Tu Fawning – A Monument

Text: | Ressort: Musik | 13. Mai 2012

RAISON D’ÊTRE – Tu Fawnings „A Monument“

[a]URA: Das Doomige und das Velvet Underground-Rumpelige vom Vorgänger-Album wurden verbannt und in ein dehnbares Spannungsgefüge eingebunden. [b]AU: Der daraus resultierende sanftere Druck – welcher vor allem ab der zweiten Hälfte verstärkt zum Ausdruck gebracht wird – hält die Einzelkomponenten geschmeidig zusammen. [c]HOR: Die immer noch brüchige, aufgesplitterte, narrative Klang-Struktur wird schließlich aufgehellt durch eine Art Grundreinigung, die fast die Sterilität eines Arcade Fire-Albums erreicht. Der Gesang wurde gleichsam effektvoll-verfremdet wie auch sehr natürlich und präsent gemischt. [d]ISSONANZ: Im Ergebnis wirkt dies ebenso grau und verschwommen wie auf dem vorangegangenen  Album „Hearts On Hold“. Tu Fawning sind offenbar Meisterinnen des monochromen Auquarellierens. [e]RNST: Die Band vermittelt trotz ihres sehr seriösen und spaßfreien Duktus durchaus Freude an polyrhythmischen Landschaftsbildern. Apropos Bilder. [f]ETISCH: Das neue Cover unterstreicht diese hartcore-romantische Gefühlsdarbietung, es erinnert, wegen der ausgestopften Tiere vor Salon-Ambiente, entfernt an „Rattus Norvegicus“ von den Stranglers. Schon auf der Hülle des Vorgängeralbums gab es ja diese leicht an Joy Divisions „Unknown Pleasures“ gemahnende Grabstein-Gravur. [g]OTISCHER SCHWUNG: Etwas im Klang erinnerte mich an Moonshake. Das stoische Dahintreiben und Raisonieren. Früher gab es beim Too Pure-Label eine ganze Szene jener Bands um Stereolab, Pram oder Laika, welche sich unter anderem dadurch auszeichnete, daß man Soul, Rock, Chanson und Blues eine kühle und maschinenhafte Tarnkappe überstreifte und damit einen interessanten Kontrast erreichte. Woraus sich durchaus so mancher  Distinktionsgewinn ziehen ließ. [h]ERMENEUTIK: Tu Fawnings Vorgehensweise zeichnet sich nun eher durch das Gegenteil aus. Man versucht nicht historische Stile zu dekonstruieren, sondern Underground-Sounds lediglich ein schillerndes Outfit zu verpassen.

Tu Fawning als Eurhythmics (Photo: City Slang, Bearbeitung: Autor)

[i]NVARIANTE: Wenn eine Musik nun, aus prima progressiven Gewässern herausgefischt, abgepudert, in eine Nobelfischdose verpackt, als Kaviar vermarktet wird, so ist das natürlich weniger sophisticated als vielmehr eine Mogelpackung – auch, wenn man’s vielleicht im ersten Moment gar nicht herausschmecken kann, weil es sehr selbstbewußt vorgetragen wird. Tu Fawning klingen nicht „apart from everything else out there“, sondern  naturidentisch aromatisiert. [j]UGENDSTIL: Die Werbung: „There is no genre to point to, no drawer to throw this band into“, gewährt somit ganz unverholen Einblick in das Strickmuster des historistischen Patchwork-Stils der Band. Glauben will ich gerne, daß das Verfahren, viele wirklich coole Dinge einzubinden, darauf zielte endlich einen eigenen Charakter zu bekommen, wenn die Band selbst schreibt: „For this album we were no longer starting with a vague identity“.

