Bretterbauer – Bretterbauer
Text: Joerg | Ressort: Musik | 6. Januar 2013Du hast kein Öl im Meer. Und kein‘ Gen im Mais. Wie bitte!? Lediglich Peter Hein darf solch Grobgeschnitztes texten, weil er fast jedesmal dabei jede Peinlichkeit noch gerade um Haaresbreite umschiffen kann. Aber dazu noch ein sexistisches Video, zum Song „Nur ein Mädchen“. Denke gerade, jetzt hört der Spaß auf. Da sehe ich, neben tonnenweisen Universal-verseuchtem Promoquatsch, Fake-Interviews oder Häppchen-Köderei, jene Band, Bretterbauer, auf dem langen Weg von Mainstream nach Punkrock, irgendwo stimmlich mit Westernhagen verwandt und klanglich mit dem Ton Steine Scherben-Kosmos vertraut, keine Angst vor niemand, fidele Dehnübungen machen. Das Kerlchen, Jakob Bretterbauer aus Österreich, das rein äusserlich eine leichte Ähnlichkeit zum jungen Elvis Costello aufweisen kann, verblüfft mich mit einer Chuzpe, die man ihm erst mal nachmachen soll. Dass der Text überhaupt an dieser Stelle hier erscheint grenzt schon an ein kleines Wunder. Und Universal hat mich weder dafür bezahlt, noch bestochen, gekauft oder sonst etwas. Auch habe ich keine besondere Affinität zum Snowhite-Label, Verwandte oder Geliebte dort. Alles ganz platonisch. Und ich habe es mir reiflich überlegt, diese Band hier zu besprechen. Es mußte einfach sein, weil es immer möglich bleiben muss, dass junge Leute zwar die falschen Deals am Anfang ihrer Karriere machen, sie aber dennoch das Potential zu etwas Erhabenerem in sich tragen. Na, jedenfalls in Bezug zu 1000 Robota, Messer, Ja, Panik oder anderen, – die kurz vor ihrer Verabredung mit Tobias Levin stehen oder bereits mit ihm produziert haben – fallen Bretterbauer durch die denkbar größte Unbekümmertheit in dieser Riege auf. Peinlichkeit? Egal. Anspruch? Vergessen. Abgeklärtheit, Coolness? Keine Ahnung ‚von. Da werden weder akurate Referenz-Häuser hochgezogen, noch unverholene Anbiederei zelebriert. Als erschiene plötzlich ein Jens Friebe – unter Hypnose, selbstredend – und schriee, bar seines disparaten Überbaus, aus ganzer Kehle: „Komm mal ruhig ein bisschen näher – dann kann ich Deinen Atem spür’n“, wozu sich die Band kurz zu einem stoisch-harten Abwärts-Sound hin steigert. Dann noch die haarsträubende Idee ein Ton Steine Scherben-Cover mit auf das Album zu nehmen. Die Geschichte „Von Einem der auszog das Fürchten zu lernen“ fällt mir dazu ein. Natürlich spiele ich diesen Track als ersten an, denn diese Art Cover-Versuche gehen zu neunzig Prozent in die Hose. „Wir müssen hier raus“ stellt sich dann überraschend als ideale Blaupause für Bretterbauer heraus. Nur wirklich angstfreie, naive, überschwängliche und mit einer guten Portion Romantik ausgestattete Charaktäre können das Stück so spielen, dass es nicht nur kalte Angstschauer über den Rücken jagt – und die meisten nehmen aus diesen Gründen auch respektvoll Abstand gegenüber Rio Reisers Intonationen ein. Die letzten beiden guten Versionen, die ich im Gedächtnis behielt, kamen von den Sternen und den 3 Normal Beatles. Mit jenen kann man die Band Bretterbauer bisher nur im Traum vergleichen. Hier klaffen neben Klang- vor allem noch textpolitische Welten. Aber, man sollte seine Träume pflegen. Wo auf der einen Seite der Tagtraum eine frische, linke, flinke Band malt, verdüstert auf der anderen ein Alptraum das Bild, durch den wirklich sehr ähnlichen Sprachduktus festgeschrieben: Marius Müller-Westernhagen. Auch die Themen und Sujets sind dann teilweise auf diesem recht griffigen, aber immerhin Westernhagens Nietenjeansjackenphasen-Sekt-oder-Selters-Niveau – auf welchem dieser einst sogar von Wolfgang Welt als „nicht ins Seichte“ abgleitent und „immer handfest“ goutiert wurde. Die Buddy Holly-Brille muss sich Bretterbauer noch verdienen, – tatsächlich kommt schon sehr viel Energie rüber, Druck, Emphase – authentisches Ringen. Das Album ist, gemessen am recht fluffigen Grundzustand deutschsprachiger Gitarrenmusik am Rande des Mainstreams, inkarniert durch Bands wie Tomte, Kettcar oder neurdings Kraftklub, ein recht kühner Wurf geworden. Es wirkt so wunderbar unbedarft und facettenreich heruntergespielt, herausgesprudelnd und unverstellt erzählend, dass ich durchaus Sympathien entwickeln konnte für soviel Selbstkontrollverlust. Bei aller möglicher Angriffslust – auf die dabei als Nebenprodukte herausgepurzelten, teils unglaublichen Plattheiten und unfreiwilligen Slapstick-Einlagen -, setzt hier mein Beißreflex aus. Vergiß es einfach, sage ich mir. Und bin gespannt, bange mit, wenn diese ambitiöse Truppe bei Konzerten – idealerweise als Vorgruppe für Abwärts oder Fehlfarben – im rauhen, kalten Indie-Keller eventuell Federn lassen muss. Wünsche angenehme Gänsehaut sowie viele Schleifspuren an Ecken und Kanten.
Snowhite (Universal) 2012