„Wir haben einfach Bock drauf“ – Das 16. Stoned From The Underground
Text: Jensor | Ressort: Musik, Veranstaltungen | 19. Juni 2016Die Sache hier hat einfach ein paar Vorgeschichten und die müssen erzählt werden. Vorgeschichte Nummer 1: Ich habe mich in dieses Festival auf der Stelle verliebt. Da hat alles gepasst. Bis in die allerletzte Stelle hinter dem Komma – die Gründe kann an diesen Stellen nachlesen. Ich bin Fan. Vorgeschichte Nummer 2: Man hatte sich ja schon so seine Gedanken gemacht. Stichwort Festival-Überangebot – gibt es eigentlich noch irgendeine Ecke in diesem Land, in dem es kein Festival gibt? Irgendwie war mir, war uns klar, dass dies keine sonderlich gesunde Angelegenheit sein kann. Wenn die Wochenenden knapp werden, vom Geld, das man auch nur einmal ausgeben kann, mal ganz zu schweigen. Allerdings – ich gebe es zu – war ich ein Optimist: Ich bin immer davon ausgegangen, mit den allgemeinen Kannibalisierungseffekten nicht zu tun haben zu müssen – ich dürste nicht nach Rockavaria und Deichbrand, das Gebahren von Marek Liebermann geht mir am Allerwertesten vorbei, von den ganzen anderen Firmen will ich gar nicht erst anfangen. Es gibt nur zehn Headliner für ein großes Festival? Pffff, juckt mich nicht. Wir haben damit nichts zu tun. Nun ja. Vorgeschichte Nummer 3: Ich war wohl sicher nicht der einzige, der sich nicht schlecht die Augen gerieben hatte – das Stoned From The Underground wurde von den Visions-Lesern zum Festival des Jahres 2015 gewählt. Na hey, die haben ja doch Geschmack. Ich räume ein – da spürte ich schon dieses Ziehen im Hinterkopf. Herrje. Das kennt man doch, der Fluch des Erfolgs. Diese Drecks-Erwartungshaltungen. Vorgeschichte Nummer 4: Zu Ostern ließ Fred Bienert, Gründer und wohl wichtigster Macher der SFTU-Crew, die Bombe platzen. Ich hatte ja schon längst dieses Ziehen im Hinterkopf und irgendwie fühlte es sich wirklich anders an. Das Booking. Das Posten von Bands. Irgendwie schleppender. Verhaltener. Und dann kamen diese Sätze: „Man hat hier mit Agenten und Manager zu tun, die sich weder für das Festival noch die Szene interessieren. Es geht wie überall nur um maximalen Profit. Das überrascht mich nach 16 Jahren nicht wirklich, aber ich habe keine Lust mehr jeden Scheiß mitzumachen bzw. jede absurde Gage zu bezahlen.“ Zack, da war es kein Ziehen mehr im Hinterkopf, sondern beinharter Schmerz. Natürlich war das ein doofer Optimismus! Natürlich wird dies alles Auswirkungen haben – allein schon dadurch, weil diese ganzen verdammten Festivals, die da wie nix Gutes aus dem Boden schießen, auch irgendwen brauchen, der da auf der Bühne steht. Und es da am Ende des Tages eben vor allem ums Geld geht.
Umschnitt ins Jetzt. „Das ist ein bißchen wie 1999, 2000. Damals, als People Like You im Stoner alles gesignt haben, was bei drei nicht auf dem Baum war“, erzählt Ralf Burkart am Telefon. Man weiß genau, wovon man spricht. Man ist ja nicht erst seit gestern dabei (Ralf hat bei den ersten beiden SFTU-Auflagen noch mit Calamus selbst gespielt). Das ist dann vielleicht auch genau der Punkt, an dem eine gewisse Abgeklärtheit ins Spiel kommt. Wir nennen keine Namen, keine Bands, es geht nur um Labels und trotzdem wissen wir beide, worum es geht. Um Hinhaltetaktiken (es könnte sich ja noch ein Festival finden, das noch mehr Geld bezahlt), um satte Gagenforderungen: „Da ist dann irgendwann der Spaß auf der Strecke geblieben. Ich meine, man liegt im Bett und grübelt: Wenn ich jetzt die Gage für diese Band bezahle, muss ich der anderen Band aber wieder absagen, weil dann keine Kohle mehr übrig ist. Und von einer gescheiten Planung kann man dann auch nicht mehr reden, weil man von den Agenturen keine handfeste Aussagen bekommt.“ Die SFTU-Crew ist genau an dieser Stelle auf die Vollbremse getreten. Stopp. Ein dickes Fuck-off nach draußen, an all die möglichen Headliner und Dickschiffe. Das muss man erst einmal bringen.
