Schönheit zerblitzt – Beach House waren in der Stadt
Text: Jensor | Ressort: Musik, Veranstaltungen | 8. März 2010Ja, das UT Connewitz in Leipzig ist ein ausgesprochen schöner Konzertplatz. Versehen mit einem dezenten Hauch von Morbidität und Zerfall (manche meinen allerdings, der Hauch wäre längst alles andere als dezent – so wird kolportiert, Neurosis hätten es geschafft, Teile des nicht mehr gar so festhaftenden Deckenputzes herunterzuspielen. Insofern – Sanierung nötig! Hilfe nötig! Infos hier: www.utconnewitz.de. Und keine Angst – ehe die aktuelle, aus meiner Sicht höchst begrüßenswerte Atmosphäre des Unfertigen, Angenagten, naja, kurzum des Morbiden wegsaniert ist zugunsten eines öden Multifunktionalitätshallen-Nicht-Charmes, wird noch mehr Wasser die Pleiße runterfließen als zu sehen wir in der Lage sein werden), der nicht selten auf das Vortrefflichste mit der dargebotenen Musik harmoniert. Ich kann verstehen, dass Bands von diesem alten Kino schwer begeistert und beeindruckt sind – allein schon, wie dieses Portal als Blickfang hinter der Bühne funktioniert, dürfte hier und da für verträumte Augen sorgen. Apropos verträumte Augen: Ich rede hier ja nicht nur vom UT Connewitz (auch wenn es dieses Haus mehr als verdient hat, darüber zu reden), sondern in erster Linie von Beach House. Victoria Legrand und Alex Scally gaben sich vor einigen Tagen an dieser Stelle die Ehre und es passte – mal wieder – wie die legendäre Faust auf das nicht minder berühmte Auge. Feiner Dream-Pop zelebriert in einer Aura bröckelnder Schönheit, das hat auf jeden Fall etwas.
(Einschub: Den Mantel des Schweigens decke ich allerdings über Vorspieler Austin Brown. Nur so viel: Nein, ich finde nicht, dass guter Wille, eine Gitarre, ein Laptop, ein Sampler und ein paar grobe Songideen immer ausreichen.)
Erst recht, weil das Duo (verstärkt um einen Schlagzeuger) live denn doch zu überraschen verstand – zumindest mich persönlich. Gut, mit diesem Style kommt man mir ja immer in die Tasche (erst recht, wenn man daheim den ganzen Kram von 4AD bis Bella Union, von Slowdive und My Bloody Valentine, von Galaxie 500 bis Cocteau Twins, von Kitchens Of Distinction, Throwing Muses bis Mazzy Star zu stehen hat und zwar nicht als Staubfänger!). Und es macht jetzt auch wenig Sinn, hier mit den handelsüblichen Plattitüden um mich zu werfen wie „Entdeckung der Langsamkeit“, „Weltentrücktheit“ und „watteweiche Schönheit“ – dies überlasse ich mal den anderen (auch wenn man selbstverständlich stets einräumen muss, dass da überall ein Fitzelchen Wahrheit drinnen steckt in diesem Overkill der Klischees). Überraschend fand ich dann doch, wie trefflich Victoria Legrand und Alex Scally (wie schon gesagt verstärkt um einen Schlagzeuger, was mir persönlich auch ganz gut in den Kram passte, weil dies der Sache schon noch einmal einen gewissen Drive verpasste) in der Lage sind, ihre Musik auf die Bühne zu bringen. Zum einen mit Blick auf eine beinahe schon beängstigende stimmliche Perfektion, mit der mich erstere regelrecht einwickelte wie ein Weihnachtsgeschenk (mit schönem Schleifchen dran): Verdammt noch mal, das war ja ganz, ganz, ganz großes Kino! Andererseits – auch dies muss einmal erwähnt werden! – ist es geradezu ein hoher Genuss einer Band zu lauschen, die etwas von Dramaturgie versteht. Damit meine ich nicht die Dramaturgie in einem Song. Ich meine die Dramaturgie eines Konzertes: Beach House verstanden diese auf eine Art und Weise zu entwerfen, wie ich sie schon eine ganze Weile nicht mehr gehört zu haben meine. Dynamik, Baby! Mehr bieten als das einfache Abspulen des normalen Programms. Gedanken machen, ein Konzert behutsam, aber stetig entwickeln, aufbauen, entwerfen und dann zielstrebig hinarbeiten auf einen (Zugabe-) Höhepunkt, nach dem dann auch auch ebenso konsequent nichts mehr kommen darf. Aufhören, wenn‘s am schönsten ist (auch so eine Plattitüde, in der aber mehr als nur ein Körnchen Wahrheit steckt). Kurzum: Beach House entboten im UT Connewitz einen grandiosen Abend mit wahrhaft infizierend großartiger Musik (ja, ich möchte jedem da draußen diese drei famosen Dream-Pop-Entwürfe namens „Beach House“, „Devotion“ und „Teen Dream“ allesamt wärmstens ans Herze legen) und einer in sich stimmigen Atmosphäre, die sich eben nicht nur auf das dicke Pfund UT Connewitz reduzieren lässt.
