Kosmischer Pop Part 1 – Sonnenwärme mit Gatto Fritto

Text: | Ressort: Allgemein, Musik | 7. August 2011

Auf so einen Namen muss man ja auch erst einmal kommen. Gatto Fritto. Frittierte Katze also. Immerhin: Er sorgt für Heiterkeit und Aufmerksamkeit, dieser Name. Wie ich es erfahren durfte, als ich das gleichnamige Debut zur Platte des Monats kürte und entsprechende Reaktionen erntete. Naja, in dieser Hinsicht hat Ben Williams alles richtig gemacht. Und im musikalischen Sinne sowieso und sei es nur, weil er uns via „Gatto Fritto“ mal wieder die klare Botschaft rüber gefunkt hat: Space ist the place. Irgendwie. Gut, es ist nun eher jener Space, in dem jemand wie John Carpenter unterwegs ist, in dem die Arpeggios zwitschern und die Snares wie nix Gutes durch die Galaxien zischen (vielen herzlichen Dank an die Kollegen von The Gap für dieses ausnehmend schöne Bild). Um diesen Verweis auf den Retro-Futurismus kommen wir nicht drum herum und wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich bis auf den heutigen Tage gelb vor Neid über diesen einen wunderbaren Satz: „Manchmal erinnert ‚Gatto Fritto‘ fast schon an eine metaphysische Meditation mit den Mitteln analogen Elektroschrotts.“ Argh, warum ist mir nur so etwas nicht eingefallen und zwar eher?

Zum allgemeinen Drumrum: Von Ben Williams ist bekannt, dass er mit Sam Weaver hinter dem Namen Hungry Ghost steckt. Und dass er unter dem Namen Gatto Fritto auch schon ein paar Jähren zugange ist – zumindest sind entsprechende Veröffentlichungen seit dem Jahre 2007 gelistet, damals allerdings noch auf dem Dissident-Label von Andy Blake, was aber auch eine gewisse Stoßrichtung in Sachen Sound aufzeigt. Im allwissenden Internet wird gedroppt, dass Leute wie James Holden – ja, der von Border Community – und Andrew Weatherall schon zu den Fans gezählt werden dürfen, was mir nicht schwer fällt zu glauben. Ein gewisses Grenzgängertum gehört da ja auch zum Selbstverständnis (wenn ich zum Beispiel an dieser Stelle nur mal auf die unfassbar große „Wrong Meeting II“ der Two Lone Swordsmen hinweisen dürfte). Und wenn man sich Gatto Fritto mal so anhört, glaubt man gerne, dass Ben Williams dieses Selbstverständnis gerne teilt: Was da mit „The Curse“ beginnt wie ein feiner weicher Synthie-Pop-Entwurf, der einem ganz gut die Zeit bis zur nächsten Junior Boys-Veröffentlichung überbrückt (wie der De:Bug-Kollege ganz richtig erkannt hat), wird im Laufe der folgenden sieben Stücke zu einem feinen Exkurs durch exaltierte Space-Disco-Gefilde, anständig verkrautete Gestade und psychedelisch schillernde Landschaften. Und dies irgendwie immer im Dienste des Pop.

