkeit, an Songs ausprobieren?
Warum ich dies jetzt alles erzähle? Weil ich mich schon irre darauf freue, Celan live zu sehen. Die sind unterwegs, demnächst. Am besten zu begutachten im anständigen „Worship The Riff“-Package, das vom 8. bis 11. Oktober unterwegs ist – da gibt‘s neben Celan schließlich auch noch Dÿse (aus dem Exile On Mainstream-Universum) sowie die grandiosen Ulme und Exits To Freeways (serviert via Nois-O-Lution) zu sehen. Dies verspricht ein wirklich großer Abend zu werden. Und ein Abend (bzw. eine Tour), der hoffentlich ein paar Konsequenzen nach sich zieht: Denn so ein bißchen wollten Franz und Phil schon mal abwarten, wie sich die Dinge unterwegs entwickeln, in Sachen Gruppendynamik und so – ihr wisst schon, was ich meine. Es geht um die Zukunft! Und ich will diese Zukunft – aus einem einfachen Grund: So wunderbar „Halo“ auch ist, da steckt dann doch ein Versprechen drin, dass da noch viel mehr geht. Mit erwähnter Gruppendynamik und ein bißchen mehr Zeit. Grenzen zum Erreichen und Drüber-weg-gehen gibt es schließlich noch genug.

Celan auf Tour
18. September, Tilburg (NL), Incubate Festival
19. September, London (UK), The Borderline
20. September, Le Havre (FRA), Cabaret Electric
21. September, Le Mans (FRA), Le Peniche Excelsior
22. September, Paris (FRA), Le Nouveau Casino
23. September, Colmar (FRA), Le Grillen
24. September, Lausanne (CH), Le Romandie
25. September, Bern (CH), Dachstock
26. September, Winterthur (CH), Salzhaus
27. September, Linz (AUT), Stadtwerkstatt
28. September, Prag (CZ), 007
29. September, Dresden, Beatpol
30. September, Jena, Kassablanca
2. Oktober, Bielefeld, AJZ
3. Oktober, Diksmuide (BEL), 4ADigital
5. Oktober, Rostock, JAZ
6. Oktober, Kopenagen (DEN), Loppen
7. Oktober, Hamburg, Hafenklang
8. Oktober, Osnabrück, Bastard (Worship The Riff)
9. Oktober, Eindhoven (NL), Dynamo Club (Worship The Riff)
10. Oktober, Leipzig, Conne Island (Worship The Riff)
11. Oktober, Berlin, Lido (Worship The Riff)

Infos unter www.myspace.com/celanband

PS: Apropos Dÿse – da kann sich der werte Noise-Fan (und auch alle anderen, die etwas mit Wahnwitz, Irrsinn, Humor, Selbstironie, Durchgeknalltheit bei größtmöglicher Musikalität und so weiter und so fort anfangen) schon mal ein fettes Kreuz im Kalender machen und zwar beim 9. Oktober! Dann können wir Unwürdigen (nicht wahr, Ingmar?) endlich den Zweitling „Lieder sind Brüder der Revolution“ (Exile On Mainstream) der Herren Rebelein & Dietrich genießen. Mit Trompete, Violine und allem Drum und Dran, mit Jens Rachut als Gastsänger und anständig Feuer unterm Dach. Dazu demnächst mehr auf diesem Sender!

Text & Foto: Jensor

Illustration: Dr. Markus Scheuner

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