Denn da war ja auch noch die Sache mit dem Licht. Beziehungsweise mit den flauschigen Sonnenschirmen, die für das höchst angenehme Hintergrundleuchten sorgten. Und dann war da noch die Sache, dass ich an diesem Abend zum allerersten Male verstand, warum Bands, Veranstalter, Booker und so weiter und so fort immer mal wieder so stinkig sind, wenn es um das Thema „Fotografen“ geht. Diese Einstellung hielt ich immer für albern, doof und haltlos übertrieben – herrje, dieses blöde Gehabe, wenn man die Leute nach dem dritten Song mittels ruppiger Security aus dem Graben gejagt werden. Dachte ich immer. Denke ich jetzt nicht mehr so eindeutig. Vielmehr denke ich mittlerweile, dass es schon eine ganze Menge Fotografen gibt, die vollkommen zu Recht wie eine Pestbeule behandelt werden. Jene Fotografen, denen Musik im allgemeinen, Konzerte im besonderen und das gerade aktuell laufende Konzerte im speziellen vollkommen scheißegal sind. Denen es absolut schnuppe ist, dass da oben ein paar Leute – Künstler, wohlgemerkt! – stehen, die sich ernsthaft und intensiv Gedanken über die ästhetische Wirkung des eigenen Tuns gemacht haben. Und dabei zum Beispiel auf die Idee gekommen sind, die Bühnebeleuchtung auf das Wesentlichste zu reduzieren und lieber mit ein paar leuchtenden Sonnenschirmen, die munter die Farbe wechseln, für die schon erwähnte Atmosphäre zu sorgen. Eine Idee, die natürlich dann im Eimer ist, wenn es da vorne ein, zwei Spezies gibt, die der Ansicht sind, dies alles gnadenlos mit dem Blitz im Dauerfeueranschlag zu zerknallen. Nein, ich rede hier nicht von irgendwelchen Pocketkameras – da kommt das Licht im Regelfall ja nicht mal bis zur Bühne. Ich rede vom Profi-Equipment, vom erwähnten externen Dauerfeuerblitz, den man auch locker als Stroboskop-Ersatz nehmen könnte, wenn man denn der Meinung wäre, eine Band wie Beach House habe ein Stroboskop nötig. Und jetzt auch nicht komisch werden: ich weiß, dass man beim Konzert nicht blitzen muss. Nie. Ich fotografiere und werde auch dafür bezahlt. Ich weiß, dass man bei Kameras vom semiprofessionellen Bereich aufwärts die ISO-Zahlen in schwindelerregende Höhen aufdrehen kann, ohne dass die Bilder „rauschen“. Kombiniert man dies mit einem lichtstarken Objektiv (Blende 1,4 oder so), braucht man keinen Blitz. Ehrlich nicht.
Puh, das musste einfach mal raus. Weil er mich maßlos genervt hat, dieser Dauerblitz-Overkill, den Band und Publikum da über sich ergehen lassen mussten. Ich weiß nicht, was für ein Spezi dies war: Für den üblichen Nerver von der Tageszeitung dauerte mir das Dauerfeuer viel zu lang (eigentlich gefühlt das gesamte Konzert über). Wenn‘s einer aus der, ähem, Szene war, möge ihn der Blitz (hehe) beim Sch… treffen. Meine ich ebenfalls absolut ehrlich. Wer zu dumm (im besten Falle) oder zu faul ist, ein paar einfache Regeln von Ästhetik, Miteinander und Respekt zu befolgen, hat jeden Diss dieser Welt nun mal fett verdient.
www.myspace.com/beachhousemusic
Text: Jensor
Fotos: Klaus Nauber (ohne Blitz, ISO 1600/3200)