Ein Jahr: Was 2012 mit mir machte Part 2
Text: Jensor | Ressort: Allgemein, Diary, Musik | 20. Januar 2013Was war cool im Jahre 2012? Eigentlich eine ganze Menge (siehe auch Teil 1). Ich hatte es schon erwähnt: Musik zu goutieren hat eine Menge Spaß gemacht – zum einen wegen diverser Überraschungen von Leuten, die man gar nicht auf dem Zettel haben konnte. Weil es sie simpel gesagt noch gar nicht richtig gab auf dem Radarschirm der Möglichkeiten. Wie beispielsweise die Metal-Outsider von Pinkish Black oder die Noiser von Metz. Andererseits tauchten gute alte Bekannte wieder auf der Bildfläche auf. Und dann gab’s auch noch Hassobjekte. Aber Hassobjekte, bei denen es wieder Leute gab, die mühelos zeigten, dass die massive Abneigung sich ganz simpel auf die miserable Qualität diverser handelnder Leute zurückführen ließ. In diesem Sinne Part 2 des Rückblicks mit Grenzüberschreitungen im Metal, der Wucht von Noise, Comebacks und der Liga des schlechten Geschmacks namens EDM.
Grenzüberschreitungen im Metal
Pinkish Black – Pinkish Black (Handmade Birds)
Dem Metal sagt man gemeinhin Wertkonservatismus nach. Was in der großen Masse der verhandelbaren Fälle sicherlich auch stimmt – wer dies nicht glaubt, sollte spaßenshalber mal in „Stalingrad“ von Accept reinhören, in „Shadow Soldiers“ oder „Against The World“ zum Beispiel. Jepp, die Stücke sind ebenfalls aus dem Jahre 2012. Andererseits ist der Metal auch ein Tummelplatz von Verrückten, Wahnsinnigen und Durchgeknallten. Von Leuten, die an der gängigen Definition von (Metal-) Musik herumrütteln. Eine schöne Adresse für derlei Tun (allerdings nicht rein metallisch definiert) ist das Label Handmade Birds, das ich schon seit Circle Of Ouroborus ins Herz geschlossen habe (ach ja: Nein, ich werde mich an dieser Stelle auf keinen Blutharsch-Diskurs einlassen – ich habe derart viel Widersprüchliches, Uneindeutiges, schwer Definierbares zum Thema Albin Julius gelesen und gehört, dass ich mir dazu schlicht keine unverrückbare Meinung erlauben möchte). Und genau von dort kommt mit dem Duo Pinkish Black ein neuer bewußtseinserweiternder Sound-Entwurf. Schlagzeug, Loops, Keyboards, Synthesizer und Gesang. Keine Gitarren. Ich wiederhole: KEINE Gitarren. Dafür grummelnde Finsternis, schwärzeste Gedanken, potenzierte Schlechtgelauntheit, zehrende und zerrende Intensität, haarsträubende Negativität. Und dies alles im Quadrat. Ach was, eigentlich noch wesentlich höher potenziert. In diesem Sinne waren Daron Beck und Jon Teague für mich 2012 eine echte Sensation – unter anderem, weil sich das Bewußtseinserweiternde nicht nur auf die Form beschränkte (was schon mal eine Menge wert war), sondern auch auf den musikalischen Inhalt. Die Hipster von Pitchfork verorteten das Ganze ganz richtig irgendwo im Niemandsland zwischen Deathrock, Doom Metal, Drone, Punk und Darkjazz. Was mich besonders freut: Derlei Musik scheint inzwischen Öffentlichkeit zu erreichen. Century Media haben sich zumindest Pinkish Black schon an Land gezogen. Feine Sache.
Laut! Krach! Noise!
Metz – Metz (SubPop)
Das eigentlich recht schöne Wort „Rock“ hat ja im vergangenen Jahr (mal wieder) eine ganz neue Stufe des Substanzverlustes erleben müssen. Was mittlerweile alles ungestraft als Rock bezeichnet werden darf – herrje. Wäre der liebe Gott – ganz gleich, in welcher konfessionellen Ausrichtung – ein Musikliebhaber, würde er jemanden wie Anastacia ununterbrochen mit Durchfall peinigen. Mindestens. Und all jene gleich mit, die Entäußerungen wie „It‘s A Man‘s World“ für, ähem, „rockend“ halten. Womit zumindest der Beweis erbracht wäre, dass Gott auch keine Ahnung von Musik hat. Doch was soll‘s, es gibt ja Abhilfe. Wenn also mal wieder so ein Spinner auftaucht und vorsätzlich diffamierend Weichspülerei als Rock bezeichnet, werde ich ihn mit Metz in vollster Lautstärke malträtieren. Denn die rocken nicht nur, die noise-rocken und zwar vom allerfeinsten. Was mal wieder meine These stützt, nach der die unterschiedliche Musikstyles niemals weg sind – Piano-House ebenso wenig wie Roots-Dub oder Goa (brrrr) oder Shoegaze oder eben Noise-Rock. Es braucht halt immer eine öffentliche Wahrnehmung, die ja in flächendeckenden Internet-Zeiten relativ leicht herzustellen ist. Oder – um etwas mehr Breite zu erreichen – eine anständige Hausnummer wie SubPop. Ich singe das Hohelied des Labels nun schon seit vielen Jahren und mit Metz gibt‘s eine neue Strophe zu intonieren. Krach! Energie! Übersteuerung! Geschrei! Aaaarggghhhh! So etwas würde Tom „Amphetamine Reptile“ Hazelmyer auch gefallen. Besseres kann man wohl nicht sagen.
