Düster. Vielschichtig. Beehoover.
Text: Jensor | Ressort: Musik | 2. November 2010„Concrete Catalyst“ heißt die neue Platte von Ingmar Petersen und Claus-Peter Hamisch aka Beehoover. Ja, genau die Beehoover, an denen ich einen haltlosen Narren gefressen habe – und genau aus diesem Grunde müssen wir hier über „Concrete Catalyst“ reden. Und auch, weil diese Platte schon eine Überraschung ist.
Wo fange ich denn jetzt am besten mal an? Vielleicht doch bei diesem Punkt, den Ingmar mittlerweile nicht mehr so recht hören mag (aus Gründen, will man hinzufügen, wenn man sich all jene Rezensionen vor Augen hält, die es lediglich dabei belassen, auf die Duo-Konstellation der Band hinzuweisen)? Der aber dann doch von einer gewissen Bedeutung ist, wenn es um das Verständnis von Beehoover geht? Gut, spucken wir es flott aus, dann haben wir ihn hinter uns, den schweren Moment: Diese Band besteht aus einem Schlagzeug, einem Bass (nebst einer Batterie von Effektgeräten) und zwei Stimmen. Nein, ich will jetzt nicht auf diesen Novelty-Effekt hinaus, der sich ja in den vergangenen Jahren ohnehin abgenutzt haben dürfte (darf ich einfach mal böse sagen: Wer dies hier verfolgt und sich ob des massiven Namedroppings immer noch nicht bemüßigt gefühlt hat, die Musik dieser Band wenigstens mal abzuchecken, dem ist eh nicht mehr zu helfen). Mir geht es um Sound. Um Sound, der sich aus eben diesen fest determinierten Gegebenheiten nun mal ergibt. Um Sound, der zu einem echten Trademark geworden ist. Da sind wir noch lange nicht beim Songwriting oder so. Nur beim Sound, bei der Art und Weise, wie Ingmar Bass spielt; wie Claus-Peter Schlagzeug spielt und wie beide singen. Definierbar, identifizierbar. Daraus hat sich etwas ergeben, dass in der Tat eine Form des „Unique“-Seins erreicht hat. Auch „Concrete Catalyst“ hat dieses ebenso umwerfende wie einnehmende „Unique“-Sein: Mit der ersten Sekunde ist dies so eindeutig Beehoover, das es beinahe schon wehtut (ah, welch schöner Schmerz!). Noch mal: Wir reden hier bis dato von nichts anderem als Sound – und dies in einer Art und Weise, die ich eigentlich eher im klassischen Techno-Kontext verortet hatte. In dem dieser Sound zu einem (wenn nicht sogar dem) entscheidenden Punkt der Auseinandersetzung ist. Dies finde ich schon mal ziemlich außergewöhnlich; erst recht in diesem Rock-Kontext (von dem wir hier ja reden), in dem die Etablierung eines eigenständigen Sounds nun nicht gerade ganz oben auf der To-Do-Liste steht. Beehoover zählt zu jenen Bands, die diesen Status in Frage stellen.
Warum ich dies außerdem so betone? Weil erst dann deutlich wird, was die Beiden mit „Concrete Catalyst“ geschafft haben: Eine Neudefinition. Ein Bruch mit Erwartungshaltungen (und zwar eben ohne den simplen, zweifellos wirkungsvollen Editors-Trick, einfach das Wohlbekannte im neuen Sound-Gewand anzubringen). Exile on Mainstream-Freund Andreas „Kanzler“ Kohl hat‘s so formuliert: „Raus aus diesem Party-Kontext!“ – was ich zunächst nicht so recht verstanden habe, weil ich den Begriff Party-Kontext einfach vollkommen anders definiere. Aber im Zusammenhang mit einem – yep! – Hit wie „Dance Like A Volcano“ ergibt diese Sache schon Sinn. Ja, die Platte „Heavy Zoo“ machte es einem mit ihrer Kompaktheit, mit ihrer Direktheit, mit ihrem Punch irgendwie schon einfach, sich da reinfallen zu lassen. Yeah, Mann, gib mir die volle Packung! „,Heavy Zoo‘ ist vor 6 Uhr morgens geschrieben worden, da willst du dich einfach wachspielen. Dementsprechend wacher klingt dies dann auch, mit einer ordentlichen Punk-Attitude. Die neuen Stücke sind irgendwie rotweiniger. Sie wurde ja auch nach der Arbeit, am Abend geschrieben“, so simpel kann das mit der Musik sein – zumindest, wenn es mir von Ingmar erklärt wird. Bringen wir es einfach mal auf den Punkt: „Concrete Catalyst“ ist – wesentlich! – düsterer als der Vorgänger. Komplexer. Vielschichtiger. Mithin auch ein kleines bißchen unzugänglicher (was ja per se keine schlechte Sache ist – ich liebe Musik, die man sich ein Stück weit erarbeiten muss). Es gibt einfach viel mehr Links in diesen neun Stücken – Links in Richtung Prog, in Richtung (Doom-) Metal, in Richtung Noise. „Ja, es sind drei Stücke drauf, da wollten wir richtig laut sein. Laut bis hin zu Tribal“, und mit Songs wie „Sultana“ rennen die natürlich offenste Türen bei mir ein. Ja, diese Verbindungen hin zu wuchtigen, effektvollen Noise-Rock sind mir auf der Stelle und ohne Umschweife aufgefallen.