Fein finde ich hier ja das Info-Blättchen zur Platte, die mit ein paar wirklich ziemlich verwirrenden Hintergründen aufwartet. Was soll ich von der Information halten, er sei gleich einem einer Knut Hamsun-Geschichte Entsprungender kettenklirrend durch die Londoner U-Bahn gezogen und dies gleich geschlagene zehn Jahre lang? Lustigerweise finden sich dies aber in nicht wenigen Internet-Beiträgen zum Thema wieder – ebenso wie die Verweise auf das Fallschirmjägerregiment der britischen Armee oder auf John Dee. Naja, aber wer glaubt, man könne mit Theo Parrish Tanzflächen leeren, glaubt wahrscheinlich alles. Ein paar halbwegs glaubhafte Reminiszenzen gibt es aber doch: Ja, es gibt einen Gatto Fritto-Remix von Franz Ferdinand. Und ja, mit einem Verweis auf Holger Czukay, Baby Ford und Terry Riley (obwohl der im elektronischen Kontext irgendwie fast immer geht – naja, Holger Czukay ja auch) liegt man in diesem Falle gar nicht so falsch. Ebenso wenig mit einer latenten Drug-Attitude, die in der kosmischen Attitude von Gatto Fritto im Hintergrund stets ein bisschen mitschwingt. Das generell Schöne: Wie auf dieser Platte das Schräubchen in Richtung psychedelischer Verschrobenheit immer weiter gedreht wird, ohne das elegante Tarnmäntelchen Pop jemals auch nur so weit zu lupfen, dass die Sache zum unhörbaren Gemugge wird. Was eine Herausforderung ist angesichts der Tatsache, dass Ben Williams durchweg zum Raumgreifenden neigt und diesen Neigungen zumindest mit dem Elf-Minuten-Schinken „Invisible College“ mit Genuss nachgeht (wobei sich auch alles andere jenseits der Fünf-Minuten-Grenze abspielt). Und noch viel mehr beim erkennbaren Hang zur Fläche, zum Ambienten, zum – ach, spucken wir’s doch endlich auch, das üble Wort – Kitsch. Zum Ornament und Verschnörkelten. Zur akustischen Gitarre und den Bongos. Zu den zischenden Sounds, die über einen hinweg rauschen wie Sternschnuppen (höre „Beachy Head“!). Sicher darf man sich beim Genuss der Platte auch der in diversen Reviews schon mit Recht gedroppten Vorliebe des Meisters für das analoge Equipment sein – dies ist den acht Stücken nur wirklich mehr als deutlich anzuhören.

Vielleicht muss auch hier irgendwann mal die Referenz ausgespuckt werden, vor der ich mich die ganze Zeit so gedrückt habe: Jean Michel Jarre. Auch wenn ich seltsamerweise mit diesem Kerl nie irgendetwas anfangen konnte, zumindest in bewußt wahrgenommener Hinsicht. Im Gegenteil, da habe ich immer einen großen Bogen drum gemacht, nur um mich dann über die Science Fiction-Hintertür doch wieder kriegen zu lassen (ich sage nur „Mondbasis Alpha 1“). Viel lieber würde ich aber eh drüber nachdenken, ob die popkulturelle Sprengkraft von „Captain Future“ nicht doch ein wenig unterbewertet ist (inklusive des Soundtracks von Christian Bruhn): DIESER Stoff hat mich wirklich geprägt – bis hin zum Verfassen eigener Drehbücher. Wobei die Verbindung zu Gatto Fritto genau genommen doch eher eine ideelle ist, die sich aus dem Thema des Kosmischen ergibt. Aber nun davon auszugehen, wir hätten es hier mit einem Bruns‘schen Wiedergänger zu tun … Pah, dies wird weder dem einen noch dem anderen gerecht. Wie war dies mit dem Kettengerassel in diversen U-Bahn-Schächten? Hatte ich schon erwähnt, dass „Gatto Fritto“ sich durchaus auch mit einer gewissen morbiden Atmosphäre zu schmücken versteht? Kennt einer noch den Spruch „Im Weltraum hört dich keiner schreien“? So etwas in der Richtung spielt da auch mit rein.

„Durch und durch kosmischer Synth-Pop“ – so bringt es De:Bug-Thaddi auf genau den Punkt, an dem ich ihm unmöglich wiedersprechen kann. Erst recht, weil die Einschätzung, dies alles ist viel näher dran an der Disco als am Wave, auf wohltuende Weise stimmt – und damit setzt Gatto Fritto für meine Ohren dann doch einen hochgradig angenehmen Kontrapunkt zum unausrottbar allgegenwärtigen Eighties-Pop, der manchmal arg ulkige Blüten wie beispielsweise die verstörende neue Architecture In Helsinki-Platte treibt. Und einer derart watteweichen, wunderbar warmen, aber dennoch ziemlich nachhaltig Verspacung schaffenden Annäherung an Kraut und Psychedelic sollte man ja eh nie die Türe weisen.

PS: Zum Abschließer noch ein kleiner Verweis auf das International Feel-Label – via Gatto Fritto feiert dieses das Album-Debüt. Und im Auge sollte man dieses unbedingt behalten: Ein Mensch wie DJ Harvey – gerne auch in seinem Alias Locussolus – hat auf jeden Fall gerade mit dem ebenfalls gleichbetitelten Fulltime-Debüt von sich hören lassen. Näheres dazu demnächst an dieser Stelle.

PPS: Kosmischer Pop Part 2 folgt ebenfalls demnächst an dieser Stelle – mit „Galactic Melt“ von Com Truise.

http://www.myspace.com/gattofrittomusic

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