Die PnG-Kinotipps

Text: | Ressort: Film | 10. August 2012

Merida

Mutiger Rotschopf

An starken Identifikationsfiguren für Mädchen mangelt es ein wenig im Animationskino. Zumindest sind sie selten als Protagonistinnen zu sehen. Während „Cars“ ganz der Zielgruppe der kleinen Jungs gewidmet wurde, schickt Pixar nun mit „Merida“ eine Heldin mit roter Lockenmähne um die Gunst des anderen Geschlechts ins Rennen.

Die talentierte Bogenschützin entspricht nur wenig den Vorstellungen ihrer Mutter. Viel lieber eifert sie dem Vater nach, denn der bärige Hüne ist König von Schottland und unterhält alle nur zu gern mit Geschichten von seinen Heldentaten. Doch als Merida alt genug ist, soll sie verheiratet werden. Eine Hochzeit soll den Verbund der Clans stärken und den Frieden erhalten. Merida hat überhaupt keine Lust, ihr Dasein als Prinzessin zu fristen und sabotiert das große Turnier im Bogenschießen, bei dem der Gewinner um ihre Hand anhalten darf.

Der Konflikt zwischen Mutter und Tochter ist natürlich nichts Neues. Wie Mark Andrews, der bereits an der Storyentwicklung zahlreicher Pixar-Hits beteiligt war, ihn schildert, ist allerdings erfrischend und überrascht durch das Verständnis für beide Seiten. Mit einem Schuss Magie und einem gut austarierten Tempo begeistert auch dieses neue Werk der Animationsschmiede. Dass es mal wieder atemberaubend aussieht und technisch auf dem neuesten Stand ist, bleibt da fast überflüssig zu erwähnen.

USA 2011 / R: Mark Andrews

Who killed Marilyn?

Poupoupidou

Auch die französische Provinz ist bevölkert von Figuren, die aus einem Film der Coen-Brüder stammen könnten. Ein Schriftsteller ermittelt in einem Mordfall und entdeckt eine Geschichte, die er sich nicht besser hätte ausdenken können.

Ein klappriges Auto auf dem Weg in die Provinz. Mit jedem Kilometer, den der Wagen durch den winterlichen Wald zurücklegt, wird die Gegend rauer und die Zivilisation verschwindet im Rückspiegel. Als der Krimi-Autor Rousseau in dem Nest Mouthe am Rande des Juragebirges dem Auto entsteigt, erfährt er gleich, warum man den Ort „Klein-Sibirien“ nennt. Der eigentliche Grund, warum es ihn in diese unwirtliche Gegend verschlagen hat, ist relativ schnell obsolet: seine verstorbene Mutter hat ihm lediglich ihren ausgestopften Hund hinterlassen.

Als Rousseau den Rückweg antreten will, wird er jedoch auf einen Vorfall aufmerksam: ein junges Marilyn Monroe-Lookalike aus dem Ort soll Selbstmord begangen haben – an der Grenze zur Schweiz, im Niemandsland, wo sich niemand verantwortlich fühlt. Er wittert einen Stoff für seinen neuen Krimi, der schon länger auf sich warten lässt.

Es entspinnt sich eine gemächliche Investigation der traurigen Schönheit und ihres von seltsamen Typen bevölkerten Umfeldes. Regisseur Gérald Hustache-Mathieu hat seine Vorbilder gut studiert und schuf einen spannenden und wunderbar lakonischen Kleinstadtkrimi mit der Atmosphäre von Twin Peaks, einem Chandlerhaften Helden und schrägen Figuren, die aus den Filmen der Coen-Brüder stammen könnten.

F 2011 / R: Gérald Hustache-Mathieu / D: Jean-Paul Rouve, Sophie Quinton, Guillaume Gouix etc.

Jeff, der noch zuhause lebt

Richtungswechsel

Ein Stoner und ein Schwätzer auf Abwegen: wenn Brüder von Brüdern erzählen, fallen die Masken.

Jay und Mark Duplass sind zwei der derzeit interessantesten Regietalente des US-Kinos. Ihre Indie-Komödie „Baghead“ war bereits ein Musterbeispiel an Skurrilität in Celluloid. „Cyrus“, ihr erster Film beim Major Twentieth Century Fox eine abwegige Dramödie mit John C. Reilly und Jonah Hill. Nun setzen sie Jason Segel („Muppets“) und Ed Helms („Hangover“) in ein Auto und lassen sie durch ihre Heimatstadt schlingern. Die ungleichen Brüder haben sich viel zu sagen, was bisher verschwiegen blieb. So lebt dieser unaufgeregt und ehrlich erzählte, aberwitzige Trip durch einen chaotischen Nachmittag dann auch vor allem von den Dialogen – und der Chemie zwischen Brüdern, über die das Regieduo bestens bescheid weiß.

USA 2011 / R: Jay Duplass, Mark Duplass / D: Jason Segel, Ed Helms, Susan Sarandon etc.

Familientreffen mit Hindernissen

Ein Sommer wie er früher war

Julie Delpy nimmt uns mit auf eine Reise in ihre Kindheit und besetzt sich selbst als ihre Mutter.

Ein Sommer auf dem Land. Es ist 1979. Die französische Republik ist gespalten zwischen Weltverbesserern und Konservativen. Das spiegelt sich auch in der Großfamilie wieder, die anlässlich des 65. Geburtstags der Oma zusammen kommt. Ein Wochenende lang wird geredet, gegessen, getrunken, geredet, gesungen und noch mehr geredet. Wir beobachten das Gebaren der Erwachsenen durch die Augen der elfjährigen Albertine. Es ist die Sicht von Julie Delpy, die „Skylab“ (im Original ist der Film benannt nach dem Satteliten, der in jenem Sommer über der Bretagne abstürzte) schrieb und inszenierte und Albertines Mutter mimt. Ihre zweite Regiearbeit in diesem Sommer ist durchflutet vom warmen Sonnenlicht der Erinnerung und aalt sich angenehm lässig in der Lauflänge. Laut, geschwätzig, lustig und bunt – und auch Papa Albert ist wieder mit dabei. Eine warmherzige Coming-of-Age-Komödie und ein wohlig nostalgischer Trip in die Kindheit.

F 2011 / R: Julie Delpy / D: Julie Delpy, Lou Alvarez, Eric Elmosnino

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