Tu Fawning als Clannad (Photo: City Slang, Bearbeitung: Autor)

[k]ULTURINDUSTRIE: Manche Vermarktungskampagnen werfen heutzutage alles Erfahrungs-, Empfindungs- und Wahrhaftigkeitssuchen über den Haufen, weil sie offenbar vom Texter einer Immobilienfirma – kalt kalkulierend mit der Borniertheit, Naivität oder Anlehnungsbedürftigkeit eines etwas unterbemittelten Musikjournalisten – stumpf auf vermeindliche Verkaufsattraktivität getrimmt werden. [l]YRIK: „And let’s not forget dramatic!“ „Does it get anymore dramatic than „Build A Great Cliff?“. Es schreckt ab, wenn Verschwommenes, Unausgegorenes auch noch  mit Übertreibung gepaart wird. [m]ETIER: Wenn ich an einem Punkt wäre, die Qualität eines Albums danach zu berechnen, wer produziert hat, welche Rekorder wann und wo wie verwendet wurden, dann wäre mir das egal. Als Sympathisant einer ansonsten profunden Labelarbeit bei City Slang, muß ich das aber gerade monieren. [n]EOKLASSIZISMUS: Die Band bewegt sich – die Gründe bleiben vorerst unklar – sehr vage in Kontexten von Post-Wave und Neo-Hippie-Hipstertum. [o]RNSTEIN, ROBERT: Haltung und Musik von Tu Fawning in Relation zueinander zu setzen ist eine Aufgabe für Erkenntniswissenschaftler. [p]ROTEST: Der aufgekratzte bis divenhafte Gesang geht einher mit einem anti-rebellischen, extrem stylischen musikalischen Ausdruck.

Tu Fawning als Blondie (Photo: City Slang, Bearbeitung: Autor)

[q]UALITÄT: Das mutet oberflächlich soulful an wie Eurhythmics, oder  folkig wie Clannad, bei der Arbeit an einem The Fall-Cover-Album, und wärmt contentmässig nicht unbedingt das Herz. Aufgesetzt kam mir auch schon das letzte Album vor. [r]EGRESSIONEN: Welcher Türsteher läßt unpolitisch aussehende, aufgerüschte Tu Fawning-Fans in ein Bohren & Der Club  Of Gore-Konzert rein? So könnte sich das beim „Apocalypse Now [And Then]“-Thementag im  Hebbel am Ufer in Berlin zugetragen haben. „Ich dachte, das sind Blondie“. [s]OLIPSISMUS: Dort, im HAU-Flyer wird „A Monument“ als Meisterwerk gefeiert, welches „die Apokalypse in gescheiterten Beziehungen und den Abgründen amerikanischer Alltagskultur lokalisiert“ – wer ist gemeint, wenn ebendort von den Traditionen des Vaudeville oder Verpflichtungen zum düsteren Hip-Hop die Rede ist. Die Talking Heads, Aesop Rock? Für mich scheinen da nur Anleihen auf, tut mir leid! [t]ABU: „Not all gothic, but certainly all dark. Weird, eccentric, timeless are user-friendly adjectives for the simple minded when trying to describe a band such as this.“, entgegnet der City Slang-Werbetext. [u]RTEIL: Schön aufgedonnert, prätentiös, aber leider zu epigonenhaft, manieristisch und diffus. Das ist gerade nicht zeitlos, sondern das Gegenteil. [v]ÖLKERVERSTÄNDIGUNG: Apokalyptisch, im Sinne einer Kritik des Bestehenden, könnte ich eine Band nennen, die das Zeug hätte zum Wachrütteln und Warnrufen. [w]ELTMUSIK: Vielleicht gelingt Tu Fawning ja am Ende doch noch die Quadratur des  Kreises und sie rütteln auf in dem Sinne, daß viele Hörer selbst im romantisch-eklektizistischen Kitsch noch eine Wahrheitssuche und Kritik nachfühlen können. Auch, wenn ich dazu eher die Balkan Beat Box empfehlen möchte. [x]TRMNTR: Radikale Formen von Musik, die ästhetisch auf Zustände reagieren sollen, unterliegen natürlich immer dem Risiko als Experiment zu scheitern, eine Leerstelle zu erwischen und gnadenlos in der Bewegung zu erstarren, aber sie hätten zumindest die Geste des Offensiven, des Rebellischen, des Nichteinverstandenseins zelebriert. [y]PERSOUND: Klar, die musikalischen Revolutionen, die Massen- und Jugendbewegungen sind zuende. Konzentrieren wir uns auf Aufstände. [z]USTANDSBESCHREIBUNG: L’art pour l’art, oder Denkmalpflege – etwas, das sicherlich auch seine Berechtigung, einen gewissen Sinn hat, didaktisch gesehen.

City Slang

emstrong

-->

Die Kommentarfunktion ist abgeschaltet.