Oldschool, Baby: KMFDM – Kunst

Text: | Ressort: Allgemein, Musik | 13. April 2013

Ja, ich gebe zu, mich ein bißchen um diese Platte gerissen zu haben. Weil sie mich – ganz ehrlich! – interessierte. Richtig interessierte. KMFDM, da war ja mal was. Ministry, Nine Inch Nails, Lard, die Revolting Cocks („Do Ya Think I‘m Sexy“, yeah man!), Pigface und My Life With The Thrill Kill Kult (die scheint es ja – oh mein Gott – auch immer noch zu geben!), diese ganze Wax Trax!-Posse eben und dann diese Wahnwitzigen aus dem Earache-Umfeld, O.L.D. (James Plotkin rules!), Godflesh, Scorn. Zeni Geva. Sielwolf. Oh Mann, harter Stoff. Und mittendrin steckten KMFDM, grölten „We‘re KMFDM and all other bands stink“ und „We don‘t like Michael Jackson/We hate Depeche Mode/We don‘t care for Madonna/Or Kylie Minogue“ („Sucks“, 1993), woraus sich dann das „Kill Mother-Fuckin‘ Depeche Mode“ entwickelte (obwohl das Ganze ursprünglich für „Kein Mehrheit Für Die Mitleid“ stand) – und ich hatte da wunderbar meinen Spaß dran. An dieser feinen Kombination aus industrial-metallisierter Härte und eingängiger Pop-Ästhetik, die sich da manifestierte (kommt mir jetzt bitte nicht damit, in KMFDM würde kein Pop drinstecken – Dissing hin oder her!).

Das ist jetzt alles echt ne Weile her. Ne ganze Weile sogar. Und ein bißchen bringt Sascha Konietzko das ganze Problem schon beim Opener „Kunst“ auf den Punkt. Da singschreit er dann doch das „Kill Mother-Fuckin‘ Depeche Mode“, immer wieder, immer drauf. Nein, ich rege mich nicht über das Plakative auf, das kann manchmal gut sein – siehe beispielsweise die an eben dieser Plakativität nicht zu überbietenden grafischen Ästhetik der Band, die nicht müde wird, die ROSTA-Fenster zu zitieren. Aber warum jemanden angehen, der eh schon am Boden liegt? Warum eine Band vernichten wollen, die das justament mit einer neuen Platte auch ganz gut selbst hinbekommen hat? Depeche Mode taugten einst trefflich als Ziel, so nach „Violator“, „101“ und „Songs Of Faith And Devotion“, weil es riesengroß war und trotzdem schwer zu treffen, weil vollgestopft bis oben hin mit Credibilty. Genau das Richtige, um allerorts Schnappatmung zu erzeugen. Irgendwie ist das vorbei. „Kill Mother-Fuckin‘ Depeche Mode“? Wegen mir. Und dazu sägen munter die Gitarren, pumpt der (EBM-) Beat, summbrummt die industrialisierte Elektronik und manchmal muss es eben auch der liebreizende Gesang von Lucia Cifarelli sein als aufbrechender Kontrast. Hach ja. Es fällt eben ein bißchen schwer, KMFDM in die Neuzeit zu transportieren. Obwohl es die Band inhaltlich mit aller Kraft tut: Das Cover bezieht sich in seiner Symbolik direkt auf Pussy Riot und Femen, was denn auch im Song „Pussy Riot“ fortgeführt wird. Trotzdem will sich dieser kräftige Old-School-Nachgeschmack partout nicht verflüchtigen …

Was – und jetzt kommt der eigentliche Clou – sogar fast schon ein bißchen cool ist. Ist es peinlich zu sagen, dass sich „Kunst“ ziemlich prima weghört? Nö, mir ist es kein bißchen  peinlich. Ich war eher richtig erstaunt, wie gut mir dieses Zeug nach runden 17 Jahren Abstinenz (so lange hatte ich das Ganze wenigstens aus den Augen verloren) gefällt. Wie fein das Füßchen wippte beim EBM-Gebollere, beim Gitarren-Gesäge und beim Industrial-Georgele des Openers. Und wie viel Spaß ich an den folgenden neun Stücken hatte – am Elektrorockpopper „Ave Maria“, am Stampfer „Animal Out“, selbst der augenfällige Durchhänger „Hello“ macht, ähem, irgendwie Spaß. Nicht, dass sich dies alles auch nur einen einzigen, winzigen Millimeter wegbewegen würde von längst bestellten Landen (wobei ich das Gefühl nicht loswerde, dass sich Konietzko/Cifarelli mit einer gewissen offenkundigen Freude immer wieder selbst zitieren) und wir von so etwas wie „musikalische Relevanz“ lieber gar nicht erst anfangen wollen. Aber da gibt‘s ja eben noch diese erwähnte andere, zutiefst subjektivistische Komponente des Spaßhabens. Und ein wenig habe ich durchaus Ehrfurcht vor der Unbeirrbarkeit, mit der Sascha Konietzko sein Ding durchzieht. Immer mit der festen Absicht, via KMFDM sein Statement abzugeben als Kommentar zum Hier und Jetzt (siehe Femen), vollkommen gleichgültig, ob sich das Wahrnehmungspotenzial nun abgenutzt hat oder nicht. Ganz egal, ob das Pferd des, ähem, „Industrialrocks“ nun längst gnadenlos totgeritten wurde von Marilyn Manson und Konsorten. Das ist alles echt wesentlich mehr, als ich eigentlich erwartet hatte.

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KMFDM – Kunst ist via Dependent erschienen.

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