Alexandra – Die Stimme der Sehnsucht

Text: | Ressort: Musik | 15. November 2009

Ja, ich weiß, was viele von euch jetzt denken werden: das ist doch diese Schlager-Tussi, die mit Bäumen spricht. Musik unserer Eltern, verstaubt, bieder, konservativ und sooo was von gestern. In Wirklichkeit handelte es sich bei Doris Treitz, wie die im ehemaligen Memelland geborene Chanteuse eigentlich hieß, um die beeindruckendste Figur der populären deutschen Musikszene des 20. Jahrhunderts. Leider auch um die tragischste, denn als sie vor 40 Jahren mit 27 bei einem Autounfall ums Leben kam, starb sie unerfüllt und beinahe zerbrochen an der Musikindustrie ihrer Zeit, die so erzkonservativ war wie ihre Konsumenten: träges Klatschvolk, eine saturierte, westdeutsche Wohlstandsmasse. Die hatte sich längst auf ihr Image als Schönheit osteuropäischer Musik versteift und gestattete ihr kaum Freiheiten. So blieb sie künstlerisch weit unter ihren Möglichkeiten.

Die so treffend betitelte Werkschau „Die Stimme der Sehnsucht“ ist sicher weder die Erste ihrer Art, noch zeichnet sie sich durch eine überaus einfallsreiche Zusammenstellung der Titel aus. Ihr verhasstes und nur ein einziges Mal live eingesungenes Stück „Sehnsucht“, welches gleichermaßen ihr größter Hit und Fluch werden sollte, ist hier ebenso zu finden wie „Mein Freund der Baum“ und „Zigeunerjunge“ – Stücke, mit denen jedes Mitglied der Generation der Mitt- und Enddreißiger irgendwann in Berührung kam. Hier und da hat der Zahn der Zeit genagt, so ist eine Zeile wie „Die vielen kleinen Neger sehen euch bittend an“ wohl in unseren Zeiten alles andere als politisch korrekt. Anderes, wie die Gesellschaftskritik in „Was sind wir Menschen doch für Leute“ hat auch noch heute bestand. Unter den 25 Songs finden sich aber auch ein paar Überraschungen wie etwa das chansoneske, mit Yves Gilbert geschriebene „Was ist das Ziel“, und jene Perlen ihrer Zusammenarbeit mit Udo Jürgens, das makellose „Illusionen“ und der Swingklassiker „Im sechsten Stock“.

Wer also ungläubig die Nase rümpft, sollte sich ihre einzigartige Form des Gothic-Schlagers mal bewusst machen. Denn bei allem, was Alexandra sang, liegt immer eine Wolke des Schwermuts in der Luft. Selten klang ein Lachen so gruselig wie bei „Klingt Musik am Kaukasus“. Die Tragik ihrer Existenz spiegelt sich in ihrer Kunst und schafft etwas Einzigartiges. Die vorliegende Neuauflage ist eine willkommene Gelegenheit sich davon zu überzeugen. Zumal auf der beiliegenden DVD zwölf Frühformen des Musikvideos zu finden sind, gemischt mit Tondokumenten auf Interviews, die ein angenehm unkommentiertes Bild einer Ausnahmekünstlerin formen. (Koch/Universal)

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