Ariel Pink’s Haunted Graffiti – Before Today
Text: Donis | Ressort: Musik | 11. Oktober 2010Dieses unangefochtene Ausnahmealbum beweist vor allen Dingen, dass Kauzigkeit in Pop auch via High-End-Studio-Situation kauzig bleiben kann und darf. Ich erinnere mich sehr gern an das letztjährige Konzert dieser Band in Leipzig, als man in vortrefflicher, verschwurbelter, sympathischer Ariel Pink-Trademark-Manier begann, um auf einmal zu Songs zu steuern, die den frühen Popgedanken solcher diesbezüglichen Milestone-Bands wie Hall & Oates, Steely Dan oder Fleetwood Mac mir nichts, dir nichts auf die UT Connewitz-Bühne zauberten. Ein solch positives Erschrecken erzeugte dieses bei mir, worauf ich mich fast noch einmal vergewissern musste, ob ich tatsächlich auf dem richtigen Konzert verweile. Das tat ich aber. Heute ist mir klar, dass man damals einfach schon einmal zwei, drei Songs dieses nun für uns alle majestätisch strahlenden Popentwurfs vergab, welcher wahlich alle hierfür geforderten Güteklassen beinhaltet. Keine Angst, genug nachbarschaftlichen Schrill und Querschlag enthält „Before Today“ noch allemal, genau so wie die Popwriting-Qualitäten Ariel Pinks ja auch schon immer verifizierbar waren. Nun nahm man aber eben einmal in Tito Jacksons altem Studio auf und fertig war und ist ein bahnbrechendes, das Gestern und Heute verbrüderndes, 1001e Story tellendes, schmunzelndes, üppiges, ironisches und angenehm in alle Richtungen abschweifendes, popmusikalisches Manifest, welches in diesem Jahr definitiv seinesgleichen sucht. Da hat sich 4AD Records einen weiteren Großfisch an Land gezogen. Allein die erste Auskopplung „Round And Round“ mit ihrem Kniefälle verursachenden Mosaik aus Marianne Faithfull, Beach Boys, Scritti Politti-Habitus, Hall & Oates und frühen Phoenix verdient wie kaum ein anderer Song 2010 den Titel Hymne. Und wie spanlos dabei alles ineinander greift, lässt den verblüfften Hörer ein um das andere Mal staunen. Sowieso staune ich bei „Before Today“ einfach nur mauloffen, ob des Einfallsreichtums dieses geekigen Vorbeters und seiner vier Mitmusiker. Das darf dann von Poser-Rock-Hommage bzw. –Persiflage bis hin zur mustergültigen Joy Division-Transformation per „Revolution’s A Lie“ reichen und nichts erscheint dabei Multiplikatoren-haft gewollt oder im Schweiße derer Angesichter auswendig gelernt. Hier muss alles eben so sein, wie es ist. Dies galt bei Ariel Pink ja schon immer, aber jetzt klingt es auch noch richtig dick. Überfliegerplatte!
(4AD/Beggars Group)