Grant-Lee Phillips – Little Moon

Text: | Ressort: Musik | 18. Oktober 2009

Grunge, Slacker, Generation X: wer erinnert sich? Damals wurde eine Generation nachgewachsener Existenzialisten ausgerufen, die zu konsterniert war, um noch wirklich etwas ändern zu wollen, ihr wurde der Grunge-Hype als Soundtrack anheim gestellt, die letzte Rockmusik, die noch so tat, als hätte sie was zu sagen, und die Idioten scharten sich um Pappnasen wie Eddie Vedder oder die Rage-Against-The-Machine-Boygroup, dachten, mit ein paar Löchern in der Jeans, ’nem Bier in der Hand und 2 Festivals im Jahr sei man wer, und dann war Curt Kobain tot und ich weiss bis heute nicht wie man seinen Namen richtig schreibt. Irgendwann zu der Zeit waren in unseren kleinen Gammelhirnen Grant Lee Buffalo und ihr MTV-gefeatureres „Fuzzy“ die folkig-romantizistische Alternative zu Pearl Jams Pathosgewäsch, und warum auch nicht: Während der Rest der ganzen Bande steif wie die Cowboys ihre für jedes annehmbare weibliche Wesen unzumutbaren Rockismen pflegten, lullten GLB dieselben wenigstens ein und machten sie handzahm. Besser benommen haben wir uns deswegen natürlich trotzdem nicht, immerhin waren wir, ohne es zu wissen, die Slacker der Stadt, mieteten ’ne alte, halb verfallene Villa mit Pool und ProberaumGarage und schmiedeten tolle weinselige Pläne für die Zukunft.

Besagter Pool

Eines stürmischen Herbstmorgens erhob ich mich früher als gewöhnlich aus meinem Brausebrand, um mit Kollege Ozzy den Pool vom Laub der letzten Jahre zu befreien, wir gingen zum Supermarkt, kauften eine Salami, ein paar Flaschen Wein und etwas Schnaps und setzten uns in den vermatschten Pool. Der Rest fällt hinter einen Schleier, ich weiss nur, dass wir irgendwann 2 Städte weiter waren, in Hamurg, und Grant Lee Buffalo sollten im Knust spielen. Karten hatte ich, Gott weiss woher, und Freunde waren auch dabei, offenbar hatte sich wieder ein Wahnsinniger gefunden mit dem Auto zu fahren, und sogar Ozzy war mit, hatte allerdings keine Karte, dafür noch billigsten Supermarktwhisky, den Grant-Lee Phillips während des Reintragens der Instrumente dann mit ihm leerte. Davon erzählt er, also Ozzy, heute noch gerne, und das Konzert war sicher gut, mich dürft ihr danach nicht fragen, nur soviel: in die Villa bin ich eines Abends eingezogen, ich kam mit meinen paar Kartons, wir feierten die ganze nacht und morgens zog ich sofort bei dem Mädchen ein, dass ich auf der Party kennengelernt hatte, wir segelten dann wie Papierflieger vom Hochhausdach durch die Neunziger, sie zum Schluss ein Heroinjunkie, ich auch nicht besser, nur dass ich es vorzog, Kokain zu spritzen, und wir fühlten uns so verdammt geil, wir lasen ja immerhin Bücher. Seinerzeit traf ich nochmal auf Grant-Lee Phillips durch seine Mitwirkung am Soundtrack zu Velvet Goldmine, der passte gut zum kokainistischen Harakiri, Haut, weiss, durchlässig und perforiert wie Papier, mein Körper dünn und zart und wie ein Kolibri mein Herz, aber anstatt glamourös zu sterben, gab es Frauen. Ich will nicht von läuternder Liebe reden, sondern von Suchtverlagerung, doch immerhin: es folgten Notbremse, der Versuch eines geregelten Lebens, denn der liebe Gott scheute sich nicht, alle Trümpfe auszuspielen: Kinder. Da war sie nun, die Gretchenfrage am Scheitelpunkt des eigenen Lebens, und, um es kurz zu machen: Natürlich habe ich mich für die Kinder entschieden. Die können inzwischen lesen und hören die Musik, und ich mach‘ auf Paulus und racker mich im Garten ab, damit die Kinder was Gesundes auf’m Teller haben. Und dann kommt Grant-Lee Phillips um die Ecke mit Little Moon, einer Platte, die uns mit herrlichem Kitsch mit Namen wie „Good Morning Happiness“ beschenkt und man ist geneigt zu denken, dass es ihm über all die Jahre ähnlich gegangen sein muss, so sehr klingt die Platte nach Apfelsaft, Toys’r’us und Muffins, dass mir ganz warm ums Herz wird, selbst dann noch, als meine Liebste, den Korb voller Wurzeln, Pilze und linksradikaler Umwelt-Broschüren, hinter mich tritt und fragt „Seit wann hörst Du denn wieder Neil Young?“

(Yep Rock/Cargo Records)

www.grantleephillips.com

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Ein Kommentar »

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