Von Fantum, Abgebrühtheit und einem See vor der Haustür – Stoned From The Underground 2024
Text: Jensor | Ressort: Allgemein, Diary, Musik, Veranstaltungen | 28. Juni 2024„Es nimmt einem echt eine ganz viel Stress aus dem Kreuz, wenn man beim Booking nicht mit den großen Namen wedeln muss“, erklärt Ralf Burkart – seines Zeichens Mitstreiter in jenem Organisationstrio, dem wir zuverlässig Jahr für Jahr das Stoned From The Underground-Festival (SFTU) zu verdanken haben. Oder um es mal anders zu formulieren: Auf dem Gelände direkt am Alperstedter See in Erfurt-Stotternheim spielen jene Band, die genau da auch wirklich spielen wollen. Und daran hat sich auch bei der Auflage 2024 vom 11. bis 13. Juli nix, aber auch wirklich gar nix verändert. Punkt.
„Wenn man aus dem Underground kommt, rechnet man nicht unbedingt gewinnorientiert. Sondern vielmehr spaßorientiert.“ Wenn es denn jemals so etwas wie eine Erfolgsgeheimnis für ein Event wie das SFTU gegeben hat oder nach wie vor gibt – so könnte man es wahrscheinlich am besten auf den Punkt bringen. Anders geht es ja auch überhaupt nicht, zwischenzeitliche Hype-Ausnahmesituationen ebenso unbeschadet zu bestehen wie massive Tiefschläge mit pandemiebedingten Festival-Absagen. Weil man sowohl in dem einen wie auch in dem anderen Fall einfach so weitermacht wie gewohnt, mit der erwähnten Spaßorientierung, einer tiefen Gelassenheit (die sich wiederum aus einer gewissen Sicherheit speist, die Ralf Burkart wie folgt umschreibt: „Du weißt einfach, dass diese Sache 2500, 3000 Leute interessieren wird.“) und einer gepflegten Abgebrühtheit, die sich auch von Rockstar-Allüren nicht aufweichen lässt. Frei nach dem Motto: Ach, ihr wollt nicht wirklich auf dem SFTU spielen? Na dann bleibt mehr für andere, kleinere, vielleicht spannendere Bands übrig. Manchmal kann die Musikwelt so einfach sein.
Denn hinter dem skizzierten – ähm, nun ja, in Sachen Spirit und Herangehensweise kann man’s wohl kaum anders sagen – wertkonservativen Ansatz steckt trotzdem ein dicker Haufen Lust auf Neues. In musikalischer Hinsicht. Ralf Burkart erzählt mit Begeisterung von jenem Forum, auf dem sich Bands aller Spielarten um einen Festivalslot bemühen können und zwar vollkommen ergebnisoffen bzw. mit der entsprechenden Chancengleichheit. Begeistert, weil man sich in SFTU-Kreisen gern und mit Freude durch die eingereichte Musik hört. Und weil man da doch ganz gut mitbekomme, was aktuell so geht da draußen in der Welt. „Vor ein paar Jahren war da jede Menge Doom am Start, inzwischen laufen viele Neokraut-Sachen und psychedelisches Zeug rein.“ Was sich dann auch im Festival-Programm wiederfindet – mit Bands wie Burn Pilot, Echo Solar Void, Einseinseins oder Kombynat Robotron.
Lasst uns über Fantum reden! Denn genau darum geht es bei der ganzen Sache. Genau deshalb scheint dieses Festival so immun zu sein gegenüber dem schon erwähnten Hype (den es ja wirklich mal gab vor einer Handvoll Jahren und der manchmal Dinge viel schneller killen kann als Rückschläge). Aus Fantum erwächst Überzeugung und zwar jene, dass man schon alles richtig macht, wenn man die leider weitverbreiteten „Wir möchten aber dieses und jenes unbedingt im Backstage-Bereich vorfinden“-Zettel kommentarlos ignoriert. Wie war das noch einmal? Wenn ihr nicht wirklich hier spielen wollt, kein Problem. Was im Umkehrschluss wiederum bedeutet, dass im Fall des Wirklich-Wollens die ganze Herzlichkeit des Fantums erlebbar wird. „Für Greenleaf ist das wie eine Art Nach-Hause-Kommen“, erzählt Ralf Burkart: „Und auf Weedeater freue ich mich besonders – auf das Wiedersehen.“ Man war ja mal einst gemeinsam auf Tour.
