Lambchop – This (… is what I wanted to tell you)
Text: Redaktion | Ressort: Musik | 28. März 2019
The style is the sound – Lambchop wollen jetzt nicht mehr die Wohlfühl-Buddies im Alternative-Kuschelbett bleiben. Um weiter ernstgenommen, gehört zu werden, schiebt man die Möbel im liebgewonnenen Ambiente um und lässt den Soul, zu dem man sich bekennt, durch verschiedene Voice-Filter fliessen. Der hierbei herauskommende umgekehrte jugendlich-lässige Bounce-Effekt entfaltet seine Wirkung als elektronisches Zitat und Verweis zu Weißem R&B und Soul, den meist juvenile Bands und Musiker – seltener Frauen – gerne adaptieren und dazu eben jene gepitchte Stimmen einsetzen, nicht zuletzt, um auf das weibliche Geschlecht Eindruck zu machen. Will man dies negativ auslegen, so ist das Angeberei, positiv gesehen, aber einfach pures Adrenalin, bzw. Testosteron, auf welches man in einem bestimmten Alter einfach nicht verzichten kann. Wegen diesem Menschenrecht auf Coolness und Sexyness sind Lambchop, besser gesagt ihr Sänger Kurt Wagner, sicher nicht einem neuen Jugendwahn aufgesessen. Eher ist davon auszugehen, dass sie auf Analogien und Verweise setzen, zudem auf genau jenen spannenden, knisternden Aspekt, den R&B, Hip-Hop und Soul bieten.
Sex ist sicher nie der vorderste Grund gewesen eine Lambchop-Platte zu kaufen und zu hören. Er ist aber Teil der Hauptströmungen der Pop-Musik. Allein im Country-Sektor respektive in der US-Kultur soll es da nach wie vor gewisse Schamgrenzen, Prüderie bis hin zu Lust-Feindlichkeiten geben. Und genau darauf zielt „This“, das Album, auf dem Lambchop, genetisch verortet im Alternativ-Country-Bereich, ihren rauchzarten Schmuse-Stimmen-Country, fast komplett abkoppeln von Weiss, auf dem sie wieder ganz betont auf Schwarz setzen. Letztendlich war die US-Musik vor Rock‘n‘Roll eine duale, nach Rassen, Klassen und Genres getrennte Welt – es waren nicht zuletzt Zufälle wie Boykotte von Sendern und Streiks von Djs während eines Streits mit der ASCAP (American Society of Composers, Authors and Publishers) 1941 et cetera, dass mehr und mehr abseitige, unkommerzielle Musik, Volkslieder, von schwarzem Blues und Gospel bis zu weißem Country und Folk gesendet wurden – und in den USA werden bis heute die Hitparaden in Sparten getrennt, das heisst in Rassen imaginiert, geführt. Kurz: dass Country-Musik mit Soul und Blues – wie hier – also heiß verschmilzt, sich darin auflöst und wieder abkühlt, erstarrt, das ist für sich genommen nicht das Ereignis, die Innovation. Dass dieser Verlauf, diese Metamorphose, jedoch quasi als Ablauf, als Prozess aufgezeichnet wurden auf diesem Album, dies dürfte es in dieser Form noch nicht zu oft gegeben haben.
Am Ende kehrt sich übrigens, mit dem Track „Flower“ wieder alles ins vermeintlich Reine, Unschuldige, Weiße, als Schlußgag, der jedoch nicht auf Kosten der ursprünglichen, der klärenden und dadurch authentischen, Country-Musik gehen soll, sondern einen versöhnlichen Schlussakkord setzt. Wovon spreche ich eigentlich? Bei Lampchop spielen Spandau Ballet Motown und die New Romantics gleichzeitig mit Michael Jackson, Steve Wonder und Justin Timberlake einen circa einstündigen Bluegrass-Song. Das war‘s, was ich Dir sagen wollte: Das „New“ bist nicht mehr allein „Du“. Lambchop kochen immer experimenteller – aber niemals Ungeniessbares. Wow! Demnächst leider nicht mehr mit Scott Walker, R.I.P., der das Titelstück hier hätte singen können. Gut, das. Sehr, sehr subtil, für Crossover-Feinschmecker, Nachschlag bitte!
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