Das Millionenspiel von Wolfgang Menge

Text: | Ressort: Film | 17. Juli 2009

Das West-TV der Siebziger und frühen Achtziger Jahre hat sich als tiefschwarze Erinnerung in mein Gedächtnis gebrannt. Puppenpsychedelik und absonderlicher Märchen aus Tschechien im Kinderprogramm. Daneben deprimierende Mehrteiler wie „Patrick Packard“ oder „Timm Thaler“ – das Lächeln haben wir damals alle verkauft oder gegen die Angst vor dem nächsten Atomreaktorunfall getauscht. Ich war noch viel zu jung, um das wirklich zu begreifen, aber beeinflusst hat diese Zeit uns alle.

Einer, der sich damals intensiv mit der gesellschaftlichen Gegenwart und ihrer Perversionen in der herannahenden Zukunft auseinandersetzte war der Journalist Wolfgang Menge. Die Gegenwart (und die „früher war alles besser“-Mentalität der Ewig-Gestrigen) behandelte er in seinen spitzzüngigen Drehbüchern für „Ein Herz und eine Seele“, wo er Ekel Alfred aussprechen lies, was vielen in diesem Lande durch die Köpfe ging, im gutbürgerlichen Konsens aber nie gewagt wurde ausgesprochen zu werden. Mit zwei Fernsehfilmen nahm er sich der Zukunft an und malte sie in aschgrauen Farben, wie sie treffender nicht hätten gewählt werden können.

„Smog“ malte 1971 an die Wand, was zehn Jahre später zum alltäglichen Nachrichtentenor gehören würde: Jahre vor dem ersten Smog-Alarm schilderte er den Zusammenbruch einer Großstadt unter der Last des Verkehrs. Lange vor Katalysatoren und Umweltbewusstsein dachte er die damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse weiter und schuf mit seinem Drehbuch ein realistisches Szenario, dass sich kurze Zeit später bewahrheiten sollte. Der junge Wolfgang Petersen machte daraus einen spannenden Fernsehfilm, bevor er sich mit „Die Unendliche Geschichte“ in seine eigene Traumwelt flüchtete und nach Hollywood zog, um sie auszuleben. Aber damals gehörte er noch zur ersten Garde des politischen Films und schuf mit „Smog“ einen bleischweren Thriller von visionärer Kraft.

Nicht weniger vorausschauend war auch „Das Millionenspiel“. Als Orwellsche Phantasie auf Deutsch kam die humorfreie Mediensatire damals ins dritte Programm und sorgte für einen kollektiven Schauer des Entsetzens. Von einer adretten Ansagerin angekündigt und von Dieter Thomas Heck, der Koryphäe des westdeutschen Unterhaltungsfernsehens, moderiert setzte Wolfgang Menge bewusst auf schockierenden Realismus und dachte die Perversion der Medien in ihrer logischen Konsequenz weiter. Rund 20 Jahre vor Big Brother, lange bevor nahezu sämtliche Tabus mit der Fernbedienung weggezappt wurden, lies er ein Killerkommando Jagd auf einen Zivilisten machen – vor den Augen und unter dem Applaus von Millionen von Zuschauern.

Auch heute, rund 30 Jahre später wirkt dieses perfide Szenario noch, was sicherlich auch meine angsterfüllten Erinnerungen an die erste Sichtung als Halbling liegt. Als einziges Manko kann im Nachhinein die Besetzung von Dieter Hallervorden als Gangsterboss gewertet werden. Aber „Das Millionenspiel“ ging einige Jahre eher über den Sender, bevor „Didi“ sich in unzähligen Blödelfilmen zum Affen der Nation machte. Ach ja, und für ne Millionen würde sich wohl heutezutage auch niemand mehr von der Fernsehcouch erheben. Erst recht nicht, wenns D-Mark sind.

„Das Millionenspiel“ ist in einer Box aus 3 DVDs bei Alive erschienen und enthält ebenfalls den Film „Smog“ und eine Hommage an „Ein Herz und eine Seele“.

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