Gut, ich will hier nicht den Moralapostel raushängen lassen. Ich kann die Musiker, die Bands sogar verstehen – wer klatscht nicht glücklich in die Hände, wenn sich Erfolg auch im Portemonnaise niederschlägt? Aber wie gesagt – man kennt dies alles schon. Spirit Caravan, Red Aim, Lowrider, The Awesome Machine. Tolle Bands, ohne Zweifel, die da um 2000 rum gepusht wurden (siehe oben); gab es aber wirklich das Potenzial, jemals über den Kreis der üblichen Verdächtigen hinauszuleuchten? „Jeder will Underground sein, aber damit wiederum auch ordentlich Geld verdienen“, macht Ralf auf den ganz entscheidenden Denkfehler aufmerksam. Dieser Spagat klappt nur äußerst selten. Zumindest, wenn man diesen Zusatz „ordentlich“ verinnerlicht. Da lohnt es sich dann schon mal, auf das Prinzip Stoned From The Underground zu schauen. Darauf, dass dahinter ein klar definierbares Team steckt – Fred, Ralf und Matte, der Booker. Dazu kommen noch die nötigen Enthusiasten, die man nun mal braucht, um drei Tage Festivaltreiben aus dem Boden zu stampfen. Ein ehrenamtliches Team. Eines, das darauf auch verdammt dezidiert Wert legt, wie Ralf berichtet: „Wir machen das, weil wir Bock drauf haben. Weil wir es wunderbar finden, jedes Jahr Freunde zu treffen und jedes Jahr noch ein paar neue dazu zu bekommen. Klar muss sich die Sache am Ende des Tages rechnen, aber es geht nicht darum, Geld zu verdienen. Dies ist auch der Grund, warum wir das SFTU nicht wachsen lassen wollen. Die Größe ist perfekt, um es noch als Hobby bewältigen zu können. Alles darüber hinaus muss man dann als richtigen Job betreiben.“
Wir sprechen über dieses Underground-Ding. Darüber, ob es wirklich die großen Namen benötigt (eine Debatte, die auch auf der Facebook-Seite intensiv geführt wird). Naja, bei mir rennt man da eh offene Türen ein; ich habe mich wie Bolle gefreut, dass die Schweizer Hathors am Alperstedter See spielen werden. Oder Suma, die ich in verdammt guter Erinnerung habe. Ja, ich weiß – dieses Ding mit den Erwartungshaltungen: Stoner und Heavyrock geht steil, muss da so ein Festival nicht mitziehen? Die Frage ist beantwortet – es kann es schlicht nicht, weil man das Armdrücken mit Bookingagenturen und Festivalkonzernen eh niemals gewinnen kann. „Es geht auch ohne fette Acts“, ist sich Ralf sicher: „Unser Ansatz ist klar: Wir haben stets gesagt – kommt her, vertraut uns, hört euch einfach die Bands an und habt eine schöne Zeit. Wir punkten mit unserem Ambiente. Damit, dass wir das Geld, das wir verdienen, immer wieder in das Festival stecken – damit vielleicht im Jahr drauf zehn Dixies mehr auf dem Gelände stehen. Oder mehr Duschen. Genau den Komfort zu bieten, der mach- und finanzierbar ist. Ich weiß, das klingt jetzt nicht atemberaubend, aber am Ende des Tages kostet das eben auch Geld.“
Weißte Bescheid. Wir sehen uns vom 14. bis 16. Juli in Erfurt-Stotternheim. Weil es eine Sache ist, die großartig ist – und bei der ich dann gerne dabei bin. Weil es mich brennend interessiert, wie es weitergehen kann über den Hype hinaus. Und weil dann doch wieder Bands am Start sind, auf die ich richtig Bock habe: Auf Causa Sui (Abflug in den psychedelischen Outta Space!), auf Dopethrone (fett, Alter), auf Hypnos und Iron Walrus (endlich!), auf Peter Pan Speedrock und Toundra. Herrje, um mal ne Story aus dem Gedächtnis zu rekapitulieren – es macht mich unfassbar an, wenn ein Typ wie Fred auf die Fragen, warum er zum Teufel diese oder jene Band auf dem SFTU spielen lasse, mit einem entschlossenen „Weil ich es so will! Weil ich da Bock drauf habe!“ antwortet. Mehr ist der Sache nicht hinzuzufügen.