Den Begriff Blockbuster kennt man gemeinhin im Zusammenhang mit Filmen, vor allem solchen aus der gar nicht so verträumten Traumfabrik in Los Angeles. Weit weniger bekannt ist, dass der Begriff eigentlich aus dem Kriegsvokabular stammt und jene Fliegerbomben meint, deren Sprengkräfte ausreichend waren, um ganze Wohnblocks weg zu putzen. Im Bereich Kino hingegen sind es immer wieder vor allem solche Filme, die in der Lage sind, die Kinos weltweit über Wochen mit Menschen voll zu stopfen. Godzilla, The Day After Tomorrow, Titanic, Star Wars, Independent Day, James Bond heißen einige der bekanntesten Blockbuster, die Regisseure dazu unter anderen Georg Lucas und James Cameron. Aber auch zwei Deutsche müssen hier genannt werden, wenn es auf der Leinwand wieder mal darum geht, irgend etwas untergehen zu lassen, sei es ein Schiff, eine Stadt oder gar die ganze Welt.
Wie all das Vorgenannte nun zu „Liebe ist für alle da“, dem sechsten Album der Band Rammstein passt? Nun, wenn man mal von all den billigen „Promokationen“ absieht, die die Veröffentlichung des Albums begleiteten, so schlägt LIFAD, musikalisch gesehen, durchaus wieder ein wie eine Bombe mit erhöhter Sprengkraft. Außerdem dreht es sich bei vielen Blockbustern um Extraterrestrisches. Und weil es einen
Asteroiden gibt, der im Oktober 2001 vom französischen Astronomen
Jean-Claude Merlin entdeckt wurde und der seitdem den Namen „
110393 Rammstein“ trägt, schließt sich auch hier irgendwie der Kreis. Wenn man so will!
Jedenfalls ist LIFAD so etwas wie das in Töne gegossene und auf CD gebrannte Gegenstück zu Roland Emmerichs neuen Popcorn-Buster „2012“. Natürlich geht es hier wie da nie ohne Augenzwinkern ab, gewollt oder ungewollt. Und frei von Peinlichkeiten sind beide „Kunstwerke“ nicht. Von dem bei Rammstein ewig gleichen Themenpool abgesehen, sind einige Texte wieder mehr als Banane. Musste letztes Mal der Fall des Kannibalen von Rotenburg dran glauben (Mein Teil), so ist es dieses mal der der Familie des Österreichers Fritzl und all jener Dinge, die in deren Keller geschahen. Der Text zum musikalisch eigentlich ziemlich gelungenen Stück „Pussy“ ist indiskutabel und entspringt vermutlich irgendeiner Geisteskrankeit. Auch ein direkter Bezug zur deutschen Lyrikgeschichte wurde mal wieder hergestellt. 2009 muss nun Bert Brechts „Mackie Messer“ dran glauben. Auch zeigen die sechs Herren, von denen der älteste straff auf das 47.Lebensjahr zugeht, wieder Dankbarkeit gegenüber einer besonders treuen Sektion der riesigen Fangemeinde. Wurden auf Rosenrot die Mexikaner mit „Te quiero puta“ bedacht, sind es heuer die französischen Fans, die mit dem zum Fremdschämen peinlichen „Frühling in Paris“ ein musikalisches Dankeschön verpasst bekommen. Haben wir irgend jemanden vergessen? Ach ja, LIFAD soll ja wieder in Richtung Anfänge gehen. Da sollte man sich aber „Herzeleid“ noch mal genauer anhören. Schon die Produktionen sind nicht zu vergleichen. LIFAD ist nämlich bis in die letzte Instrumentenschraube hinein unglaublich F.E.T.T. produziert. Außerdem klingen Rammstein schon lange nicht mehr so dumpf, mechanisch und hölzern wie in den Anfangstagen. Wenn man genau hinhört, kann man die Grooves hören, die vielen Stücken (z.B. Rammlied, B********) innewohnen. Und auch wenn man der Meinung sein kann, dass das „Rammlied“ nur ein weitere Variation von „Wollt Ihr das Bett in Flammen sehen“ ist, so ist dieses brachiale Stück Heavy Metal dermaßen geschickt komponiert, dass man es, so man den Sound der Band mag, nach einmaligem Hören nicht mehr missen möchte. Daß das ab sofort der unumstrittene Opener einer jeden Rammstein-Show sein wird, versteht sich von selbst. Auch einen so böser Brecher wie „B********“, in dem es um den Zwiespalt beim Nehmen (oder Lassen) von Drogen geht (eines jener immer wieder kehrenden Motive bei Rammstein) muss man unbedingt als gelungen bezeichnen, und sei es nur als Motivationshilfe in der Freihantelabteilung der Muckibude. Zu ganz großer Form laufen die „Rammsteiner Riffjäger“ dann auf der Bonus-CD der special edition von LIFAD auf, wo man mit dem an die Umweltkatastrophe von Baia Mare (Rumänien) erinnernden „Donaukinder“ und einem an Misanthropie verzweifelnden Protagonisten in „Halt“ dann endlich nicht nur musikalisch gelungene, sondern auch textlich ernstzunehmende Glanzpunkte zu setzen weiß. Beide Stücke gehören ob ihrer Güte eigentlich auf die reguläre Scheibe!!
Letztendlich ist LIFAD eine durchaus gelungene Angelegenheit und sollte, nicht nur wegen der, zumindest was den restlosen Verkauf der Karten angeht, grandiosen Erfolge im Livegeschäft Ansporn sein, weiterzumachen, die Fans zu beglücken und den Wert der Marke Rammstein zu steigern. Auch wenn dies für die Jungs vielleicht grausam klingt: Aber 1994 ist 15 Jahre her und Dinge entwickeln sich nun mal nicht immer so, dass man für alle Zeiten in Gänze damit leben kann! Aber vielleicht will man ja nicht wie die Scorpions enden und hört nach der kommenden Tour auf! Könnte ich verstehen.
(Universal)
* Hörbares