Toktok – Bullet In The Head

Text: | Ressort: Musik | 21. März 2010

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein bekennender Liebhaber des geraden Beats bin. Naserümpfen gibt‘s bei mir beispielsweise nicht, wenn einer den, ähem, ja, sprechen wir es ruhig aus, das böse Unwort, Electro-Clash-Hammer rausholt. Nerk und Fabian Feyerabendt haben allein deshalb immer einen Stein im Brett bei mir. Und mit dem Monster „Bullet In The Head“ fügen sie ordentlich einen hinzu, weil sie mir hier einen Spirit um die Ohren knallen (was im übrigen angesichts der amtlichen Fettheit des Sounds – der nun aber genau genommen keine echte Überraschung ist – mehr als wörtlich genommen werden sollte), an dem ich meine hellste Freude habe. Ein Konzept, das im Kontext elektronischer Musik schon einen gewissen Einzigartigkeitsstatus genießt: Dies hier ist weder Autorentechno noch streng funktionale Twelve-Inch-Sammlung. Eher schon ein wunderlicher Bastard, der permanent den Dancefloor aufmischen will und dabei in seiner schillernden Vielfalt schon wieder so etwas wie hochgradige Individualität vermittelt. Schon allein der Aufbau: 18 Tracks in 77 Minuten. Eine in ihrer Portionsgröße schon an den, ähem, gewöhnlichen Popsong gemahnende Direktheit, die keinerlei Schnörkel und Umwege zulässt. Da bleibt einfach keine Zeit für irgendwelche Inszenierungen, an denen sich eine kulturelle Definition andocken lässt, die sich außerhalb des Clubkontextes verortet – weshalb Toktok wohl auch für immer und ewig in eben jenem bleiben werden, ohne die geringste Chance, in einem hochkulturellen Umfeld wahrgenommen zu werden (im Gegensatz zu Entwürfen wie jener von Pantha du Prince, der – by the way – ebenfalls großartig ist). Nun ist dem überbordenden Spaß und der Lust am Draufhauen, die aus jedem der 18 Stücke herausquillen wie die Sahne aus dem Windbeutel, durchaus zu entnehmen, dass dieser Fakt den Beiden mehr als schnuppe ist. Andererseits ist dies aber auch ein bißchen schade: Lässt man sich erst mal ein auf dieses Prinzip Toktok, offenbart sich eine aufregende Welt jenseits von Eindimensionalität. Nerk und Fabian Feyerabendt vermitteln eine höchst angenehme Form des ausgeprägten und intensiven musikalischen Bescheid-Wissens. Und zwar abseits dieses obercoolen und zutiefst affigen „Checker“-Tums, dem man immer wieder auf‘s Neue umgehend eine in die Fresse hauen möchte. Der Verwurstungsfaktor des Toktok‘schen Universums ist ebenso hoch wie faszinierend stimmig: Vom Rave bis zur Polka (sic!), Detroit‘sche Deepness prallt auf schiebenden Dunkel-Techno, selbst der Pop-Aspekt bleibt nicht außen vor. Ansonsten kann man sich munter weitere Bezugspunkte selbst suchen: Stichworte wie Industrial, die unvermeidlichen Achtziger, Breakbeat (yep, gibt‘s auch) sind auch schon an anderen Stellen gefallen. Befeuert wird dies alles von der bereits erwähnten basslastigen Fettheit (De Bug-Autorin Johanna Kubrick sprach von Toktok-Bassdrums als einer „Horde lustiger Plüschmonster“ – ein derart grandioses sprachliches Bild, um zu Beschreiben, was auf „Bullet In The Head“ passiert, dass ich mich gelb vor Neid an dieser Stelle bis auf den Boden verneige). Wie sagte Knarf Rellöm so schön: Move Your Ass And Your Mind Will Follow. „Bullet In The Head“ ist ein weiterer Soundtrack zu diesem Vorhaben.
(Toktok-Records)

www.toktok.de

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