Richard Brautigan – Ausgewählte Texte

Text: | Ressort: Literatur | 30. Oktober 2012

Aldo erwähnte letztens, dass es ein neues Brautigan-Lesebuch gibt. Er sagte: „Ich verstehe gar nicht, warum niemand Brautigan liest. Das müsste doch viel mehr Leuten gefallen.“ Dann saßen wir in der Küche und inspizierten das neue Lesebuch. Aldo sagte: „Wegen mir soll er unentdeckt bleiben, aber ich hätte die Romane gern in dieser Form neu aufgelegt.“

Die Rezension von „Ausgewählte Texte“ findet zwischen den Aussagen von Aldo statt. Wenn man das Werk von Richard Brautigan kennt, hat man diverse Probleme mit dem neuen Lesebuch.

1. Problem: Im Nachwort schreibt der Herausgeber Markus Klose: „Brautigans Texte haben nichts Missionarisches, nicht einmal etwas Vermittelndes.“ Zu der Aussage kann man stehen wie man möchte, allerdings wird das Buch gleichzeitig suggestiv als Ratgeber angepriesen. Das passt nicht zusammen. Vermutlich sollen mit dieser Taktik ein paar Pseudo-Esoteriker abgegriffen werden, die von der Glücksforschung genug haben und Trost suchen.

2.Problem: Das Lesebuch beginnt mit wild gepickten Romankapiteln, die ohne Zusammenhang aufeinander folgen. Wenn man in Brautigans Prosa einführen will, sollte man das mit seinen Short Cuts machen. Davon gibt es schließlich genügend. Zu den Romanen später mehr.

3. Problem: Kein Mensch auf diesem Planeten sollte Brautigans Gedichte in deutscher Übersetzung lesen. Die UNO muss das verbieten. Ich schätze Günter Ohnemus für seine Übersetzung des Brautigan Werkes sehr, aber bei den Gedichten kann man nur verlieren. Da muss sich eins der größten Gedichte der Weltgeschichte mit einer bemühten Übersetzung begnügen, die zwar inhaltlich trifft, ästhetisch aber ein Fauxpas ist.

Color as Beginning

Forget love
I want to die
in your yellow
hair.

(Richard Brautigan, Rommel drives on deep into egypt, New York, 1972, S. 72)

Farbe zu Anfang

Was soll denn Liebe –
sterben möcht ich
in deinem gelben
Haar.

(S. 40)

4. Problem: Warum man sich bei der Auswahl unbedingt auf Brautigans Japan-Gedichte spezialisieren musste, bleibt ein Geheimnis. Vielleicht für die Pseudo-Esoteriker. Es gibt Tonnen von Brautigan-Gedichten, die brillanter sind.

Trotzdem muss man den Versuch von Markus Klose absolut kreditieren! Die Ambitionen bezüglich Brautigan waren in den letzten Jahren eher sinnfrei (z.B. die eigenartigen 16€-Ausgaben des Kartaus Verlages). „Ausgewählte Texte“ ist unglücklich kompiliert, aber der Einband und die Aufmachung sind sehr hübsch. Eine edle Ausgabe, die dem Geist von Brautigan nahe kommt.
Jeder Mensch sollte die Romane von Brautigan lesen und nicht zufällig vereinte Auszüge. Man muss diese Texte selbst entdecken. Es ist absolut notwendig, dass die Romane in dem Stil von „Ausgewählte Texte“ neu aufgelegt werden. Der größte Coup könnte die Veröffentlichung von „The God of the Martians“ sein, dem ersten (und bislang nicht publizierten) Roman Brautigans. Man kann also nur hoffen, dass man bei Hoffmann & Campe einsieht, dass diese halben Sachen zu nichts führen. Bringt im Frühling lieber „In Wassermelonen Zucker“ raus.

Richard Brautigan – Ausgewählte Texte, 2012 erschienen bei Hoffmann und Campe.
Pappband, 128 Seiten, 12€

Joshua Groß

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