Sound ist ja das eine – Dynamik das andere. Das andere Zauberwort, das im Zusammenhang mit „Concrete Catalyst“ fallen muss. Einfach, weil auch dieses Ding „Dynamik“ durchaus bewusst in diese Musik eingepflanzt wurde. Und dort nun unbedingt hingehört – diesen Link in Richtung Prog hatte ich ja schon erwähnt. Überflüssig davon zu sprechen, wie flott man da abgeglitten ist auf die dunkle Seite des Muggertums, des ebenso ziel- wie sinnlosen Frickelns und Fummelns, des Unwohlsein bereitenden Konzeptreitens. Mit Dynamik, Alter, holst du dich problemlos raus aus diesem Dilemma (ebenso übrigens wie mit der Hingabe zu Metal-Klischees – dazu später mehr, zu Noise-Disharmonien, zu Punk-Attitudes und Doom-Verschleppung). Und wie „Concrete Catalyst“ Dynamik atmet: Angefangen vom zunächst für Beehoover-Verhältnisse beinahe schon verträumt dahinfließenden Opener „Oceanriver“, der mit einem Male den Punch der Disharmonie auspackt, über den schon erwähnten Noise-Rock-Tribal-Exkurs „Sultana“ und den sich permanent ausweitenden „Rocking Chair“ bis hin zu (meinem persönlichen Überhit) „The Dragonfighter“, der sich ganz bewußt und ganz gezielt echte Leerstellen im Sinne von Stille, von Nichts nimmt. Oh, da musste ich wirklich erst mal tief Luft holen – das Ding hat echt gesessen.
Klingt nach Plan und Konzept. Ein bißchen ist es auch Plan und Konzept – in dem Sinne, dass Ingmar und Claus-Peter auf keinen Falle so etwas wie „Heavy Zoo Teil 2“ an den Start bringen wollten. Drin wäre dies allemal gewesen – ich traue ihnen mühe- und bedenkenlos zu, noch einmal so etwas wie „Dance Like A Volcano“ an den Start zu bringen. „Irgendwie haben wir uns schon gesagt, dass wir mit den Erwartungshaltungen spielen wollen. Und diese Erwartungshaltungen auch bewusst zerstören wollten. Aber so verkopft und konzeptionell, wie es jetzt klingt, war und ist es unterm Strich gar nicht. Eigentlich haben wir zwei Baustellen aufgemacht: Zum einenen haben wir einfach drauf los gespielt. Andererseits habe ich mit der Akustischen Stücke gemacht, die wir dann zusammen ausprobiert haben. Wir haben das Ganze aufgenommen und die jeweiligen Parts zusammen gestückelt. Wenn es uns nach drei Wochen immer noch gefallen hatte, bekam es den TÜV-Stempel.“ Wie schon gesagt: So simpel kann das Ganze mit der Musik sein, wenn man es sich von Ingmar Petersen erklären lässt.
Ach ja, die Metal-Klischees. Kriege ich die da jetzt noch sinnvoll unter? Nein, eigentlich nicht. Schön fand ich‘s trotzdem, so schön, dass ich es nicht hinterm Berg halten möchte. Ich wollte es schließlich schon wissen, wie es ist mit diesem Dragonfighter, den Dämonen und der schwarzen Nacht – wenn auch aus anderen Gründen. Einfach weil ich es geradezu poetisch fand und so wunderbar passend zu der Atmosphäre, die mich da faszinierte mit ihrer Melancholie, Düsterkeit, Wucht und Vielschichtigkeit. Dass alles irgendwie ganz anders ist, hätte ich mir eigentlich denken können. „Allein schon der Klang solcher Worte wie Sword oder so hat einfach einen ziemlichen Charme“, erklärt mir Ingmar: „Da geht es uns nicht einmal darum, irgendwelche Metal-Klischees auf die Schippe zu nehmen.“ Und nach einer Pause meint er: „Eigentlich geht es da um Konsequenz.“ What a word!
Spread tha word: Beehoover werden im Dezember noch zwei Shows mit den famosen Ulme spielen – zum einen am 9. Dezember im Karoshi im Kassel und zum zweiten am 10. Dezember hier im feinen Leipzig im UT Connewitz. Hatte ich erwähnt, dass man beide Bands einfach mal gesehen haben muss? Noch eines: In Nürnberg steigt am 10. und 11. Dezember die siebte Auflage der Low Frequency Assaults statt – mit Beehoover am 11. Dezember.
Update: Das war fein, dieses Konzert. Herrje, die werden ja wirklich immer besser. Verdammt, verdammt, wie die ihre, ähem, alten Hits aufgebohrt haben (ich sage nur „Damn You, Charlie Brown“!) – oh, ist das gut. Weiter so.
Fotos: K. Nauber