Ein Szene-Ding im besten Sinne gewissermaßen. Mit der perfekten Balance aus Familienverbundenheit und ungebremster Neugier. „Was uns allen immer Spaß macht, ist diese Vielfalt bei den Bands“, und die damit einhergehende Erfüllung auch ganz eigener Sound-Vorstellungen. Ralf Burkart als gestandener Metalhead im SFTU-Trio sinniert über die Vielzahl von jungen Thrash-Bands, die aktuell unterwegs sind – und da für jede Menge Abriss sorgen (wie beispielsweise Zerre beim Desertfest in Berlin). „Finde ich ziemlich interessant“, sagt er. Ach ja – Zerre sind natürlich auch am Alperstedter See am Start. Der spielt – neben Fantum und Spirit – die nächste Hauptrolle im SFTU-Konstrukt. „Der See ist schon echt wichtig“, überlegt Ralf Burkart und ergänzt: „Die gute Infrastruktur macht eine ganze Menge aus.“
Wobei – auch dies muss an dieser Stelle unterstrichen werden – der Austragungsort in Thüringen nicht zur Disposition steht. Oder stand. Auch nach den aktuellen politischen Entwicklungen nicht (AfD-Wahlerfolge und so). „Es ist gut, dass dieses Festival in Erfurt stattfindet. Und man damit ein Zeichen setzen kann, dass auch Thüringen immer noch ein bisschen bunt ist – wobei uns diese Ergebnisse schon in letzter Zeit ziemlich abgefuckt haben.“ Ja, manchmal kann ein Wochenende voller Musik auf einer Wiese auch schon ein wichtiges Statement sein – weil man zum Beispiel eine Band wie Daevar im Line-up findet: Sängerin und Bassistin Pardis Latifi hatte ebenfalls beim Desertfest nachdrücklich darauf verwiesen, dass man Freiheiten verteidigen muss. Freiheiten wie jene als Frau in einer Doom-Metal-Band zu spielen, mit einer völligen Selbstverständlichkeit. Ja, genau dann wird ein Wochenende voller Musik ein wichtiges Statement.
Wozu auch gehört, dass es nicht vordergründig um Geld geht. Sicher, um Geld geht es immer. Und dies auch irgendwie zurecht, denn sonst könnte Ralf Burkart nicht sagen: „Auch die kleinen Bands – klein in Anführungszeichen – sollen natürlich ihre Gagen bekommen. Wir bezahlen gut und wir bezahlen gern.“ Es zeichnet die SFTU-Crew aus, auch die Kehrseite der Medaille zu kennen: „Wir wollen die Preisentwicklung, die wir auf verschiedenen anderen Festivals beobachten, einfach nicht mitmachen. Oder generell die Preisentwicklung – manchmal bin ich wirklich entsetzt, was da für ein T-Shirt aufgerufen wird.“ Das Signal: Die 138 Euro für ein Festivalticket stehen nach wie vor. Und zwar mit allem. Geht halt aber auch nur, wenn man sich spaßorientiert und eben nicht gewinnorientiert: „Es geht um Null auf Null bei den Kosten. Alles, was darüber hinausgeht, nehmen wir als Benefit. Und dies stecken wir dann einfach in das nächste Festival.“
Earth Tongue
Heckspoiler
Bismut
Lowrider
Greenleaf
Daevar
Zerre
High Desert Queen
Einseinseins
Eremit
Das Stoned From The Underground 2024 vom 11. Bis 13. Juli in Erfurt-Stotternheim am Alperstedter See; mit Greenleaf, Weedeater, Lowrider, Slomosa, The Great Machine, Earth Tongue u.v.a. (Witch haben übrigens leider abgesagt, dafür rücken Eremit nach)
Infos und Tickets: www.sftu.de
Text: Jensor
Bilder: K. Nauber
noch mehr Bilder von den Vorjahren: Flickr.com