Schrei es! Kreisch es! Aber mit Humor – Arabrot
Text: Jensor | Ressort: Allgemein, Musik | 10. Dezember 2013Eine Band findet zu sich. Oder ich finde endgültig zu ihr – was möglicherweise die bessere Formulierung ist. An dieser Stelle wurde bereits die Höchstpunktzahl gezogen für das neue Werk von Arabrot und ich bin versucht, es den Kollegen vorbehaltlos gleich zu tun. Ach was, versucht – ich sehe dies ganz genauso. „Arabrot“ ist das Beste, was die Band jemals gemacht hat. Und dies ist als gewichtiges Kompliment zu verstehen: Etwas Schlechtes hat diese Band nämlich in meinen Ohren noch nie gemacht. Aber niemals vorher waren sie derart nahe dran an einer für mich perfekten Definition von Noise-Rock. Noise-Rock, der sich auf ideale Art und Weise eingependelt zwischen Chaos, Stoizität, Härte, katharsischer Wucht und Zugänglichkeit, Gewitztheit, geradezu offenkundigem Humor. Eine Platte, die Arabrot in meinen Augen ein für alle mal einen Ausnahmestatus zementiert. Einen Status, der in der Melvins-Liga spielt, um mal DEN ideellen Bezugspunkt ins Spiel zu bringen.
Wie gesagt: Dabei waren die schon immer etwas Besonderes in meiner Wahrnehmung. Seit diesem schönen Augustwochenende in Cammer, an dem ich mit der Nase aber mal so etwas von draufgestupst wurde auf dieses Ding Arabrot. Auf dieses ziemlich beeindruckende Ungetüm, dass sich da schnaubend und wütend daran machte, eine Schneise der musikalischen Verwüstung zu schlagen – und dies meine ich im wahrsten Sinne des Wortes! Das war Noise-Rock, wie er mir immer in den Kram passt, mit einem ausgeprägt hohen Hang zu kakophonischer Dissonanz und schlechter Laune, einem ähnlich herzlichen Verhältnis zu großer Lautstärke und nervender Dringlichkeit, mit purer Lust am Übersteigern aller denkbaren Energielevel. AAAAAHHHHHHH! AAAAAAHHHHHH! Schrei es! Kreisch es! Fauch es! Ächze es! Katharsis! Ich mag diese unbedingte Härte, die in dieser Form von Noise-Rock drinsteckt, eine Härte, die sich in erster Linie über Nonkonformität definiert. Über die Vorstellung, auf gar keinen Fall Musik zu machen, auf die sich eine wie auch immer zu sehende Mehrheit einigen kann. Im Gegenteil: Arabrot ist eine jener Bands, die sich ganz bewußt als Außenseiter sehen – was interessanterweise inzwischen ja anhand des Erfolgs in der norwegischen Heimat ein wenig konterkariert wird.
Die Einladung via Konzert nahm ich damals gerne an. Und sah zu, dieses Ding Arabrot im Auge zu behalten. „Rep.Rep“ und „The Brother Seed“ (noch erschienen via Norway Rat) als Anfang, dann folgten mit dem Wechsel zum vorzüglichen Fysisk Format-Label von Kristian Kallevik „Revenge“ und „Solar Anus“. Und mit letzteren erreichte man dann jenen Erfolg, von dem ich gesprochen hatte: Da räumt eine Band, die sich im Selbstverständnis ganz offen als „one of Europe’s defining underground bands“ sieht, mal eben den Spellemannprisen abräumt. In der Kategorie Metal. Man möge sich mal kurz vorstellen, dass hierzulande eine Band, na, nehmen wir mal Nicoffeine den Echo gewinnt. Gut, laut Echo gibt es ja so etwas wie Metal gar nicht, Einwand angenommen. Aber es geht ja nur um das Gedankenexperiment. Und weil wir gerade mal so beim Knacken mit den Synapsen sind, sollte man sich möglicherweise mal ebenso kurz vorstellen, die entsprechend geehrte Band würde sich dazu bemüßigt fühlen, mal eben so das, ähem, Erfolgsrezept beiseite zu legen. Was in diesem konkreten Falle heißt, dass sich Arabrot von den sehr offensiv präsenten Doom-, Sludge- und Metal-Elementen verabschiedet haben. Gewissermaßen von dem, was „Solar Anus“ zu einer durchaus goutierbaren Platte gemacht hatte – im Arabrot-Kontext, wohlgemerkt.
Ersetzt wurde das Ganze durch eine riesengroße Portion von Humor mit Hang zum kichernden Wahnwitz. Durch das von eben diesem kichernden Wahnwitz getriebenen Unterfangen, sich mit dem Kopf voran in irren Surrealismus, in einen ebenso derben wie überdrehten Clinch mit dem Okkultismus im Allgemeinen und dem Satanismus im Besonderen. Satan! Satan! Ich werde hier jetzt den Teufel tun (Satan! Satan!) und behaupten, ich könne in letzter Konsequenz entschlüsseln, was mir Kjetil Nernes mit seinen Texten sagen möchte. Das wäre auch Blödsinn. Denn ist ist diese Unschärfe, die den Reiz ausmacht. Das böse Gekicher, von dem man nie sagen kann, ob es ernst und wie ernst es gemeint ist. Ob das jetzt alles nur (nur in dicken Anführungszeichen) eine Kunstinstallation ist oder die abstoßende Entäußerung von hochgradig gefährlichen Soziopathen. Immerhin haben die dann wie bereits erwähnt aber einen hirnzersetzenden Humor – wie sonst bekommt man einen solche Songabfolge hin, die sich von Riff-zerhackten Stücken wie „Throwing Rocks At The Devil“ über das offenkundig Kinderlied-insprierte „Blood On The Poet“ und den Noise-Overkill „Blood On Bunny“ zu einem übermorbiden Ausklang namens „Mænads“ entwickelt? Und die dabei alle wunderbaren Regionen des Noise-Rocks streift, die ich mir nur vorstellen kann? Eben.
Arabrot von Arabrot ist auf Fysisk Format erschienen. Hiermit seien auch die weiteren Veröffentlichungen des norwegischen Labels dringend empfohlen (Okkultokrati! Haust! Blood Command!).
Auf dem Arabrot-Weblog sind auch die Texte zu finden.
Foto: Arabrot/T. Krogh