Festland – Welt verbrennt
Text: Jensor | Ressort: Musik | 11. April 2010
Boaaaah, das muss ich jetzt einfach mal rauslassen! Boaaaah ey! Was für eine großartige, vorzügliche, geradezu geile Band! Junge, Junge, Junge, ich hatte ja schon an dem Debüt „An euren Fenstern wachsen Blumen“ einen ausgefressenen Narren verzehrt. Aber dieses neue Werk „Welt verbrennt“ gibt noch einmal anständigst einen dazu. Dies muss mal in aller gebotenen Deutlichkeit und Offenheit so gesagt werden. Das höchst Erfreuliche an dieser ganzen Angelegenheit – wie‘s aussieht, bekommen dies auch außerhalb der Zirkel der üblichen Verdächtigen mal ein paar Leute mit (guckst du hier http://blog.zeit.de/tontraeger/2010/03/24/festland-welt-verbrennt_5040). Jaja, ich weiß, so richtig viel hat dies bis dato noch nicht zu bedeuten. Schon gleich gar keinen Hype, aber es gilt das geflügelte Wort: Besser als nix. Und mal grundlegend gesagt habe ich kein Problem damit, wenn im Feuilleton endlich mal die richtigen Leute auftauchen.
Leute wie Thomas Geier – Die Regierung, Leute, ruhig mal nachschauen, ob da zu Hause die entsprechenden Tonträger am Start sind. Sachen wie „So drauf“ haben mich, ach was, haben uns Anfang der Neunziger ganz schön beschäftigt (nein, ich schäme mich meines Backgrounds kein bißchen und ich fühle mich Teufel noch eins auch nicht wie ein Hängengebliebener, hehe). Leute wie Joachim Schäfer, der via Lorenzo mit Tim Bernhardt vor gut zehn Jahren ausgiebigst dem Deep & Minimal House frönte und im Gush Collective die Lust an der stilistischen Grenzüberschreitung auslebte. Nein, dies hier ist jetzt kein Rumfetzen, hier geht es um einige Einlassungen, die nicht schaden können, wenn es um das Thema Festland als „unique“ Band geht. Als Band, die für sich einen Sound, eine Ausdrucksform, eine Ästhetik gefunden hat, der und die sich vernehmlich und erkennbar vom ganzen Rest wie wir ihn kennen unterscheiden. Und bei der – eben deshalb diese Einlassungen – der gesamte Background eine große Rolle spielt; angefangen von der wohlgesetzten Intelligenz und Klugheit, mit der uns Die Regierung beeindruckte (ich sage nur Tilman Rossmy) bis hin zu dem feinen Wissen darum, wie man dies hinkriegt mit dem Groove. Mit der Tanzbarkeit. Mit der Eingängigkeit bis hin zum umwerfenden Hit, den man (den ich) ums Verrecken nicht mehr aus dem Kopf bekomme. „In mir dreht sich alles im Takt der Musik“, trefflich gewählt war das Gesamtmotto der Band Festland, das sie uns via „Rote Liebe“ auf dem Debüt mit auf den Weg gegeben haben. Weil hier aus diesem Satz alles herausspricht, was Festland auszeichnet: Tiefe Hingabe und Liebe, jede Menge Spaß und Freude am eigenen Tun und Experimentieren, die pure Lust an der eigenen Unabhängigkeit und eine beinahe schon unfassbare Fähigkeit des Songwritings. „Welt verbrennt“ steckt voller Hits, eine Platte, die permanent und ständig nach mehr und mehr – nein, nicht schreit, dieses fette Protzertum ist diesen Herren vollkommen und absolut fremd – verlangt. Es sacht und sanft einfordert auf eine Art und Weise, der ich mich auf gar keinen Fall entziehen kann. Pah, ich will es ja auch gar nicht.
Aber da gibt es ja noch einen Aspekt, auf den mich Festland geradezu wuchtigst mit der Nase gestoßen haben: Ja, ich musste beim Hören von „Welt verbrennt“ permanent daran denken, dass sich eine solche Musik in einer Durchdachtheit und – naja, endlich raus mit dem ungeliebten Begriff – Reife präsentiert, die eben jenen Background zwingend erfordert, von dem ich die ganze Zeit schon schwafele. Ja, denken wir doch diesen – herrje, schon wieder ein ungeliebter Begriff – Ausdruck „Adult Oriented Rock“ (kurz AOR) oder in diesem Falle eher „Adult Oriented Pop“ mal von der anderen, von der unseren Seite her. Von einer Seite, die sich seit Jahren, ach was Jahrzehnten auf intensivste Seite mit Musik beschäftigt und dabei so ziemlich alle Spielarten mitgemacht hat. Wenn ich da mal mit einer Aufzählung aufwarte, sind wir ganz nah dran an den Koordinaten von Festland: Jazz, Funk, Krautrock, so ziemlich der gesamte Kanon an elektronischer Musik (Gabber jetzt vielleicht mal ausgenommen), das klassische Prinzip der Hamburger Schule (falls sich noch jemand daran erinnert) und hintendran die ganze Chose mit, ähem, „unabhängiger“ oder, ähem, „alternativer“ Musik (Indie halt von New Wave bis Post Rock). Erwachsenheit mal anders definiert, als meine Erwachsenheit, die sich nicht am pompösen Stadion-Rock orientiert – auf den Punkt gebracht von Festland. Herrje, selten habe ich mich so verstanden gefühlt. Und damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Es geht hier auch nicht um blasierte Langeweile, die ja gerne mal aus Altherren-Musik herausströmt wie nix Gutes und die mich immer wieder an sinn- und zweckfreies Muggertum erinnert. Hey, wir sind ja hier bei den Guten! Der Spaß liegt hier natürlich weniger in der Euphorie und Emphatie des jugendlichen Draufhauens, auch wenn Festland durchaus die richtigen Synapsen zu massieren wissen, was das mit der Euphorie betrifft (siehe die Einleitung). Da ist dann doch wesentlich mehr da an popkultureller Substanz im Sinne eines Andockens an die Neuzeit als bei den üblichen Feuilleton-Hypes – in diesem Zusammenhang ruhig mal die entsprechenden Kommentare der handelsüblichen Bescheidwisser bei oben aufgeführten Link konsumieren (kann man mal sehen, wie schnell Background in Klugscheißerei umkippt – was ich jetzt vollkommen wertungsfrei sage, weil es in der Tat ein schmaler Grat ist, auf dem da balanciert wird, auch von mir).
Ach ja, ich habe jetzt hier nicht ausführlich über Steve Reich referiert. Spare ich mir mal. Der Verweis darauf, wie sehr sich diese Platte aus Background schöpft, muss genügen.
(ZickZack)
www.myspace.com/festlandschoenemusik