Ein Comeback
Soundgarden – King Animal (Seven Four/Republic)
Ich bin jetzt nicht so der News-Fetischist. Das „Announcing“ von irgendwas interessiert mich eigentlich nicht, so lange kein hörbares Ergebnis vorliegt. Ich bin auch nicht unbedingt ein Video-Freak (mit Musik ist die freie Zeit voll und ganz ausgelastet) und noch viel weniger habe ich Bock auf irgendwelchen Gossip. Insofern war die haptische Rückkehr von Soundgarden schon eine Überraschung für mich – Reunion-Gigs hin, Ankündigung von 2010 her. Noch überraschender fand ich allerdings die Rezeption von „King Animal“ im, ähem, musikalischen Hipstertum: Das persönliche Beleidigtsein von Leuten, die vermutlich genauso lang dabei sind wie ich selbst (da wurde zumindest munter von „Louder Than Love“ und „Badmotorfinger“ gequatscht, was ja – ich weiß – auch erstmal noch nichts zu bedeuten hat in dem Sinne, dass die entsprechenden Platten auch wirklich im Schrank stehen), war geradezu körperlich zu spüren (leider ist das Spex-Review nicht online). Das Beleidigtsein ob das Tatsache, dass Soundgarden es gewagt haben, eine Corporate Rock-Platte zu veröffentlichen. Geradeso, als wären Soundgarden nicht schon vor 16, 17 Jahren eine halbwegs sarturierte Rockband gewesen, die im Stadion angekommen nur noch an der Verfeinerung des Erscheinungsbildes arbeitet. Unter diesen Gesichtspunkten fand ich die neue Platte richtig gut – weil sie doch um einiges frischer, unbeschwerter, ja geradezu knackiger klang als ich es auch nur in meinen kühnsten Träumen erwartet hätte. So kann‘s manchmal auch kommen.
EDM
Boys Noize – Out Of The Black (Boys Noize Records)
Nennen Sie mal rasch das musikalische Unwort des Jahres! Nun? Schon eingefallen? Klar, es geht um Electronic Dance Music. Die moderne Dancefloor-Pest. Und wer hat‘s erfunden? Die Amis mal wieder! Herrje, Anti-Amerikanismus galore, hehehe, ist ja eigentlich nichz meine Baustelle – aber diesen Schuh müssen sie sich diesmal leider anziehen lassen, Sympathie hin oder her. Skrillex soll es hauptsächlich gewesen sein, aber ich finde, dass alle anderen, die unter der enorm schwammigen Definition EDM (die je von Brostep bis Großraumdisko-House reicht) goutiert werden, sich ihre Dresche durchaus redlich verdient haben: Tiesto, die Swedish House Mafia, Deadmau5, Rusko, selbstredend David Guetta – naja, die ganze Vollversammlung des schlechten Geschmacks. Dabei ist ja – um noch einmal auf Sonny John Moore aka Skrillex zurückzukommen – das Prinzip „Gebollere“ an sich nichts schlechtes (ebenso wenig wie „Massive“ von Native Instruments übrigens). Rumbollern tut ja beispielsweise auch Alexander Ridha aka Boys Noize und zwar am liebsten im intensiven Acid-Modus. Aber eben nicht nur. Was aus „Out Of The Black“ eine durchaus abwechslungsreiche Platte macht – so im Rahmen dessen, was bei der Maßgabe „Rumbollern“ machbar ist, wodurch sich möglicherweise auch das Sättigungsgefühl nach zwölf Tracks/Songs erklärt. Aber der Typ hat Spirit. Ganz einfach. Der weiß, wo Barthel den Most holt (bei Kraftwerk nämlich) und hat ein feines Händchen für die Bereiche, in denen House an HipHop grenzt. Für Acid sowieso, aber auch für den schlauen Techno mit Hang zur Hände-in-die-Luft-Peaktime. Besser als die genannten Schlechtigkeiten? Unbedingt besser! Viel besser! Und jetzt ab zu Ausrasten.
Achtung: In der nächsten Runde geht’s um das Krautige (diesmal in echt), um House im Jahr 2012, um Konsensmugge und um den Liebling forever. Rock on!
Fotos: Bobby Reis (Metz)/Labelpage (Soundgarden)