Berlin Techno: ein Streifzug

Text: | Ressort: Musik | 7. Februar 2010

„Lass uns nicht von Techno reden“, erklärt Anton Waldt in der Ausgabe 139 der De:Bug. Danke für diese Anregung – wir spielten lieber welchen (Playlist gibts auch). Aber ein wenig muss ja auch geredet werden. Das Thema lag ja auf den Tisch; ja, dieses ganze Ding rund um die Eckpunkte der „Villa Kunterbumms“ (Bild am Sonntag über den Berliner Club Berghain), Paul Kalkbrenner, „Lost and Sound“ und Romuald Kamarkars Hochkultur-Technoanbetung „Villalobos“. Techno ist wieder da, angekommen in einer öffentlichen Feuilleton-Wahrnehmung. Die sich verdammt viel mit dem ganzen durchaus wichtigen Drumherum beschäftigt (Stichwort „mythenumrankte Exklusivität des Ortes“; dies fiel Julia Spinola von der FAZ zum Thema Berghain ein und noch einiges mehr – auch wenn sich manches wie die Einlassung zu Sven Marquardt wie glatt von Tobias Rapp abgeschrieben liest). Weniger mit der Musik (auch wenn ich da angesprochene Julia Spinola in Schutz nehmen muss) – aber die lief meist einfach nur als Bum-Bum-Bum im Hintergrund durch. Dagegen kann man was machen.
„Berlin Techno“, fiel mir gleich so als erster Arbeitstitel ein. Arbeitstitel, wohlgemerkt – schnell stolperte ich dann doch über die Plattheit der Formulierung, die Abgegriffenheit der Ausdrücke, der allzu großen Offensichtlichkeit, die in dieser Kombination drinsteckt. Doch dann, nach ein, zwei Tagen Überlegung, dachte ich mir einfach: „Scheiß doch drauf, steckt doch alles drin, worum es geht. Berlin und Techno. Keep it simple and keep it clear.“ Lass uns also über Berlin und Techno reden.

2009 war da für beide Beteiligten in eben dieser Kombination ein gutes Jahr. Finde ich, für mich – als jemand, der Musik als klassischer Old School-Nerd bevorzugt (man könnte auch sagen ausschließlich) als Longplayer goutiert. Ostgut Ton – das Label aus dem mythenumwobenen Berghain – machte genau dort weiter, wo es mit den vorzüglichen Platten von Shed und Prosumer & Murat Tepeli aufgehört hatte: Ben Klocks „One“ (Foto) und „Temporary Suspension“ von Planetary Assault System aka Luke Slater knallten mich anständig weg. Und mit ein wenig hingucken, recherchieren, nachschauen auch in der eigenen Plattensammlung kam dann die beispielsweise von dem bereits angesprochenen Herrn Rapp (via „Lost and Sound“ – siehe auch hier) beschworene Berlin-Hegemonie durchaus zum Vorschein. Na klar, Hell ist mit seinen International DJ Gigolos ja inzwischen auch dort, von Heiko Laux‘ Kanzleramt ebenso. Und 2009 war ja das Jahr von B Pitch Control: Zehn Jahre gefeiert, mit Paul Kalkbrenner den bis dato einzigen „neuen“ Techno-Star nachhaltig im musikalischen Mainstream untergebracht (hier in Leipzig teilt er sich im März eine Location mit Leuchten wie Elsterglanz, Milow und Schiller), dazu noch ein paar Platten veröffentlicht, die das Jahr richtig gerockt haben. Oder wer konnte sich da draußen nicht auf Moderat einigen? Labelhopping im Radio ist etwas Feines und es gab reichlich Gelegenheit – von Dixons Innervisions zu Get Physical, ein bißchen Traditionalismus muss auch sein via Basic Channel/Maurizio und Tresor. Naja, da habe ich ja noch nicht mal an der Oberfläche gekratzt. Aber ein wenig selbst diggen hat noch niemanden geschadet.
Berlin und Hype. Ja, klar kennt man dieses Thema. Ich habe selbst immer ein komisches Gefühl bei Feuilleton-Durchgedrehe und es wird auch nicht besser, nur weil sich ein paar integre Leute inzwischen in die entsprechenden Redaktionsräume vorgearbeitet haben. Es mag schmeichelhaft sein, wenn Clubkultur öffentlich endlich einmal wahrgenommen wird; gerne auch als die reale Massenkultur, die sie nun mal ist (vielleicht einfach mal im Kopf überschlagen, wie viele Leute an einer stinknormalen Samstag-Sonntag-Kombination in diesem Land so im Club rumhängen in Zeiten, in denen sich auch die Dorfdisco in meinem Heimatort unbedingt einen Techno-Floor leisten muss). Ambivalenz, Baby! Ohnehin die zentrale Erscheinungsform in diesem Zusammenhang – wer fühlt sich nicht sexy, cool und weit vorne im nonkomformistischen Schein der Clubkultur? Oder wie sagte es Tobias Rapp in angesprochenem De:Bug-Artikel so schön: „Die soziale Form, das Wochenende zu verbringen, ist voll akzeptiert, aber die Inhalte, also die Musik, sind eindeutig Underground.“ Feiern als Hype. Ein Prinzip, das freundlicherweise genügend Freiräume lässt, um dem Hype zu entgehen – musst nur einen anderen Ort zum Feiern finden.

Was ist überhaupt Berlin als Hype? Ist es mehr als nur ein simpler Standortvorteil? Wegen der Tatsache, hier mit einem Geldaufwand ganz anständig über die Runden kommen zu können, mit dem man in anderen Großstädten dieser Erde vermutlich nicht mal einen Schlafplatz finanzieren könnte? Sicher, ein wichtiger Punkt, aber wohl doch nicht alles. Es geht ja auch um Freiräume, die auch ganz real vorhanden sein müssen. Inzwischen auch längt um Traditionen. Und auch um eine weltumspannende Offenheit, die wirken lässt und Wirkung sucht. Die Liebe zwischen Detroit, zwischen Blake Baxter, Jeff Mills, Robert Hood und dem Berliner Tresor. Oder – wir reden ja über 2009 – das Nach-Außen-Wirken des Anonymums Redshape (laut Discogs verbirgt sich dahinter Sebastian Kramer) über das Amsterdamer Label Delsin. Dinge, die sich mit einem einfachen Berlin-Hype nicht so recht erklären lassen. Aber auch hier gilt: Liegt dies nicht in der Natur der „Hype-Dinge“?

Foto: Ostgut Ton

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